Re: EInstieg in der Zivilkammer
Verfasst: Samstag 27. Januar 2018, 14:57
In der Justiz wird man nicht für die Arbeit bezahlt, man wird alimentiert, erhält amtsangemessene Bezüge. Das hat nichts mit Leistung zu tun.
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Möglicherweise entspricht es aber auch der Fürsorgepflicht, Assessoren nicht sehenden Auges über Gebühr zu belasten, was zwangsläufig der Fall ist, wenn man davon absieht, Dezernatsanfänger anfänglich in irgendeiner Form zu schonen bzw. zu entlasten, sondern vielmehr Assessoren gerne noch abgesoffene Dezernate aufräumen lässt.Tibor hat geschrieben:In der Justiz wird man nicht für die Arbeit bezahlt, man wird alimentiert, erhält amtsangemessene Bezüge. Das hat nichts mit Leistung zu tun.
Das ist ist doch bloße Haarspalterei. Ob die Alimentation amtsangemessen ist oder nicht, bemisst sich doch gerade auch daran, welche Arbeitslast mit dem Amt verbunden ist. Insofern ist es eben nicht amtsangemessen, von einem Teil der Beschäftigten faktisch 60h-Wochen zu verlangen, gleichzeitig ins Personalkonzept zu schreiben, dass man sich an einer 41h-Woche orientieren solle. Die Alimentation wird ja eben gerade an die der Landesbeamten gekoppelt, bei denen die 41h eisern eingehalten werden. Natürlich "muss" kein Assessor 60h-Wochen arbeiten. Er wird das dann aber irgendwann in den Zeugnissen zu spüren bekommen und sich auch im Kollegenkreis nicht sonderlich beliebt machen.Tibor hat geschrieben:In der Justiz wird man nicht für die Arbeit bezahlt, man wird alimentiert, erhält amtsangemessene Bezüge. Das hat nichts mit Leistung zu tun.
Kannst du das erläutern? Ich verstehe das Argument nicht so ganz.Tibor hat geschrieben:Das sind halt iE die Nachteile der richterlichen Unabhängigkeit, die eben auch durch organisationelle Unabhängigkeit abgesichert wird. Diese (also die Lebenszeiternennung) muss man sich iE genauso hart erkaufen, wie die Partnerschaft in der Kanzlei. Das Ergebnis ist dann aber nicht Geld, sondern Zeit und Freiheit.
Es ist bei uns ähnlich. Es zeigt aber meiner Meinung nach auch, dass die Arbeitslast der Berufseinsteiger nicht (nur) an ihnen selbst liegt. Abgesoffene Dezernate gehen zu einem Großteil auf ältere Kollegen zurück, die keine Skrupel haben, mit 300 offenen Verfahren in Pension zu gehen. Wenn dann alle 1,5 Jahre ein neuer Proberichter in das Dezernat kommt, ist auch klar, dass das immer so weitergegeben werden wird. Wir alle in der Justiz kennen doch Kollegen, die am Ende der Karrierenfahnenstange angelangt sind und wirklich nur noch das allernötigste tun.Solar hat geschrieben:Das ist ist doch bloße Haarspalterei. Ob die Alimentation amtsangemessen ist oder nicht, bemisst sich doch gerade auch daran, welche Arbeitslast mit dem Amt verbunden ist. Insofern ist es eben nicht amtsangemessen, von einem Teil der Beschäftigten faktisch 60h-Wochen zu verlangen, gleichzeitig ins Personalkonzept zu schreiben, dass man sich an einer 41h-Woche orientieren solle. Die Alimentation wird ja eben gerade an die der Landesbeamten gekoppelt, bei denen die 41h eisern eingehalten werden. Natürlich "muss" kein Assessor 60h-Wochen arbeiten. Er wird das dann aber irgendwann in den Zeugnissen zu spüren bekommen und sich auch im Kollegenkreis nicht sonderlich beliebt machen.Tibor hat geschrieben:In der Justiz wird man nicht für die Arbeit bezahlt, man wird alimentiert, erhält amtsangemessene Bezüge. Das hat nichts mit Leistung zu tun.
Meines Erachtens wäre (in Zivilkammern und am AG) eine Entlastung in der Probezeit im Interesse aller. Denn wodurch entstehen denn die (meisten) abgesoffenen Referate? Diese dürften in der Regel auf überlasteten Assessoren beruhen. Das ließe sich vermeiden, wenn man die Arbeitslast etwas gerechter verteilen würde. Bei der StA läuft das ja auch so und es wird auch an einigen Gerichten so gehandhabt.
Bei uns im Haus ist hingegen Fakt (im Zivilbereich): Mit zunehmender Justizzugehörigkeit sinkt die Arbeitslast erheblich und die Alimentation steigt an. Ab R2 nimmt das teilweise groteske Züge an. Auch die Verantwortung nimmt nicht spürbar zu. Auf 40h kommen da nur noch manche Vorsitzende und das mit ausführlichen Kaffee- oder ausgedehnten Mittagspausen. R1-Beisitzer sind spürbar stärker belastet und ganz deutlich wird es bei Assessoren, die nahezu durch die Bank zwischen 50 und 60h pro Woche am Werk sind. Nicht nur profitiert man als Vorsitzender von der Erfahrung, sondern erhält auch noch - je nach Gericht - 10-20% Entlastung für die ach so aufwendige Vorsitzendentätigkeit. Das passt vielleicht bei dem in Theorie bestehenden Kammerbetrieb, bei dem der Vorsitzende einen großen Teil der Fälle verhandeln muss. Da allerdings in der Praxis die weit überwiegende Zahl an Zivilrechtsverfahren als Einzelrichtersachen verhandelt wird (in meiner Kammer wie gesagt satte 100%), hat der Vorsitzende faktisch dieselbe Last und Verantwortung wie der Assessor - plus Verfahrenszuteilung, was pro Woche aber nicht mehr als 30min in Anspruch nehmen sollte, erhält dafür aber eine nicht nachvollziehbare deutliche Entlastung plus Mehrverdienst. Diese Logik erschließt sich mir nicht.
Natürlich will ich damit nicht sagen, dass ein Assessor besser bezahlt werden sollte als ein erfahrener Richter, das wäre ja Unfug. Für mich wäre es aber naheliegend, angemessen und kollegial, dass erfahrene Kollegen die Assessoren entlasten. So kommen dann vielleicht alle auf eine ca. 41h-Woche - die durchaus amtsangemessen ist. Tibor hat natürlich recht damit, dass das in erster Linie dem "da mussten wir auch durch"-Argument der Präsidien geschuldet sein dürfte. Ich finde das dennoch überraschend unkollegial. Ich sehe das Problem hier allein bei den erfahrenen Kollegen und Präsidien (nicht beim JuM), die sich gegen eine solche Ausgleichslösung stellen. So viel zur zusammenstehenden Richterschaft...
Welche Landesbeamten werden denn nach R1 besoldet? (Und bei der StA pflegt es für Assessoren oft auch nicht anders auszusehen, obschon man da die Belastung einfacher steuern kann.)Solar hat geschrieben:Die Alimentation wird ja eben gerade an die der Landesbeamten gekoppelt, bei denen die 41h eisern eingehalten werden.
Das zu entscheiden ist Aufgabe des Präsidiums und damit der richterlichen Selbstverwaltung, oder?Solar hat geschrieben:Meines Erachtens wäre (in Zivilkammern und am AG) eine Entlastung in der Probezeit im Interesse aller. Denn wodurch entstehen denn die (meisten) abgesoffenen Referate? Diese dürften in der Regel auf überlasteten Assessoren beruhen. Das ließe sich vermeiden, wenn man die Arbeitslast etwas gerechter verteilen würde. Bei der StA läuft das ja auch so und es wird auch an einigen Gerichten so gehandhabt.
Ein Zusammengehörigkeitsgefühl findet man tendenziell eher bei der StA als bei einem Gericht - Ausnahmen in beiderlei Hinsicht unbenommen.Solar hat geschrieben:So viel zur zusammenstehenden Richterschaft...
Es geht aber eben auch anders, wie das die Staatsanwaltschaften vormachen, bei denen - wenn der Abteilungsleiter sich kümmert, und das tut er doch oft - nach Möglichkeit am Anfang die Zuteilung runtergefahren wird. Das kann man dann ja ggf. später auch durch eine erhöhte Zuteilung wieder ausgleichen.Tibor hat geschrieben:Wohl keiner im Präsidium käme auf die Idee das Dezernat zunächst auf Mittelmaß zu beschneiden und „Überbestand“ auf alle anderen Kollegen zu verteilen. Das ist kein schöner Zustand, wohl aber ist er menschlich nachvollziehbar.
Natürlich muss das jeweilige Präsidium dazu bereit sein. Allerdings ist es ja nicht so, als habe der Dienstherr der Proberichter so gar keinen Einfluss, weil er nicht nur mit dem Thema „vernünftige Arbeitsbedingungen für Proberichter“ nerven kann, sondern ja auch entscheiden kann, ob er an ein bestimmtes Gericht überhaupt Proberichter schickt, wenn es nachhaltig nicht funktioniert. Aber das setzt natürlich ein entsprechendes Bewusstsein voraus, dass „haben wir auch überlebt und vorm Krieg war es noch viel schlimmer“ kein Argument ist, es weiterhin so zu handhaben. Zumal es m. E. kein Zeichen einer besonders klugen Geschäftsverteilung ist, wenn Monsterdezernate über längere Zeit bestehen bleiben bzw. der offizielle Masterplan für ein solches Dezernat lautet: „Das wird ja irgendwann schon mal ein übermotivierter Proberichter aufräumen.“.Tibor hat geschrieben:Das Problem ist ja hierbei, dass der Dienstherr wenig Einfluss auf den konkreten Einsatz hat, weil er ggü dem Präsidium nicht weisungsbefugt ist. Müsste man erst das GVG anpassen, wenn man das verhindern will. Ansonsten wirst du immer zu diesen „da mussten wir früher auch durch“-Entscheidungen kommen.
THIS!Solar hat geschrieben: Meines Erachtens wäre (in Zivilkammern und am AG) eine Entlastung in der Probezeit im Interesse aller. Denn wodurch entstehen denn die (meisten) abgesoffenen Referate? Diese dürften in der Regel auf überlasteten Assessoren beruhen. Das ließe sich vermeiden, wenn man die Arbeitslast etwas gerechter verteilen würde. Bei der StA läuft das ja auch so und es wird auch an einigen Gerichten so gehandhabt.
Bei uns im Haus ist hingegen Fakt (im Zivilbereich): Mit zunehmender Justizzugehörigkeit sinkt die Arbeitslast erheblich und die Alimentation steigt an. Ab R2 nimmt das teilweise groteske Züge an. Auch die Verantwortung nimmt nicht spürbar zu. Auf 40h kommen da nur noch manche Vorsitzende und das mit ausführlichen Kaffee- oder ausgedehnten Mittagspausen. R1-Beisitzer sind spürbar stärker belastet und ganz deutlich wird es bei Assessoren, die nahezu durch die Bank zwischen 50 und 60h pro Woche am Werk sind. Nicht nur profitiert man als Vorsitzender von der Erfahrung, sondern erhält auch noch - je nach Gericht - 10-20% Entlastung für die ach so aufwendige Vorsitzendentätigkeit. Das passt vielleicht bei dem in Theorie bestehenden Kammerbetrieb, bei dem der Vorsitzende einen großen Teil der Fälle verhandeln muss. Da allerdings in der Praxis die weit überwiegende Zahl an Zivilrechtsverfahren als Einzelrichtersachen verhandelt wird (in meiner Kammer wie gesagt satte 100%), hat der Vorsitzende faktisch dieselbe Last und Verantwortung wie der Assessor - plus Verfahrenszuteilung, was pro Woche aber nicht mehr als 30min in Anspruch nehmen sollte, erhält dafür aber eine nicht nachvollziehbare deutliche Entlastung plus Mehrverdienst. Diese Logik erschließt sich mir nicht.
Natürlich will ich damit nicht sagen, dass ein Assessor besser bezahlt werden sollte als ein erfahrener Richter, das wäre ja Unfug. Für mich wäre es aber naheliegend, angemessen und kollegial, dass erfahrene Kollegen die Assessoren entlasten. So kommen dann vielleicht alle auf eine ca. 41h-Woche - die durchaus amtsangemessen ist. Tibor hat natürlich recht damit, dass das in erster Linie dem "da mussten wir auch durch"-Argument der Präsidien geschuldet sein dürfte. Ich finde das dennoch überraschend unkollegial. Ich sehe das Problem hier allein bei den erfahrenen Kollegen und Präsidien (nicht beim JuM), die sich gegen eine solche Ausgleichslösung stellen. So viel zur zusammenstehenden Richterschaft...
Das ist sehr gut nachvollziehbar, zeigt jedoch umso deutlicher, welche verquere Folgen diese Strukturen (sei es nun die knausrige Personalpolitik oder die unkollegiale Aufwandsvereilung) haben können. "Karriere" ist in der Justiz ohnehin ein etwas deplatzierter Begriff (die Diskussion hatten wir kürzlich in einem Parallel-Fred). Schlechte Zeugnisse können sich allerdings nicht nur negativ auf die Karriere im Hinblick auf höhere Stufen, sondern auch insofern auswirken, dass man weniger Entgegenkommen bei gewünschten Ortswechseln oder im Hinblick auf attraktivere Stellen derselben Karrierestufe verspürt. Das ist dann mitunter durchaus ein Problem...Salisa hat geschrieben:Nach nur wenigen Wochen habe ich schon so weit resigniert, dass ich es nicht einsehe, weit über 50h zu arbeiten. Regelmäßige 60h-Wochen werde ich nicht machen. Und das soll sich dann halt auf mein Zeugnis auswirken. Na und? Ich brauche keine Karriere. Es wird gemacht, was geht und fertig.