dosenbaer hat geschrieben:11 Freunde hat geschrieben:Das Präsidium "meines" Gerichtes war in den letzten Jahren der Ansicht, dass eine junge Richterin bzw. ein junger Richter in drei Rechtsgebieten bewähren sollte.
Daran ist ja grundsätzlich nichts auszusetzen (außer halt der Tatsache, dass man in jeder Station sich völlig neu einarbeiten muss und später ja letztlich auch nur einen Aufgabenbereich ausüben kann).
Dass man sich üblicherweise in mindestens zwei, oft auch drei Tätigkeitsbereiche einarbeiten muss, gehört schlicht dazu und ist dem sowohl in der Juristenausbildung an sich als auch bei der Justiz erwünschten Generalismus geschuldet. Die Annahme, dann später nur einen Aufgabenbereich ausüben zu müssen, ist dementsprechend auch nicht richtig. In vielen Ländern sind Wechsel zwischen dem richterlichen und dem staatsanwaltschaftlichen Dienst üblich, und auch ohne eine solche Durchlässigkeit gehören auch zur richterlichen Laufbahn Wechsel der Zuständigkeiten durchaus dazu: regelhaft, wenn man sich verändern (d.h. auch: fortkommen) will, und manchmal auch einfach so, weil die Notwendigkeit gegeben ist. Wenn, bspw., ein Richter längerfristig ausfällt, sich die Belastungssituation zwischen den einzelnen Bereichen verschiebt (bspw. im Strafrecht oder im Familienrecht oder im Betreuungsbereich die Eingangszahlen steigen oder sinken) oder auch ein junger Asessor einen in den Ruhestand gegangenen Richter "beerbt", muss man umsteuern. Geht der Vorsitzende des Schöffengerichts in den Ruhestand und wird durch einen Berufsanfänger ersetzt, muss eben einer der anderen Richter das Schöffengericht übernehmen und der Neuling dessen bisheriges Referat.
Freilich sind Wechsel ohne oder gar gegen den Wunsch des Richters selten, aber möglich und manchmal unausweichlich. Und den Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts beschließt eben das Präsidium.
dosenbaer hat geschrieben:D. h. also im Klartext, bei einer Bewerbung für die ordentliche Gerichtsbarkeit muss ich davon ausgehen, dass mich alles erwarten kann: von dem Diebstahl einer Flasche Rum oder Rückabwicklung eines Kaufvertrages bis hin zu KiPo-Verfahren als Staatsanwalt (§ 18 OrgStA) und, sobald die Fristen wie etwa § 23b III 2 und 29 I 2 GVG gefallen sind, auch als Richter für schwere Straftaten bzw. Familiensachen in allen Formen und Farben.
Freilich. Als Staatsanwalt kann letztlich die Bearbeitung jeder Form von Kriminalität anstehen, auch Kapitaldelikte oder Wirtschaftsstrafsachen, und auch der Berufsanfänger kann seine erste Stelle als Beisitzer einer Schwurgerichtskammer (oder eines Jugendschutzgerichts) haben.
dosenbaer hat geschrieben:Das heißt nur die mit starkem Magen kommen durch
Einen besonders starken Magen halte ich für solche Tätigkeiten jetzt nicht für zwingend, aber ja, natürlich: als Richter lernt man auch (im Straf- und Familienrecht gar vorwiegend) die Schattenseiten des Lebens kennen. Das gehört zum Berufsbild dazu - und auch der Zivilrichter mag Arzthaftungssachen machen oder sich mit tödlichen Verkehrsunfällen befassen müssen.
dosenbaer hat geschrieben:- oder gibt es gewisse Schonräume für Proberichter (klingt ja nicht so)?
Sachlich eher nicht, es sei denn, es gibt besondere Gründe, und auf diese kann organisatorisch Rücksicht genommen werden. Normalerweise wird man aber davon ausgehen, dass erwachsene Menschen ohne besondere psychische Vulnerabilitäten, die in der Justiz tätig sind, auch damit umgehen können, dass Menschen anderen Unrecht antun, sie - seelisch oder körperlich - verletzen und dass Menschen nicht unsterblich sind.
Ansonsten wäre es wünschenswert und ist eigentlich auch erwünscht, den Einstieg so zu gestalten, dass möglichst geeignete Tätigkeiten zugewiesen werden und eine verminderte Fallzahl zu bearbeiten ist. In der Praxis ist letzteres regelmäßig nicht möglich, und sowohl für die Justizverwaltung (die über die Zuweisung an ein Gericht oder eine Staatsanwaltschaft entscheidet) als auch das Prädisium oder die Behördenleitung sind die Proberichter - auch aus der Not geboren - in erster Linie Verfügungsmasse, und sie erhalten daher leider oft die Aufgaben, die sonst keiner machen will: sei es der regelmäßige Dienst als Haftrichter, sei es gestückelte Referate oder auch geteilte Stellen. Eine halbe Stelle am Amtsgericht A als Strafrichter und eine weitere halbe Stelle am Amtsgericht B als Familen- oder Zivilrichter mit einem Anteil Betreuungssachen oder WEG kommen in der Probezeit durchaus vor.
dosenbaer hat geschrieben:Und sieh mir die persönliche Frage nach, aber war das je ein Thema für Dich (Deine Kollegen) oder sollte sich derjenige, der sich darum sorgt, sowieso lieber was Anderes suchen?
Ich kenne - fast - niemand, für den das ein Thema war. Und ja, den unangenehmen Seiten des Lebens kann man in der Justiz nirgendwo so ganz entgehen - "bestenfalls" streiten sich Menschen, mit allen Unschönheiten, die damit verbunden sind -, und in der Probezeit kann man sich das eben nicht aussuchen, wenn man auch mit der Zeit örtlich und sachlich seine "Wunschstelle" anstreben kann (und sie aller Erfahrung nach früher oder später auch erhalten wird, je nachdem, wie komplex der Wunsch ist
).
Ich habe das aber bisher auch noch nicht als Problem erlebt.