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Enkeltrick

Verfasst: Dienstag 12. September 2017, 13:48
von Justitian
Wo ist denn beim "Enkeltrick" (Täter gibt sich als am Telefon als Familienangehöriger des Opfers aus und bringt dieses so zu einer finanziellen Zuwendung) der Vermögensschaden? Ich weiß dass der derzeit häufig verfolgt und abgeurteilt wird, aber hier habe ich doch den Motivirrtum in Reinform. Selbst einen sozialen Zweck kann man ja wohl nicht mehr annehmen, das Opfer ist zudem idR. nicht unterhaltspflichtig.

Re: Enkeltrick

Verfasst: Dienstag 12. September 2017, 15:16
von Ara
Meist soll das Geld ja nur "geliehen" werden. Ansonsten wirst du ja zumindest einen individuellen Schadenseinschlag haben.

Re: Enkeltrick

Verfasst: Dienstag 12. September 2017, 15:20
von Justitian
Ara hat geschrieben: individuellen Schadenseinschlag
In welcher Ausprägung?

Re: Enkeltrick

Verfasst: Dienstag 12. September 2017, 15:27
von Ara
Naja das ganze Themenfeld ist ja bei der Bezeichnung ein fürchterliches Durcheinander. Der BGH nennt es glaub ich unbewusste Selbstschädigung. Wie der Bettelbetrug halt.

Re: Enkeltrick

Verfasst: Dienstag 12. September 2017, 15:44
von Justitian
Ah das sind aber zwei Fallgruppen. Einmal der individuelle Schadenseinschlag. Hier ergibt sich durchaus bei einer Gesamtsaldierung ein Vermögensschaden, allerdings muss man ausnahmsweise auf die individuellen Verhältnisse des Opfers abstellen und nicht auf den Marktwert. Fallgruppen sind hier die mangelnde individuelle Verwendbarkeit und die vermögensschädigenden Folgemaßnahmen. Bsp.: Verkauf eines falschen Medikaments an einen Kranken. Das Medikament ist objektiv seinen Preis wert, der Kranke kann es aber letztlich nur wegwerfen.

Davon abzugrenzen sind die Fälle der bewussten Selbstschädigung, wo das Opfer eine einseitige Vermögensverfügung tätigt. Beispiele sind etwa das Erschleichen einer Spende oder einer Schenkung. Hier ist der Vermögensschaden höchst problematisch, weil das Opfer sich bewusst ist, dass es keine Gegenleistung erhält und letztlich nur einem Motivirrtum unterliegt. Die Dispositionsfreiheit ist aber gerade nicht Rechtsgut von § 263 StGB. Die Rspr. kommt hier - mit Blick auf Art. 103 II GG zw. - zu dem Ergebnis, dass ausnahmsweise gleichwohl ein Vermögensschaden vorliegen soll, wenn - wie bei einer Spende - mit der Vermögensverfügung ein sozial anerkannter Zweck verfolgt wird. Dieser ist dann quasi die Gegenleistung und soll auch einen Vermögenswert haben.

Re: Enkeltrick

Verfasst: Dienstag 12. September 2017, 17:05
von Ara
Meines Wissens ist die bewusste Selbstschädigung ein Unterfall des individuellen Schadenseinschlags im weiteren Sinne (halt der Unterfall, dass es an der objektiv gleichwertigen Gegneleistung fehlt), weil damit alle Fälle der Zweckverfehlungslehre erfasst sind. Aber wie gesagt, bei den Bezeichnungen ist eh alles nicht so deutlich. Von daher würde ich da generell vorsichtig sein mit konkreten Bezeichnungen.

Re: Enkeltrick

Verfasst: Dienstag 12. September 2017, 17:14
von Honigkuchenpferd
Wenn ausdrücklich oder konkludent vereinbart wird, dass das Geld (teilweise) zurückgezahlt werden soll, liegt unproblematisch eine Vermögensschädigung vor. Aber auch in den anderen Fällen scheinen mir die geäußerten Bedenken nicht durchzugreifen. Zweck ist eben gerade, einem Angehörigen zu helfen, was nicht der Fall ist. Das ist letztlich auch sozial anerkannt, auch wenn keine Unterhaltspflichten bestehen. Nahezu alle Menschen verhalten sich gegenüber Angehörigen anders als gegenüber Wildfremden. In der Realität bestehen bei entsprechenden Zuwendungen gegenüber Angehörigen in der Regel auch zahlreiche (informelle) Verhaltenserwartungen.

Re: Enkeltrick

Verfasst: Dienstag 12. September 2017, 19:50
von OJ1988
Eine Vermögenseinbuße liegt unproblematisch vor. Was das Tatbestandsmerkmal “Vermögensschaden“ entfallen lassen könnte, ist die “Kompensation“ der Vermögenseinbuße durch die Erreichung eines sozial anerkannten Zweckes. Dieser Zweck (Unterstützung eines notleidenden Verwandten) wird bei den Enkeltrick-Fällen ganz offensichtlich nicht erreicht.