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EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Mittwoch 1. November 2017, 17:29
von Salisa
Hallo,

wahrscheinlich seid ihr dieser Threads schon überdrüssig, aber für den jeweiligen TE (hier: mich) ist das halt doch irgendwie nicht alles klar. :(

Ich steige in Kürze in BW bei einer Zivilkammer am LG ein. Dazu habe ich ein paar generelle Fragen und würde mich sehr über Auskünfte freuen.

1. Da ich nicht ganz so zivilrechtsaffin bin (und Einzelrichter am Landgericht mich doch mehr einschüchtert als eine gleich gelagerte Tätigkeit am AG dies täte): Wann kann ich denn üblicherweise auf einen Wechsel hoffen?
Mir ist bewusst, dass das von vielen Umständen abhängt. Aber vielleicht kann man ja sagen "Aufkeinen Fall in den ersten 12 Monaten."

2. Gibt es irgendwelche Hinweise, Tipps, Do's and Don'ts für den Anfang?
Ich lese doch unterschiedliche Meinungen zur Brauchbarkeit bestimmter Literatur hier im Forum, aber in den nächsten 2 Wochen würde ich doch gern ein bisschen was zum Verfahren lesen. "Das zivilrechtliche Dezernat"?

3. Zwar heißt es immer, dass die Tätigkeit in der Zivilkammer zum Großteil als Einzelrichter abläuft. Aber wie oft entscheidet denn tatsächlich die Kammer im Schnitt? Das hätte für mich gerade zu Beginn natürlich große Vorteile.

4. Klingt jetzt vielleicht doof, aber bisher haben wir es immer so gehalten, dass wir im Laufe des ersten Monats etwas selbstgebackenes mit in die Kaffeeräume mitgenommen haben. Kommt das zu sehr nach Anbiedern rüber? Ist das völlig unüblich oder fändet ihr das sogar angenehm?

Ich danke euch schon jetzt für die Beantwortung meiner Fragen und freue mich über Input! 8-[

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Mittwoch 1. November 2017, 17:57
von non-liquet
ad 1) Der Wechsel zur StA steht nach ca. 2 Jahren auf dem Programm; für die zivilgerichtliche Phase sind die genannten 12 Monate durchaus nicht zu kurz gegriffen. Sei froh, wenn Du nicht (gar noch auf verschiedene Gerichte) aufgeteilt wirst.

ad 2) Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Also nicht stressen lassen, sondern die restliche Zeit bis zum Einstieg genießen; Arbeit gibt es danach noch genug. Und die ganzen Einstiegsbücher - nun ja. In diesen Kompendien stehen gemeinhin entweder Allgemeinplätze, auf die man auch von ganz allein kommt. Oder Glaubensbekenntnisse, die als alleinige Wahrheiten verkauft werden - bevor man einige Tage bis Wochen nach dem Einstieg herausfindet, dass an der Dienststelle dann doch alles ganz anders gehandhabt wird.

Was auch heißt: In der ersten Zeit fragen. Fragen. Und nochmal fragen. Vieles lernt man am schnellsten dadurch, dass man durch erfahrenere Kollegen darauf aufmerksam gemacht wird.

ad 3) Das kommt sehr auf a) den Zuschnitt der Kammer (allgemeine Zivilsachen, Spezialmaterien, Rechtsmittel,...) und b) Temperament und Persönlichkeit des Vorsitzenden an.
Ich kenne das so, dass man sich in den Wochen vor dem Dienstantritt schon einmal beim Präsidenten vorstellt; von dort aus wird man dann häufig an den künftigen Kammervorsitzenden weitergeleitet. Bei der Gelegenheit kann man sich schon einmal über Arbeitsweise und andere Gebräuche erkundigen.

ad 4) Also, ich fände es sehr angenehm - negativ auffallen wirst Du damit nicht. :D

Guten Start!

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Mittwoch 1. November 2017, 20:16
von julée
zu 2): Das Schöne am Zivilprozess ist, dass es ziemlich wenige Dinge gibt, an die man denken sollte (z. B. Anträge protokollieren; an der richtigen Stelle an "laut diktiert, wieder vorgespielt und genehmigt" denken; einen Verkündungstermin bestimmen usw.) und noch weniger Dinge, die man nicht reparieren kann, falls man sie im ersten Anlauf falsch gemacht hat. Die meisten praktischen Probleme lassen sich zudem mit Blick in den Kommentar lösen. Und auch ziemlich gut für den Einstieg: die Parteien tragen anwaltlich vertreten einigermaßen vollständig vor, dh man kann sich gut auf die Verhandlungen vorbereiten und bei überraschenden Entwicklungen oder Einwänden immer noch sagen "interessanter Aspekt, muss ich mir noch Gedanken drüber machen".

Die Vorbereitungsbücher fand ich ganz gut, um einen Eindruck zu bekommen, wie man es machen kann, selbst wenn man am Ende seinen eigenen Stil finden muss.

"Kollegen fragen" ist in der Tat meist ein guter Problemlösungsansatz.

zu 3): Dürfte einerseits auf den Kammerzuschnitt (originäre Kammersachen abgesehen von der Proberichter-Klausel?) und andererseits auf die lokale Praxis ankommen. Hier ist es die ganz große Ausnahme allgemeine Zivilsachen als Kammer zu verhandeln. Im ersten Jahr allerdings schützt Dich die Proberichter-Klausel am LG davor, alleine über eine einstweilige Verfügung entscheiden zu müssen.

zu 4): Negativ fällt man damit sicherlich nicht auf (Kuchenbestechung funktioniert meist), tlw. dürfte es eine dahingehende Übung und Erwartung geben.

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Mittwoch 1. November 2017, 22:21
von thh
julée hat geschrieben:zu 4): Negativ fällt man damit sicherlich nicht auf (Kuchenbestechung funktioniert meist), tlw. dürfte es eine dahingehende Übung und Erwartung geben.
Ein Ein- oder Ausstand - in welcher Art und welchem Umfang auch immer - ist jedenfalls durchaus nicht unüblich.

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Mittwoch 1. November 2017, 22:24
von julée
thh hat geschrieben:
julée hat geschrieben:zu 4): Negativ fällt man damit sicherlich nicht auf (Kuchenbestechung funktioniert meist), tlw. dürfte es eine dahingehende Übung und Erwartung geben.
Ein Ein- oder Ausstand - in welcher Art und welchem Umfang auch immer - ist jedenfalls durchaus nicht unüblich.
:D Ja, genau so könnte man es sagen.

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Donnerstag 2. November 2017, 15:07
von Salisa
Danke für eure Antworten!

Die Kuchenfrage scheint geklärt. Es gebe Kuchen (muffins/brownies) !

Der LG Präsident scheint super freundlich. Die Zuständigkeiten meiner zukünftigen Kammer sind auch geklärt.

@juleé: deine Aussage hat mich darin bestärkt mal "die richterliche Arbeitstechnik" vorrätig zu halten. Der erste Eindruck ist recht angenehm. Keine schwere Kost; Muster zum "festhalten".
Daneben werde ich natürlich stets viel fragen und mich einfach durch wursteln.

Eure Kommentare beruhigen mich doch und geben mir Zuversicht, dass es halb so schlimm wird.

Zusatzfrage: Kümmere ich mich jetzt schon um eine Robe?

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Donnerstag 2. November 2017, 16:33
von batman
Wann wenn nicht jetzt?

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Donnerstag 2. November 2017, 16:42
von thh
Salisa hat geschrieben:Zusatzfrage: Kümmere ich mich jetzt schon um eine Robe?
Da im Zweifel jedenfalls am Landgericht jedenfalls die Richter Robe tragen: sinnvollerweise schon. Die Anschaffung ist ja ohnehin (zeitnah) erforderlich, warum also nicht jetzt? Von ein paar Wochen "herumhängen" wird die Robe nicht schlechter, und es ist auch nicht mit einem Nachgeben der Preise in dieser Zeit zu rechnen. ;)

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Donnerstag 2. November 2017, 21:06
von gobot
Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen.

Zum Thema Kammer/Einzelrichter: hängt natürlich von der Handhabung in Deiner Kammer und an Deinem Gericht ab. Zu meiner Zeit am LG ohne Spezialzuständigkeiten haben wir im Prinzip nur Arzthaftung und Anwaltshaftung auf der Kammer gemacht. Der Rest, auch komplizierte Bauverfahren etc. als Einzelrichter; ob das immer so sinnvoll ist, sei dahingestellt.

Ab 1.1.2018 gibt es aber die verpflichtende Spezialkammer u.a. in Arzthaftungssachen, Bausachen und Banksachen, da gilt dann § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO, d.h. originär ist zunächst einmal die Kammer zuständig. Wenn Du in solch einer Spezialkammer bist, ist die Chance also vielleicht etwas höher, mehr Kammersachen zu machen. In einer allgemeinen Zivilkammer dann umgekehrt entsprechend eher Einzelrichtersachen, auch wenn bei Dir in den ersten 12 Monaten § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO gilt, aber dann wahrscheinlich standardmäßig auf den Einzelrichter übertragen wird.

Ich kann jedenfalls nur empfehlen, sich am Anfang am LG nicht durch viele dicke und alte Akten verunsichern zu lassen. Das ist normal und dauert einfach ein paar Monate, bis man die Verfahren kennt und es alles leichter von der Hand geht. Dafür ist es gerade bei den schwierigen Verfahren aber auch besonders befriedigend, wenn sie dann abgeschlossen sind oder Du z.B. als 3. Richter der an der Sache dran ist einen Vergleich hinbekommst.

Ich wünsche Dir jedenfalls viel Spaß, man sieht sich in der baden-württembergischen Justiz bestimmt!

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Freitag 3. November 2017, 10:13
von Salisa
thh hat geschrieben:
Salisa hat geschrieben:Zusatzfrage: Kümmere ich mich jetzt schon um eine Robe?
Da im Zweifel jedenfalls am Landgericht jedenfalls die Richter Robe tragen: sinnvollerweise schon. Die Anschaffung ist ja ohnehin (zeitnah) erforderlich, warum also nicht jetzt? Von ein paar Wochen "herumhängen" wird die Robe nicht schlechter, und es ist auch nicht mit einem Nachgeben der Preise in dieser Zeit zu rechnen. ;)
Stimmt schon. Vielleicht ist meine Zuwarterei auch der Tatsache geschuldet, dass es real wird, wenn ich eine Robe im Schrank hängen habe. Hilft alles nichts. Ich sollte mich besser sputen, meine bessere Hälfte will mich von einer Faschingsrobe überzeugen! #-o :D


@gobot: Ich danke dir!
So, wie ich es bisher verstanden habe, entscheidet meine zukünftige Kammer ihre Steuerspezialität als solche. Aber die müssen dann halt Nachsicht mit mir haben XD

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Mittwoch 8. November 2017, 20:29
von Salisa
Neue Frage: Brauch ich eine Amts-haftpflicht?

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Donnerstag 9. November 2017, 19:42
von batman
Im Hinblick auf § 839 II 1 BGB nicht.

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Donnerstag 9. November 2017, 19:52
von Honigkuchenpferd
Salisa hat geschrieben:Neue Frage: Brauch ich eine Amts-haftpflicht?
Zu Sinn und Unsinn einer Amtshaftpflicht für (Zivil-)Richter gab's hier auch schon mehrere eigene Threads, die man über Google findet und die dir vermutlich weiterhelfen.

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Freitag 10. November 2017, 07:22
von Salisa
Honigkuchenpferd hat geschrieben: Zu Sinn und Unsinn einer Amtshaftpflicht für (Zivil-)Richter gab's hier auch schon mehrere eigene Threads, die man über Google findet und die dir vermutlich weiterhelfen.
Da hast du Recht. Danke für den Hinweis! Habe gar nicht an die SuFu gedacht.

Re: EInstieg in der Zivilkammer

Verfasst: Donnerstag 16. November 2017, 20:02
von Solar
Salisa hat geschrieben:Ich steige in Kürze in BW bei einer Zivilkammer am LG ein.
Habe den Einstieg nun auch erst einige Wochen hinter mir. Insgesamt kann man sagen: Wird stressig aber du wirst es meistern. Hängt aber auch vom LG und deiner Kammer ab.
Salisa hat geschrieben:1. Da ich nicht ganz so zivilrechtsaffin bin (und Einzelrichter am Landgericht mich doch mehr einschüchtert als eine gleich gelagerte Tätigkeit am AG dies täte): Wann kann ich denn üblicherweise auf einen Wechsel hoffen?
Mir ist bewusst, dass das von vielen Umständen abhängt. Aber vielleicht kann man ja sagen "Aufkeinen Fall in den ersten 12 Monaten."
Ich habe bereits von Kollegen gehört, die nach nur ein paar Monaten die Stelle wechselten. Meistens dürften aber schon 1,5 Jahre ausgeschöpft werden. Ich bin auch kein begeisterter Zivilrechtler. Generell meine ich aber, dass der Start am LG im Zivilrecht ideal ist. Es ist zwar einer der anstrengenderen Einstiege in die Justiz (getoppt wohl nur noch vom kleinen AG, bei dem man dann allein auf weiter Flur ist). Aber die Lernkurve ist extrem und man hat relativ viele Sicherheitsnetze, wenn man möchte.
Salisa hat geschrieben:2. Gibt es irgendwelche Hinweise, Tipps, Do's and Don'ts für den Anfang?
Ich lese doch unterschiedliche Meinungen zur Brauchbarkeit bestimmter Literatur hier im Forum, aber in den nächsten 2 Wochen würde ich doch gern ein bisschen was zum Verfahren lesen. "Das zivilrechtliche Dezernat"?
Ich habe mich auch mit reichlich Literatur eingedeckt - fraglich, ob ich die alle brauche aber einige Bücher haben doch sehr zu meiner Beruhigung beigetragen. Ganz heiße Tipps für mich: Schober, Zivilrichter-Leitfaden und Büßer/Tonner, Das zivilrichterliche Dezernat. Die Bücher ergänzen sich gut und sind wirklich sensationell. Ergänzend empfehle ich den Knöringer, Die Assessorklausur im Zivilprozess sowie Tempel/Theimer, Mustertexte zum Zivilprozess Band I. Und schließlich finde ich noch (für diejenigen, deren Referendariat schon länger zurück liegt) Tempel, Materielles Recht im Zivilprozess: Schwerpunkte der zivilrichterlichen Praxis sehr gut. Ein "Muss" ist keines der Bücher aber sie sind für mich schon sehr hilfreich und haben mir vorab viel Respekt/Sorge genommen.
Salisa hat geschrieben:3. Zwar heißt es immer, dass die Tätigkeit in der Zivilkammer zum Großteil als Einzelrichter abläuft. Aber wie oft entscheidet denn tatsächlich die Kammer im Schnitt? Das hätte für mich gerade zu Beginn natürlich große Vorteile.
Ich bin in zwei Kammern und habe jeweils 100% Einzelrichtersachen (übrigens auch bei einstweiligen V.). Grds. ist aber alles Kammersache und muss erst auf dich übertragen werden (auch wenn zuvor schon dein Vorgänger Einzelrichter war). Meine Kammer hat mir aber angeboten, dass ich jeden Fall, mit dem ich mich unwohl fühle, auf die Kammer bringen kann. Generell wirst du aber weit überwiegend alleine tätig sein. Und es gibt auch keine "Schonfrist" i.S.v.: "Die ersten verhandlungen nur mit der Kammer". Ich hatte nach einer Woche bereits 6 Termine im Kalender, ein Kollege bereits am zweiten Tag seinen ersten. Das ist anfangs schon eine ziemliche Belastung (auch zeitlich locker auf GK-Niveau) aber es ist zu schaffen, mach dir keine zu großen Sorgen. Mit der Zeit soll es besser werden, soweit bin ich aber auch noch nicht.
Salisa hat geschrieben:4. Klingt jetzt vielleicht doof, aber bisher haben wir es immer so gehalten, dass wir im Laufe des ersten Monats etwas selbstgebackenes mit in die Kaffeeräume mitgenommen haben. Kommt das zu sehr nach Anbiedern rüber? Ist das völlig unüblich oder fändet ihr das sogar angenehm?
Tu's nicht, das lässt mich nur schlecht aussehen! ;)