Seite 9 von 9

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Montag 17. Juli 2017, 00:01
von Ara
Naja wenn eine positive Legalprognose gegeben ist und du sagst, er muss noch 6 Monate drin bleiben, damit er seine Ausbildung beenden kann, hab ich persönlich meine Bauchschmerzen. Die Jugendstrafe ist halt primär doch eine Kriminalstrafe.

Ich würde persönlich das Gespräch mit dem Jugendlichen suchen und ihn Fragen, ob er die Ausbildung noch beenden möchte. Würde ihn dann aber glaub ich, wenn tatsächlich sonst alles für eine vorzeitige Entlassung spricht, seinen Wunsch nach Entlassung nicht widersprechen. Mag man aber, vor allem im Jugendstrafrecht, anders sehen. Ich denke nicht, ohne jetzt tiefer recherchiert zu haben, dass man deinen Gedanken nicht dazu verwenden könnte, den vorzeitige Entlassung zu versagen. Du musst aber auch bedenken, dass du den vorzeige Häftling, der seine Ausbildung macht dann länger drin lässt, als den 0815 Häftling der sich zwar anständig führt, aber darüber hinaus nicht mehr machen.

Aber das löst ja auch nicht das Hauptproblem. Ich weiß zum Beginn halt nicht, ob der Jugendliche so lange drin bleibt und wann er wohl in den offenen Vollzug geht. Das ist auch ein Problem im erwachsenen Vollzug, dass die Kommunikation schlicht fehlt. Das führt zu dem idiotischen Phänomen, dass lebenslängliche Häftlinge so ab 16-17 Jahre regelmäßig auf ein Leben in Freiheit "vorbereitet" werden, damit die nicht einfach ganz überraschend von der Strafvollstreckungskammer auf freien Fuss gesetzt werden.

Das ist dann noch ein schlicht praktisches Problem was man hat. Ein sinnvoller Vollzugsplan ist nicht möglich, weil du gar nicht weißt wie lange der Häftling bei dir im geschlossenen Vollzug ist. Das ist nicht auf das Jugendstrafrecht begrenzt.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Montag 17. Juli 2017, 00:26
von Tobias__21
Das Problem, dass es am Ende nun doch eine Kriminalstrafe ist, sehe ich auch. Ich finde es aber extrem unbefriedigend, wenn man dann Ausbildungen abbrechen muss, bzw. die Jugendlichen erst in die Ausbildung bringt und sie dann entlässt, bevor die Ausbildung fertig ist. Draußen klappt es dann meist nicht, dass die Ausbildung beendet wird. Erstmal muss man einen finden, der einen vorbestraften Jugendlichen nimmt, und zweitens muss der Jugendliche auch mitziehen. Dem Kandidaten, den ich erlebt habe, muss man permanent in den Arsch treten, sonst läuft da gar nichts. Aber ich meine, dass bei ihm eh schon alles verloren war und da eine Knastkarriere vorprogrammiert ist. Ich muss da nochmal meine Ausbilderin fragen, was da genau rausgekommen ist. Ich kann mich nicht mehr richtig an den Urteilsspruch erinnern. Aber das Thema Ausbildung war permanent im Raum. Es ist doch auch für den Jugendlichen unbefriedigend, dass er was anfangen kann, was ihm Spaß macht (das war in dem Fall so) und er am Ende dann doch mit nichts dasteht, weil es draußen nicht klappt diese Ausbildung zu beenden. Da hat er doch auch überhaupt kein Erfolgserlebnis, oder eine Bestätigung, und denkt sich am Ende womöglich, dass er wieder versagt hätte. Dann fände ich es tatsächlich besser, die Ausbildung nur bei langen Freiheitsstrafen überhaupt erst zu ermöglichen, was aber auch irgendwie unbefriedigend ist. Der Jugendliche soll sich doch auch bei kurzen Freiheitsstrafen irgendwie weiterentwickeln können und was aus der Haft "mitnehmen".

Vielleicht wäre es ja eine Möglichkeit, dass der Jugendliche einfach jeden Tag in den Knast kommt, nur zur Ausbildung. Aber das praktisch umzusetzen ist ja auch schwierig, da die wenigsten wohl am Ort Jugendvollzugsanstalt auch ihren Wohnsitz haben werden. Wohngruppen wären natürlich eine Möglichkeit, aber das hat man ja auch schon im offenen Vollzug. Und zu guter letzt bleibt das Problem, dass der Jugendliche das auch selbst wollen muss. Die meisten werden wahrscheinlich überhaupt gar keinen Bock haben ihre Ausbildung auch zu beenden. Einen gewissen Zwang und Struktur wird es da also auch brauchen, was man wohl auch nur über den Vollzug erreicht.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Dienstag 25. Juli 2017, 12:55
von Honigkuchenpferd
http://www.mopo.de/hamburg/milde-urteile-fuer-vier-angeklagte-richterin-laesst-die-mopo-brandstifter-laufen-28005722 (Verwaister Link automatisch entfernt)

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 26. Juli 2017, 01:19
von [enigma]
Honigkuchenpferd hat geschrieben:http://www.mopo.de/hamburg/milde-urteile-fuer-vier-angeklagte-richterin-laesst-die-mopo-brandstifter-laufen-28005722 (Verwaister Link automatisch entfernt)
„Sie sind keine Terroristen und haben sich mittlerweile authentisch und glaubhaft von den Taten distanziert“, sagt sie in ihrer Urteilsbegründung. Keinem der Täter sei noch extremistisches und islamistisches Gedankengut mehr nachzuweisen, obwohl sie damals in einem Chat Sätze wie „Die Ungläubigen sollen brennen“ und „Das war wie ein perfekter Mord“ schrieben.
„Ihnen hat natürlich auch die Zeit in die Karten gespielt, hätten wir vor zwei Jahren hier gesessen, wäre das anders ausgegangen“, sagt Meier-Göring. Mittlerweile hätten die Angeklagten alle einen Job gefunden und somit positive Sozialprognosen. Außerdem sei nach zweieinhalb Jahren der damalige Reifezustand der jungen Männer nicht mehr nachzuweisen, demnach gelte das Jugendstrafrecht.
Für MOPO-Verhältnisse überraschend ausgewogene Berichterstattung. So ist das unter jugendstrafrechtlichen Gesichtspunkten durchaus nachvollziehbar.