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Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:03
von [enigma]
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Also das ist jetzt nur noch absurd und ärgerlich. Statt die Frage zu beantworten, kommt ein völlig zusammenhangloser Wortschwall mit Vokabeln, die hier allenfalls du gebrauchst ("linksgrünversifften Kuschelheinis").
Mit dieser "Vokabel" wollte ich keinesfalls dich ansprechen oder deinen Duktus oder deine Meinung parodieren. Es ist halt ein alter und mittlerweile nicht mehr ernstzunehmender Vorwurf, dass hinter den Prinzipien des Jugendstrafrechts und der Annahme, die Vollstreckung von Haftstrafen würde bei Jugendlichen deutlich mehr Schaden als Nutzen anrichten, weltfremdes Gutmenschentum stehe. Das wird ja auch an der Eröffnung der Diskussion durch Suchender_ deutlich. Ich finde es deshalb tatsächlich eine Erwähnung wert, dass man das schon vor knapp 80 Jahren anerkannte.

Im Übrigen weise ich den Vorwurf von mir, mein Wortschwall sei völlig zusammenhanglos. Mein Wortschwall steht sehr wohl in direktem Zusammenhang mit der Diskussion. Tatsächlich habe ich - wenn auch sehr allgemein, dafür aber zum wiederholten Male - auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse hingewiesen, mit denen die von dir - wiederholt - ins Spiel gebrachte hohe Rückfallquote bei Jugendlichen erklärt wird.

Du hast im Übrigen deinerseits noch nicht auf meine Frage geantwortet, ob du den Vergeltungsgedanken im Jugendstrafrecht ganz grundsätzlich oder nur bei schweren Verbrechen stärker berücksichtigen willst. Und ob du zugunsten der Befriedigung des Rechtsempfindens der Allgemeinheit durch Vergeltung auch die zusätzliche Intensivierung krimineller Karrieren durch ein stärker repressiv ausgestaltetes Jugendstrafrecht in Kauf nehmen willst.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:18
von Honigkuchenpferd
Der Bezug fehlte aber zu meiner Frage.

Implizit habe ich zudem darauf doch sehr wohl geantwortet. Es geht mir allgemein um schwere Straftaten, die sich unmittelbar gegen Menschen richten, d.h. Gewalt- und Sexualstraftaten. Was reine Vermögensdelikte angeht, sollte man auch meiner Meinung nach zurückhaltend sein.

Daneben nehme ich, wie gesagt, an, dass sich die negativen Effekte bei sinnvollen Vollzugskonzepten in Grenzen halten lassen und ohnehin nicht überschätzt werden sollten. Dass Haftstrafen kriminelle Karrieren auch befördern können, gilt ja, wie erwähnt, dem Grunde nach auch bei Erwachsenen. Ich hatte ja auch schon mehrfach erwähnt, dass mir die Grenze von 21 Jahren eher willkürlich erscheint.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:25
von [enigma]
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Der Bezug fehlte aber zu meiner Frage.
Ich hatte ja davor erklärt, warum ich den Unterschied in den Rückfallquoten bemerkenswert finde. Und noch bemerkenswerter finde ich ihn eben, wenn man davon ausgeht, dass dieser Unterschied trotz viel zu milder Aussetzungsentscheidungen besteht.
Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Daneben nehme ich, wie gesagt, an, dass sich die negativen Effekte bei sinnvollen Vollzugskonzepten in Grenzen halten lassen und ohnehin nicht überschätzt werden sollten. Dass Haftstrafen kriminelle Karrieren auch befördern können, gilt ja, wie erwähnt, dem Grunde nach auch bei Erwachsenen. Ich hatte ja auch schon mehrfach erwähnt, dass mir die Grenze von 21 Jahren eher willkürlich erscheint.
Das besondere Problem bei Jugendlichen ist aber, dass die (übrigens teuren und derzeit nicht flächendeckend vorhandenen) Vollzugskonzepte, die auf Jugendliche zugeschnitten sind, nur bei langen Haftstrafen greifen. Man geht wie gesagt derzeit grob davon aus, dass Haftstrafen unter einem Jahr überwiegend schädlich sind und kaum erzieherischen Effekt haben sondern intensivierend wirken. Bei erwachsenen Häftlingen richtet die Vollstreckung der Haftstrafe einen geringeren Schaden an, weil deren charakterliche Entwicklung eben schon abgeschlossen ist.

Auch das Problem der Stigmatisierung stellt sich bei Jugendlichen deutlicher. Wer bereits sein ganzes Leben lang berufstätig war, wird nach der Freiheitsstrafe wohl leichter eine Beschäftigung finden und soziale Kontakte aufbauen und sein Leben neu ordnen können als jemand, der während der charakterlichen Prägungsphase und Ausbildungszeit im Knast saß.

Gerade bei Jugendlichen setzt ein erzieherisch sinnvolles Vollzugskonzept übrigens voraus, dass die Selbstständigkeit gefördert wird. Das ist in der Haft nur durch betont offene Vollzugskonzepte mit Berührungspunkten mit der Außenwelt realisierbar. Und genau das gibt ja schon, gilt aber den wenigen seriösen Kritikern des Jugendstrafrechts und wohl auch einem großen Teil der Gesellschaft oft als zu lasch und milde.

Die Grenze von 21 Jahren ist auch nicht willkürlich. Die Grenze gilt ja auch in anderen Bereichen, in denen es um die Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben geht. Mit 21 dürften Pubertät und jugendtypische Entwicklungsphasen bei den meisten Menschen auch abgeschlossen sein.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:41
von Honigkuchenpferd
[enigma] hat geschrieben:Das besondere Problem bei Jugendlichen ist aber, dass die (übrigens teuren und derzeit nicht flächendeckend vorhandenen) Vollzugskonzepte, die auf Jugendliche zugeschnitten sind, nur bei langen Haftstrafen greifen. Man geht wie gesagt derzeit grob davon aus, dass Haftstrafen unter einem Jahr überwiegend schädlich sind und kaum erzieherischen Effekt haben sondern intensivierend wirken. Bei erwachsenen Häftlingen richtet die Vollstreckung der Haftstrafe einen geringeren Schaden an, weil deren charakterliche Entwicklung eben schon abgeschlossen ist.
Bei den Straftaten, um die es geht, sind Haftstrafen in dieser Größenordnung wohl regelmäßig mehr als angemessen. Daher stellt sich dieses Problem eigentlich nicht. Daneben muss die charakterliche Entwicklung bei Erwachsenen auch noch lange nicht abgeschlossen sein. Das gilt für Personen in den 20ern, m.E. aber durchaus auch danach. Wie der Gefängnisaufenthalt wirkt, hängt vor allem davon ab, wie er ausgestaltet ist.
Auch das Problem der Stigmatisierung stellt sich bei Jugendlichen deutlicher. Wer bereits sein ganzes Leben lang berufstätig war, wird nach der Freiheitsstrafe wohl leichter eine Beschäftigung finden und soziale Kontakte aufbauen und sein Leben neu ordnen können als jemand, der während der charakterlichen Prägungsphase und Ausbildungszeit im Knast saß.
Darauf kann man aber sehr wohl Einfluss nehmen. Ich halte z.B. viel davon, Straftäter dazu anzuspornen, im Gefängnis eine Ausbildung o.Ä. zu machen, indem man ihnen dafür Vergünstigungen bis hin zur früheren Entlassung anbietet. Und auch später kann der Staat hier eine ganze Menge tun.
Gerade bei Jugendlichen setzt ein erzieherisch sinnvolles Vollzugskonzept übrigens voraus, dass die Selbstständigkeit gefördert wird. Das ist in der Haft nur durch betont offene Vollzugskonzepte mit Berührungspunkten mit der Außenwelt realisierbar. Und genau das gibt ja schon, gilt aber den wenigen seriösen Kritikern des Jugendstrafrechts und wohl auch einem großen Teil der Gesellschaft oft als zu lasch und milde.
Diese Meinung teile ich so nun wieder nicht. Es sollte jedoch umfassende Bildungs- und Therapieangebote geben. Dass das teuer ist, habe ich im Übrigen selbst gesagt. Aber das ist nun wirklich ein schwaches Argument, zumal die Jugendhilfe auch sonst nicht umsonst sind.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:51
von [enigma]
Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Diese Meinung teile ich so nun wieder nicht. Es sollte jedoch umfassende Bildungs- und Therapieangebote geben. Dass das teuer ist, habe ich im Übrigen selbst gesagt. Aber das ist nun wirklich ein schwaches Argument, zumal die Jugendhilfe auch sonst nicht umsonst sind.
Es ist ein schwaches Argument in der theoretischen Diskussion, ja. Aber ein durchaus gewichtiges in der Praxis. Denn die muss mit den Gegebenheiten arbeiten, die nunmal vorliegen. Und derzeit ist der Vollzug selbst bei langer Haftdauer nicht geeignet, erzieherisch auf jugendliche Verbüßer einzuwirken.

Wenn es dir wirklich nur um schwerste Straftaten geht, in der man mindestens eine mittlere Jugendstrafe verhängen müsste, habe ich wie gesagt nicht den Eindruck, dass das nicht getan wird. Sicher, es gibt immer wieder Meldungen von schwersten Straftaten, in denen die Sanktion auf den ersten Blick viel zu milde ist. Aber das sind halt Einzelfälle und in vielen Fällen hätte man vielleicht mit Aktenkenntnis und Berufserfahrung als Jugendrichter mehr Verständnis für die Entscheidung.

Das eigentliche Problem, in dem das Jugendstrafrecht auf den ersten Blick tatsächlich viel zu milde wirkt, sind aber doch die Wiederholungstäter, die immer wieder mit zB. Körperverletzungen auffallen. Die fahren tatsächlich so gut wie nie ein, zumindest nicht annähernd so schnell wie ein einschlägig vorbestrafter Erwachsener. Aber gerade bei denen geht es ja um eine eher kurze Jugendstrafe, die eben in der Regel kontraproduktiv wirken würde. Man hat hier also ein Dilemma, wenn man einerseits erkennt, dass der Wiederholungstäter ziemlich unbeeindruckt ist, seine Taten aber andererseits keine mittlere oder hohe Jugendstrafe, in der man lange Zeit zur erzieherischen Einwirkung hätte, rechtfertigt. In einer solchen Situation finde ich es tatsächlich richtig, keinen Freiheitsentzug zu vollstrecken, weil das sehr wahrscheinlich zu einer Intensivierung führt. Letztendlich geht es ja beim Jugendstrafrecht nicht (nur) um den Schutz der Angeklagten, sondern der Gesellschaft.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:55
von Honigkuchenpferd
Wiederholungstäter möchte ich ausdrücklich auch einbeziehen, soweit es um mehr als nur bagatellhafte Gewaltdelikte geht, und ich bin der Meinung, dass dann in der Regel auch deutliche Strafen verhängt werden sollten.

Dass es dem Schutz der Gesellschaft dient, diese Personen in Freiheit zu belassen, halte ich unterm Strich ohnehin nicht für plausibel. Erst recht nicht unter Geltung des skizzierten Vollzugskonzepts (das m.E. durchaus zeitnah umsetzbare wäre, gäbe es den politischen Willen).

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:58
von Honigkuchenpferd

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:58
von [enigma]
Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Dass es dem Schutz der Gesellschaft dient, diese Personen in Freiheit zu belassen, halte ich unterm Strich ohnehin nicht für plausibel. Erst recht nicht unter Geltung des skizzierten Vollzugskonzepts (das m.E. durchaus zeitnah umsetzbare wäre, gäbe es den politischen Willen).
Aber den gibt es doch gerade nicht. Das liegt mE auch daran, dass es politisch einfacher ist, Forderungen nach mehr Repression im Jugendstrafrecht umzusetzen, als qualitativ gute und kostenlose Ausbildungsmöglichkeiten und Betreuung zu schaffen.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Mittwoch 12. Juli 2017, 23:59
von [enigma]
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Apropos:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... =0&anz=113
Fehlurteil wurde in der Revision aufgehoben. Zeigt doch, dass das System funktioniert ;)

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Donnerstag 13. Juli 2017, 00:03
von Honigkuchenpferd
Wenn man es sich anschaut, wirkt das Urteil des LG Hamburg (sehr lang) eher verstörend. Die haben sicherlich sachliche Fehler gemacht, aber sie haben es sich nicht leicht gemacht. Dennoch kam da bei denen etwas heraus, was beim besten Willen nicht mehr vermittelbar war und fast wie eine Verhöhnung des Opfers wirkte.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Donnerstag 13. Juli 2017, 00:05
von [enigma]
Ich habe das Urteil nicht gelesen und kann insbesondere zu den Tatbeiträgen nichts sagen. Die Bewährungsstrafen wirken tatsächlich extrem milde, vorausgesetzt, dass die jugendlichen Täter nicht nur gefilmt haben. Die 4 Jahre für den Erwachsenen sind aber auf den ersten groben Blick nicht viel weniger, als es in vergleichbaren Fällen geben würde.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Donnerstag 13. Juli 2017, 00:23
von Gelöschter Nutzer
[enigma] hat geschrieben:Die Grenze von 21 Jahren ist auch nicht willkürlich. Die Grenze gilt ja auch in anderen Bereichen, in denen es um die Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben geht. Mit 21 dürften Pubertät und jugendtypische Entwicklungsphasen bei den meisten Menschen auch abgeschlossen sein.
Wissenschaftlich gesehen ist 21 zu früh, es ist eher 25-27.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Donnerstag 13. Juli 2017, 07:53
von sai
[enigma] hat geschrieben:
Das eigentliche Problem, in dem das Jugendstrafrecht auf den ersten Blick tatsächlich viel zu milde wirkt, sind aber doch die Wiederholungstäter, die immer wieder mit zB. Körperverletzungen auffallen. Die fahren tatsächlich so gut wie nie ein, zumindest nicht annähernd so schnell wie ein einschlägig vorbestrafter Erwachsener. Aber gerade bei denen geht es ja um eine eher kurze Jugendstrafe, die eben in der Regel kontraproduktiv wirken würde. Man hat hier also ein Dilemma, wenn man einerseits erkennt, dass der Wiederholungstäter ziemlich unbeeindruckt ist, seine Taten aber andererseits keine mittlere oder hohe Jugendstrafe, in der man lange Zeit zur erzieherischen Einwirkung hätte, rechtfertigt. In einer solchen Situation finde ich es tatsächlich richtig, keinen Freiheitsentzug zu vollstrecken, weil das sehr wahrscheinlich zu einer Intensivierung führt. Letztendlich geht es ja beim Jugendstrafrecht nicht (nur) um den Schutz der Angeklagten, sondern der Gesellschaft.
Wobei man sich gerade bei Intensivtätern im Jugendbereich auch die Frage stellen muss, ob die mit dem Jugendstrafrecht beabsichtigte Erziehung und Entwicklung bei solchen Leuten überhaupt möglich ist und daran anschließend, ob man nicht neben den Jugendvollzugseinrichtungen andere Einrichtungen schaffen sollte, in denen solche Leute nicht nur eingesperrt werden. Ich fände es nicht so fernliegend, wenn man bspw. einen Intensivtäter aus Hamburg auf einen eingezäunten Bauernhof nach Bayern schickt. Da ist er erstmal aus seinem Umfeld rausgerissen (was bei vielen Familien sicherlich nicht das schlechteste ist...) und muss für sein Fortkommen arbeiten.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Donnerstag 13. Juli 2017, 08:55
von Gelöschter Nutzer
sai hat geschrieben:Ich fände es nicht so fernliegend, wenn man bspw. einen Intensivtäter aus Hamburg auf einen eingezäunten Bauernhof nach Bayern schickt. Da ist er erstmal aus seinem Umfeld rausgerissen (was bei vielen Familien sicherlich nicht das schlechteste ist...) und muss für sein Fortkommen arbeiten.
Ist sogar sehr beliebt im Schweizer Jugendstrafvollzug, Bauernhöfe mit Anlehre und offener Resozialisierung, sofern sich der Jugendliche an die getroffenen Vereinbarungen hält und nicht auf Kurve geht. Die Bauern sind bis Spanien vernetzt, d. h. das Rausnehmen aus dem Milieu geschieht sogar länderübergreifend.

Re: Jugendstrafrecht - Erfahrung eines Schöffen

Verfasst: Donnerstag 13. Juli 2017, 12:17
von [enigma]
sai hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:
Das eigentliche Problem, in dem das Jugendstrafrecht auf den ersten Blick tatsächlich viel zu milde wirkt, sind aber doch die Wiederholungstäter, die immer wieder mit zB. Körperverletzungen auffallen. Die fahren tatsächlich so gut wie nie ein, zumindest nicht annähernd so schnell wie ein einschlägig vorbestrafter Erwachsener. Aber gerade bei denen geht es ja um eine eher kurze Jugendstrafe, die eben in der Regel kontraproduktiv wirken würde. Man hat hier also ein Dilemma, wenn man einerseits erkennt, dass der Wiederholungstäter ziemlich unbeeindruckt ist, seine Taten aber andererseits keine mittlere oder hohe Jugendstrafe, in der man lange Zeit zur erzieherischen Einwirkung hätte, rechtfertigt. In einer solchen Situation finde ich es tatsächlich richtig, keinen Freiheitsentzug zu vollstrecken, weil das sehr wahrscheinlich zu einer Intensivierung führt. Letztendlich geht es ja beim Jugendstrafrecht nicht (nur) um den Schutz der Angeklagten, sondern der Gesellschaft.
Wobei man sich gerade bei Intensivtätern im Jugendbereich auch die Frage stellen muss, ob die mit dem Jugendstrafrecht beabsichtigte Erziehung und Entwicklung bei solchen Leuten überhaupt möglich ist und daran anschließend, ob man nicht neben den Jugendvollzugseinrichtungen andere Einrichtungen schaffen sollte, in denen solche Leute nicht nur eingesperrt werden. Ich fände es nicht so fernliegend, wenn man bspw. einen Intensivtäter aus Hamburg auf einen eingezäunten Bauernhof nach Bayern schickt. Da ist er erstmal aus seinem Umfeld rausgerissen (was bei vielen Familien sicherlich nicht das schlechteste ist...) und muss für sein Fortkommen arbeiten.
Ja, fände ich - abgesehen vom verfassungsrechtlich bedenklichen Arbeitszwang - grundsätzlich auch sinnvoll. Eine Art Bootcamp light als Alternative zur Jugendstrafe. Gibt es vereinzelt sogar schon. Ist aber auch sehr teuer, vor allem deutlich teurer, als es ein normaler Vollzug wäre. Afaik haben Jugendrichter ein bestimmtes Jahresbudget, das sie bei der Verhängung von Sanktionen nicht überschreiten dürfen. Solange man da also nicht massiv investiert, wird das nicht flächendeckend möglich sein. Und wie gesagt bringt "Brot und Wasser für Intensivtäter" halt mehr Stimmen im politischen Wahlkampf als "Resozialisierung auf dem Bauernhof".