Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

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Atropos
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Atropos »

Sektnase hat geschrieben: Dienstag 7. April 2020, 12:34 Ganz so klar wie im Fußball ist es m.E. aber nicht überall. Beispiel: Investmentbanking. Ein Investmentbanker verdient so viel, weil er so viel Gewinn erwirtschaftet, z.T. ja sogar direkt über ein Bonisystem.
Da kann man sich ja schon fragen, wieso mit Investmentbanking überhaupt so viel Geld zu machen ist. Eine (echte) Finanztransaktionssteuer würde den Gewinn schmälern und das Gehalt des Investmentbankers damit eben auch. Und ob aus dem Investmentbanking jetzt viel Gutes folgt, wage ich mal zu bezweifeln.
Ist der einzelne Großkanzlei-Jurist oder Investmentbanker sein Gehalt wert? Mag man bezweifeln, aber das ist in erster Linie ein Problem des Arbeitgebers.

Gesamtgesellschaftlich sind aber Institutionen wie ein funktionierender Kapitalmarkt und Rechtssicherheit für Unternehmen jeglicher Art unfassbar wertvoll und tragen zu einem großen Teil zum gesamtgesellschaftlichen Wohlstand bei. Das kann man eigentlich nur anzweifeln, wenn man am kapitalistischen System an sich zweifelt. Wenn man sich die ,,Doing Business" Rankings der Weltbank anschaut (https://www.doingbusiness.org/en/rankings), gibt es schlicht keine großen wohlhabenden Staaten (kleine Ölzwerge zählen nicht), die nicht in den ,,rechtsnahen" Kategorien (getting credit, protecting minority investors, enforcing contracts) hoch gerankt sind.

Krankenschwestern und Altenpfleger machen eine tolle Arbeit - aber der Grund, warum Deutschland so viel reicher als Bulgarien ist, ist nicht, weil wir die besseren Krankenschwestern haben. Klar kann man jetzt sagen "Das sind alles nur unsere tollen Maschinenbauer" - aber könnten die überleben, wenn sie keine Finanzierung über Kapitalmarkt/Banken, Schutz über Patente etc. hätten?
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Tibor
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Tibor »

Atropos hat geschrieben: Dienstag 7. April 2020, 15:08 ..., warum Deutschland so viel reicher als Bulgarien ist, ist nicht, weil wir die besseren Krankenschwestern haben.
Weil wir IHRE systemrelevanten Krankenschwestern und Pflegekräfte hier haben :D
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thh
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben: Dienstag 7. April 2020, 09:02 Davon ab kann man natürlich über Vergütungssysteme sprechen. Im öffentlichen Dienst orientiert sich die Vergütung an der Ausbildung. Das bildet auch die "schnelle Ersetzbarkeit" ab, denn ich finde wohl eher jemand, den ich binnen Schnellkurs zum Müllwagenfahrer umschulen kann, als einen Mediziner, der eben im städtischen Krankenhaus den OP leitet. In der Privatwirtschaft geht es ebenfalls nach Vorbildung/Austauschbarkeit und damit individuellen Mehrwert. Wer sich nun aus falsch verstandener "Systemrelevanz" einzelne Berufsgruppen rauspickt und denen dauerhaft Zuschläge zahlt, muss sich bewusst sein, dass damit in anderen Zeiten andere Berufsgruppen ihre "Systemrelevanz" herausstellen werden. Das System funktioniert aber nicht, wenn alle Menschen im öffD nun A13 besoldet sind.
Zumal sich auch im Bereich der "systemrelevanten" Gruppen ja durchaus - berechtigte! - Binnendifferenzen ergeben, denn auch der Oberarzt bekommt mehr Gehalt als der Assistenzarzt, und der wiederum als die Krankenpflegekraft.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von gola20 »

Wo gibts denn die Definition dieses "systemrelevant". Klingt für mich nach einem Buzzword, unter dem sich jeder etwas anderes vorstellt. Ich finde Juristen sind extrem systemrelevant. Wichtiger als ein funktionierendes Gesundheitssystem. Ohne Rechtsstaat wäre reine Anarchie mit Selbstjustiz und mit einer Lebenserwartung von unter 30, so dass man gar keine Krankenhäuser mehr bräuchte.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Kasimir »

gola20 hat geschrieben: Dienstag 7. April 2020, 18:45 Wo gibts denn die Definition dieses "systemrelevant". Klingt für mich nach einem Buzzword, unter dem sich jeder etwas anderes vorstellt. Ich finde Juristen sind extrem systemrelevant. Wichtiger als ein funktionierendes Gesundheitssystem. Ohne Rechtsstaat wäre reine Anarchie mit Selbstjustiz und mit einer Lebenserwartung von unter 30, so dass man gar keine Krankenhäuser mehr bräuchte.
Systemrelevant sind ich sowie alle, die ich für systemrelevant halte.
Eichhörnchen, Eichhörnchen wo sind deine Nüsse?
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Sektnase »

Puhh.. ob jetzt grade Juristen so sehr für die Sicherheit auf den Straßen verantwortlich sind:D
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Blaumann »

Ich finde Friseure gerade extrem systemrelevant. Ich sehe aus wie ein Hippie.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Tikka »

Blaumann hat geschrieben: Mittwoch 8. April 2020, 09:47 Ich finde Friseure gerade extrem systemrelevant. Ich sehe aus wie ein Hippie.
We're only a few days away of getting to know everyones real hair colour..
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von TedRemptation »

Blaumann hat geschrieben: Mittwoch 8. April 2020, 09:47 Ich finde Friseure gerade extrem systemrelevant. Ich sehe aus wie ein Hippie.
Ich freue mich schon auf das erste Mannschaftsfoto im Fussball nach der Krise :D
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Kroate »

Blaumann hat geschrieben:Ich finde Friseure gerade extrem systemrelevant. Ich sehe aus wie ein Hippie.
Da hab ich schon vor einer Weile kurzen Prozess gemacht.

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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Blaumann »

Meine Frau hat einen Haarschneider gekauft. Ich bin gespannt auf das Ergebnis. :D
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Tibor
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Tibor »

Blaumann hat geschrieben: Mittwoch 8. April 2020, 10:45 Meine Frau hat einen Haarschneider gekauft. Ich bin gespannt auf das Ergebnis. :D
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Blaumann »

Tibor hat geschrieben: Mittwoch 8. April 2020, 11:15
Blaumann hat geschrieben: Mittwoch 8. April 2020, 10:45 Meine Frau hat einen Haarschneider gekauft. Ich bin gespannt auf das Ergebnis. :D
[...]
Melde: 'Operation Hair Crime' ausgeführt.

Gar nicht schlecht und immerhin 15 Ören gespart.
Atropos
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Atropos »

Mal ein etwas spekulativer/weltfremder Beitrag zu den zukünftigen Arbeitsmarktaussichten der Juristen: Manche Soziologen (z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_H ... Soziologe)) vertreten die These, dass in Deutschland in den letzten 40 Jahren ein erheblicher ,,Niedergang der Juristen" stattgefunden hat, wenn man z.B. den Anteil der Vorstände mit juristischem Studium vs. BWL-Studium etc. vergleicht (https://stellenmarkt.faz.net/karriere-l ... en-im-dax/).

Dieser ,,Niedergang" soll auf mehreren Faktoren beruhen. Einerseits war Jura vor 40+ Jahren einfach der Standard-Karrierestudiengang in vielen Bereichen - selbst das Auswärtige Amt hat im höheren Dienst überwiegend Juristen eingestellt - obwohl die in der juristischen Ausbildung vermittelten Kompetenzen mit dem späteren Tätigkeitsfeld wenig zu tun hatten. Das heißt früher waren Juristen in vielen Spitzenpositionen von Natur aus etwas überrepräsentiert, da vor 30 Jahren der überehrgeizige 18-Jährige mit Karriereziel DAX-Vorstand Jura studiert hat, während er heute BWL an einer Privatuni machen würde etc.

Ein weiterer Faktor soll aber auch ein erheblicher Rückgang der Staatsquote an der Wirtschaft (insbesondere Privatisierung ehemalige staatliche Monopole in Telekommunikationssektor etc.) und der Regulierungsdichte gewesen sein. Folglich war es für Unternehmen weniger bedeutsam, auf höchster Ebene Menschen mit einem Grundverständnis für staatliche Prozesse zu haben - wofür Juristen wohl immer noch prädestiniert sind. (Man vergleiche den Anteil der Juristen im Bundestag und in Ministerien mit den Anteilen der BWLer etc.)

Wenn sich jetzt aufgrund der Coronakrise die Staatsquote in der Wirtschaft langfristig wieder maßgeblich erhöht (z.B. durch staatliche Beteiligungen an Unternehmen zur Verhinderung chinesischer Übernahmen) und zum Beispiel auch das Außenwirtschaftsrecht bei EU-fremden Übernahmen erheblich verschärft wird, könnte das langfristig wieder zu einem Anstieg der Bedeutung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Juristen führen :)
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Omnimodofacturus »

Atropos hat geschrieben: Mittwoch 15. April 2020, 12:26 Mal ein etwas spekulativer/weltfremder Beitrag zu den zukünftigen Arbeitsmarktaussichten der Juristen: Manche Soziologen (z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_H ... Soziologe)) vertreten die These, dass in Deutschland in den letzten 40 Jahren ein erheblicher ,,Niedergang der Juristen" stattgefunden hat, wenn man z.B. den Anteil der Vorstände mit juristischem Studium vs. BWL-Studium etc. vergleicht (https://stellenmarkt.faz.net/karriere-l ... en-im-dax/).

Dieser ,,Niedergang" soll auf mehreren Faktoren beruhen. Einerseits war Jura vor 40+ Jahren einfach der Standard-Karrierestudiengang in vielen Bereichen - selbst das Auswärtige Amt hat im höheren Dienst überwiegend Juristen eingestellt - obwohl die in der juristischen Ausbildung vermittelten Kompetenzen mit dem späteren Tätigkeitsfeld wenig zu tun hatten. Das heißt früher waren Juristen in vielen Spitzenpositionen von Natur aus etwas überrepräsentiert, da vor 30 Jahren der überehrgeizige 18-Jährige mit Karriereziel DAX-Vorstand Jura studiert hat, während er heute BWL an einer Privatuni machen würde etc.

Ein weiterer Faktor soll aber auch ein erheblicher Rückgang der Staatsquote an der Wirtschaft (insbesondere Privatisierung ehemalige staatliche Monopole in Telekommunikationssektor etc.) und der Regulierungsdichte gewesen sein. Folglich war es für Unternehmen weniger bedeutsam, auf höchster Ebene Menschen mit einem Grundverständnis für staatliche Prozesse zu haben - wofür Juristen wohl immer noch prädestiniert sind. (Man vergleiche den Anteil der Juristen im Bundestag und in Ministerien mit den Anteilen der BWLer etc.)

Wenn sich jetzt aufgrund der Coronakrise die Staatsquote in der Wirtschaft langfristig wieder maßgeblich erhöht (z.B. durch staatliche Beteiligungen an Unternehmen zur Verhinderung chinesischer Übernahmen) und zum Beispiel auch das Außenwirtschaftsrecht bei EU-fremden Übernahmen erheblich verschärft wird, könnte das langfristig wieder zu einem Anstieg der Bedeutung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Juristen führen :)

Der Jurist als Beamtenversteher, gut das ist wohl auch tatsächlich eine Kompetenz und Folge der betont staatsnahen Ausbildung jedenfalls im Referendariat.

Die Aussage, dass die Regulierungsdichte über die Jahre stetig abgenommen habe, würde ich aber doch skeptisch sehen. Verrgaberecht nur als Beispielist ein hochreguliertes Rechtsgebiet, das es für 40 Jahren im Prinzip überhaupt nicht gab.
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