Honigkuchenpferd hat geschrieben:[enigma] hat geschrieben:Nein. Dein Argument ist ja, der empirische Zusammenhang zwischen Vollstreckung und Rückfallquote belege nichts, weil in der Praxis vornehmlich gegen diejenigen Jugendlichen vollstreckt wird, die eine schlechte Prognose haben und deshalb ohnehin rückfallgefährdeter sind. Das ist in der Theorie natürlich richtig. In der Praxis gibt es eben häufig fälle, in denen die Jugendstrafe durch einen zu milden Richter gegen einen rückfallgefährdeten Jugendlichen nicht vollstreckt oder durch einen zu strengen Richter gegen einen Jugendlichen mit guter Prognose vollstreckt wird.
Diese Annahme ist schlicht fern der Realität. Im Zweifel wird wesentlich häufiger Bewährung gewährt, obwohl die Prognose nicht wirklich gut ist, als andersherum.
Wenn das so ist, ist die geringere Rückfallquote bei nicht vollstreckten Jugendstrafe doch noch viel bemerkenswerter.
Im Zweifel für die Aussetzung zu entscheiden, sollte im Rechtsstaat übrigens selbstverständlich sein. Wie gesagt wird ein Drittel der aussetzungsfähigen Jugendstrafen auch vollstreckt (wohlgemerkt im Urteil, ohne nachträglichen Widderruf), im Bereich zwischen 1 und 2 Jahren sogar die Hälfte. Wesentlich milder als im Erwachsenenstrafrecht, wo die Zahlen ähnlich aussehen, fällt zumindest die Aussetzungsentscheidung im Jugendstrafrecht also nicht aus.
Es kommt darauf an. Für "Milde" bin ich auch nicht, aber z.B. für einen angemessen Betreuungsschlüssel, Bildungsangebote und Therapiemöglichkeiten. Nur kostet das halt Geld.
Eben. Und das will oder kann (je nach Bundesland) man nicht investieren. Zumal man wie gesagt nur bei längeren Freiheitsstrafen mit positiver erzieherischer Wirkung rechnen könnte. Gerade bei den Wiederholungstätern geht es aber um die Frage, ob man nicht lieber schneller mal mit kurzen Freiheitsstrafen dabei sein sollte. Und das ist - so die ganz herrschende Meinung - eben kontraproduktiv.
Vergeltung um jeden Preis ist kein gesellschaftliches Anliegen. Das gesellschaftliche Anliegen, die Gefahren der Jugendkriminalität dadurch zu begrenzen, dass man ihnen durch zu repressive Maßnahmen keinen Vorschub leistet, überwiegt doch sehr deutlich.
Das ist deine Meinung. Ich teile sie z.B. in Bezug auf wiederholte Gewalttäter nicht. Und auch im weltweiten und sogar europäischen Vergleich verfolgen Staaten da ganz unterschiedliche Konzepte.
Und haben mitunter auch deutlich höhere Kriminalitätsraten.
Diese Auffassung ist auch nicht ohne inneren Widerspruch, weil das alles bei Erwachsenen nicht prinzipiell anders ist bzw. wäre.
Doch, es ist sogar ganz grundlegend anders. Auf Erwachsene hat Haft eine ganz andere Wirkung als auf Jugendliche. Der natürliche Erziehungseffekt durch die Gesellschaft zB. wirkt in Erwachsenen eben nicht mehr, weil deren Persönlichkeit bereits gefestigt, bzw. die Entwicklung abgeschlossen ist. Da behindert man keinen Reifeprozess, indem man sie wegsperrt, sondern setzt ihn möglicherweise in Gang. Das kann natürlich durchaus auch bei Jugendlichen der Fall sein, allerdings überwiegen die Nachteile der Haft dort ganz massiv.
Gerade bei Jugendlichen und insbesondere bei Wiederholungstätern hat man übrigens den Effekt, dass die Freiheitsstrafe in ihrem Milieu als Auszeichnung gesehen wird und ihr PRestige dadurch steigt. Gleichzeitig sind sie für die "normale" Gesellschaft aber stigmatisiert, was die Resozialisierung erschwert. Die Schwelle, ab der Freiheitsentzug als ultima ratio anzuwenden ist, liegt bei Jugendlichen deshalb nunmal wesentlich höher als bei Erwachsenen. Das gilt auch für Wiederholungstäter, weil selbst die allermeisten jugendlichen "Intensivtäter" noch die Kurve kriegen. Und die Wahrscheinlichkeit dafür ist größer, wenn sie nicht im Knast saßen.