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Ladungsvollmacht

Verfasst: Mittwoch 27. September 2017, 16:51
von Justitian
Wann bzw. warum soll eine Vollmacht nach § 145a II StPO den Haftgrund der Flucht(gefahr) entfallen lassen? Das könnte ich mir nur in solchen Fällen vorstellen, in denen gem. § 232 StPO die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten stattfinden kann, aber das sind ja ohnehin Bagatellen, in denen ein Haftbefehl eher nicht ergehen wird.

Re: Ladungsvollmacht

Verfasst: Mittwoch 27. September 2017, 17:07
von Tobias__21
Wo hast Du das her?

Ich kann mir nur vorstellen, dass es dabei um das sich entziehen geht, wenn man Ladungen dem Angeklagten aus welchen Gründen auch immer nicht zustellen kann und das schon vorab weiß (bspw. Wohnsitzlose). Dann könnte man das Zeug, insbesondere die Ladung zur HV, ja wirksam dem Verteidiger zustellen und wenn der Angeklagte dann nicht in der HV auftaucht eben Sitzungshaftbefehl erlassen. Aber so ganz überzeugt mich das auch nicht. Vielleicht ist es aber auch nur so gemeint, dass man in der Gesamtabwägung das "sich entziehen" nicht einfließen lassen kann, wenn man einen zustellungsbevollmächtigten Verteidiger hat und keine weiteren Anhaltspunkte bestehen, dass er sich entziehen wird. Das würde Sinn machen.

Re: Ladungsvollmacht

Verfasst: Mittwoch 27. September 2017, 22:34
von julée
Wenn man dem Beschuldigten aufgrund seiner Wohnverhältnisse nichts zustellen kann, muss man letztlich entweder nach § 205 StPO vorläufig einstellen oder über einen Haftbefehl nachdenken, um dafür Sorge zu tragen, dass er zur Verhandlung erscheint. Wenn hingegen an den Beschuldigten über den Verteidiger sicher zugestellt werden kann, dann ist das immerhin ein erster Schritt des Beschuldigten, sich dem Verfahren zu stellen und versetzt ihn rein praktisch in die Lage, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen. Aber man wird immer im Einzelfall anhand der Definition der Fluchtgefahr sauber prüfen müssen, ob die Fluchtgefahr hierdurch möglicherweise entfällt.

Re: Ladungsvollmacht

Verfasst: Mittwoch 27. September 2017, 22:59
von Ara
Der § 145 II StPO ist auch für den Haftbefehl nach § 230 II StPO relevant. Liegt keine Ladungsvollmacht vor und ist der Angeklagte nicht ordentlich zu laden, kann kein Haftbefehl nach § 230 II StPO ergehen (da er eine ordnungsgemäße Ladung voraussetzt).

Möchte man also sicherstellen, dass man den Angeklagten in seiner Hauptverhandlung sitzen hat und hat Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr, dann kassiert man ihn nach § 112 StPO ein. Die Ladungsvollmacht ermöglicht dagegen, dass man über den Verteidiger lädt und so dann auch nachträglich noch einen Haftbefehl nach § 230 II StPO erlassen kann. Das kann im begründeten Einzelfall den Richter davon abhalten einen Haftbefehl nach § 112 StPO zu erlasen und erstmal zu schauen, ob der Angeklagte kommt und wenn nicht, dann ggfs. einen Haftbefehl nach § 230 II StPO zu erlassen.

Daher ist das eher eine "praktische" Möglichkeit, um den Mandanten vor der U-Haft zu bewahren. In der Theorie ist das natürlich relativ schwachsinnig.