Re: EInstieg in der Zivilkammer
Verfasst: Sonntag 1. April 2018, 20:24
Klingt ja fürchterlich. Essen nur am Tisch und das bei 12h+ Anwesenheit.
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Da gibt es die folgenden Möglichkeiten: entweder sind die Parteien jetzt quasi Zeitablauf und Richterwechsel zu einem Vergleich bereit, den sie vorher nie wollten, oder sie wollen sich streiten. Wenn sie sich wirklich streiten wollen, muss man schauen, ob man einen Weg findet, das Verfahren umgehend zu entscheiden; wenn es den Weg gibt, das Urteil schreiben, bevor irgendwer die Chance hat, das Verfahren weiter zu verzögern - mag sich das Berufungsgericht damit rumärgern. Wenn es einen solchen Weg nicht gibt, sollte man schauen, wie man das Verfahren auf die richtige Spur setzt (die irgendwann zu einer Erledigung führen wird) und dann sollte man sich anderen Verfahren zuwenden, die man tatsächlich in dem begrenzten Zeitraum einer Erledigung zuführen kann.Salisa hat geschrieben:Aber auch eine an sich schlichte Gewährleistungssache liegt in meinem Dezernat seit `14 und kommt nicht zum Ende. Welche prozessualen Möglichkeiten siehst du?
An dem Tag nach dem Home Office Tag mache ich in der Tat hauptsächlich Dekretur, da hat sich dann ja ein bisschen was angesammelt. Bei uns am Gericht ist leider auch nicht viel mit handschriftlichen Verfügungen auf der Akte. Alles was mehr als "A.a.G." ist, macht man selbst in der Software. Das kostet natürlich Zeit und selbst bei einer simplen Fristverlängerung ziehen so fünf Minuten ins Land (Akte in die Hand nehmen, Antrag lesen, prüfen, Akte in der Software aufrufen, Fristverlängerungsformular ausfüllen, drucken, unterzeichnen, Akte zusammenpacken und weglegen). Wenn dann noch Zeit bleibt, schreibe ich Urteile, ebenso am Folgetag. An den dann noch verbleibenden zwei Verhandlungstagen habe ich insg. durchschnittlich sechs Verhandlungen (auf beide Tage verteilt) und dazwischen/danach ebenfalls Dekretur bzw. unmittelbare Verhandlungsnachbereitung wie z.B. Vergleichsvorschläge, Beweisbeschlüsse usw. Und dann geht im Moment noch immer sehr viel Zeit für das Lesen der alten Schinken drauf. Die streue ich eben zwischenein, wenn mal "Luft" ist. Vielleicht habe ich mich in der Einschätzung oben etwas vertan und es sind doch mehr Fälle älter als 2017, muss es mal prüfen. Und schließlich ist da noch die außerordentlich umfangreiche Zusatzsache, die ich derzeit bearbeiten muss, die nicht in meinen "Zahlen" auftaucht und die ich hier leider nicht näher erläutern kann.Liz hat geschrieben:@Solar: Was machst Du denn dann noch an den 4 Tagen im Gericht? Ein Sitzungstag ist klar - aber 3 Tage à 10-12 Stunden für die Dezernatsarbeit scheinen mir doch etwas viel zu sein...
Da scheint mir ein Rechen- oder Einschätzungsfehler vorzuliegen... Wenn du unter 100 Verfahren Bestand hast, monatlich 15-20 Neueingänge verzeichnest und 60% deiner Fälle aus 2016 und älter sind, dürftest du im Moment kein einziges Verfahren aus 2017 haben: Allein in 2018 solltest du nämlich bei 15-20 Neueingängen monatlich bis heute (3 x 17,5) insgesamt ca. 50 Neueingänge erhalten haben, von denen vermutlich höchstens 10-15 bereits erledigt sein dürften. Bei unter 100 Bestandsfällen wären damit bereits ca. 40% aus 2018. Wenn die restlichen 60% aus 2016 und früher stammen, dürfte kein einziger 2017er mehr dabei sein. Die Zahlen erscheinen mir zumindest nochmals prüfwürdig...Salisa hat geschrieben:@Solar: Das klingt aber ja tatsächlich nach einem eher aufgeräumten Dezernat. Bei mir sind 60% der Akten älter als 2017. Und das sind tatsächlich die schlimmsten Sachen. Ich kann dir nicht genau sagen, was ich so erledige und rein bekomme. Zur Zeit ca. 15 - 20 Neueingänge im Monat? Hauptsächlich Spezialzuständigeiten. Keine Ahnung, was ich so erledige. Zur Zeit schaffe ich es noch, knapp unter 100 zu bleiben.
Im Moment gehe ich damit genauso schlecht um wie du... Ich habe mir fest vorgenommen, das etwas zu ändern und dafür in Kauf zu nehmen, dass meine Zahlen wieder ansteigen.Fragerei hat geschrieben:Mich stört am meisten, dass ich auch in meiner wenigen Freizeit noch daran denke, dass es ja bald weiter geht und ich gefühlt 28 Akten in der nächsten Woche bearbeiten muss, die alle richtig schlimm sind. So geht es mir auch heute wieder, wenn ich an morgen denke, wo ich wieder unschaffbar viel machen müsste.
Wie geht ihr damit um? Ich habe das Gefühl, dass viele dann einfach noch mehr arbeiten um das zu kompensieren bzw. um dann eben doch alles schaffen zu wollen. Aber das kann doch nicht der richtige Weg sein...
Hast Du dich hierfür halbwegs freiwillig gemeldet oder wurde dir das aufgedrückt?Und schließlich ist da noch die außerordentlich umfangreiche Zusatzsache, die ich derzeit bearbeiten muss, die nicht in meinen "Zahlen" auftaucht und die ich hier leider nicht näher erläutern kann.
Es macht mir einfach unheimlich Spaß. Zum ersten mal in sieben Jahren Berufstätigkeit habe ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Zudem langweile ich mich weder, noch ärgere ich mich über Vorgesetzte oder Mandanten. Objektiv war es im Unternehmen viel besser: Fast doppeltes Gehalt, 40/45h-Woche mit Tiefenentspannung. Aber inhaltlich und vor allem strukturell hat es mich in den Wahnsinn getrieben. Für mich persönlich habe ich auch keinen tieferen Sinn in meiner Tätigkeit gesehen. Ich war zudem komplett fremdbestimmt. Ebenso in der GK.Fragerei hat geschrieben:@solar
Wieso denkst du trotz emotionaler Mehrbelastung, weniger Kohle und ungefähr gleichen Arbeitszeiten, dass das der richtige Job ist?
Zur ersten Frage: Guter Punkt. Zur zweiten: Ich kann es nicht so genau sagen. Ich glaube unter den Zivilkammer-Assessoren falle ich zumindest nicht völlig aus dem Rahmen. Diejenigen, die ich kenne, kommen zwar einige Stunden nach mir, sitzen aber häufig noch, wenn ich gehe.Quantensprung hat geschrieben:Das kann ich gut nachvollziehen. Zugleich stellt sich mir die Frage: Ist eine Woche mit 60-70 Arbeitsstunden nich wesentlich belastender? Und: Gibt es bei dir am Gericht Kollegen, die ein ähnliches Pensum leisten?
Keine Spur von Freiwilligkeit. Es ist eine Sache, die ich nach dem Geschäftsverteilungsplan als Berichterstatter bearbeiten muss. Keine Verwaltungsangelegenheit, sondern inhaltlicher Natur. Dazu mit hoher nationaler Medienaufmerksamkeit, Aufmerksamkeit der Hausleitung, des OLG und des Justizministeriums sowie Zeitdruck. Genau der richtige Mix also für einen Assessor...Quantensprung hat geschrieben:Hast Du dich hierfür halbwegs freiwillig gemeldet oder wurde dir das aufgedrückt?
Aha, lass mich raten: Irgendwas mit Selbstzündungsmotoren, Abgas und Einhaltung von Richtwerten?Solar hat geschrieben:Keine Spur von Freiwilligkeit. Es ist eine Sache, die ich nach dem Geschäftsverteilungsplan als Berichterstatter bearbeiten muss. Keine Verwaltungsangelegenheit, sondern inhaltlicher Natur. Dazu mit hoher nationaler Medienaufmerksamkeit, Aufmerksamkeit der Hausleitung, des OLG und des Justizministeriums sowie Zeitdruck. Genau der richtige Mix also für einen Assessor...Quantensprung hat geschrieben:Hast Du dich hierfür halbwegs freiwillig gemeldet oder wurde dir das aufgedrückt?
Ach, die VW-Dieseldinger sind doch simpel: entscheiden wie man mag, VW vergleicht sich eh vor dem OLG.Tibor hat geschrieben:Aha, lass mich raten: Irgendwas mit Selbstzündungsmotoren, Abgas und Einhaltung von Richtwerten?Solar hat geschrieben:Keine Spur von Freiwilligkeit. Es ist eine Sache, die ich nach dem Geschäftsverteilungsplan als Berichterstatter bearbeiten muss. Keine Verwaltungsangelegenheit, sondern inhaltlicher Natur. Dazu mit hoher nationaler Medienaufmerksamkeit, Aufmerksamkeit der Hausleitung, des OLG und des Justizministeriums sowie Zeitdruck. Genau der richtige Mix also für einen Assessor...Quantensprung hat geschrieben:Hast Du dich hierfür halbwegs freiwillig gemeldet oder wurde dir das aufgedrückt?
Wenn ihre Anwälte es nicht dummersweise vergessen.Zippocat hat geschrieben:Ach, die VW-Dieseldinger sind doch simpel: entscheiden wie man mag, VW vergleicht sich eh vor dem OLG.Tibor hat geschrieben:Aha, lass mich raten: Irgendwas mit Selbstzündungsmotoren, Abgas und Einhaltung von Richtwerten?Solar hat geschrieben:Keine Spur von Freiwilligkeit. Es ist eine Sache, die ich nach dem Geschäftsverteilungsplan als Berichterstatter bearbeiten muss. Keine Verwaltungsangelegenheit, sondern inhaltlicher Natur. Dazu mit hoher nationaler Medienaufmerksamkeit, Aufmerksamkeit der Hausleitung, des OLG und des Justizministeriums sowie Zeitdruck. Genau der richtige Mix also für einen Assessor...Quantensprung hat geschrieben:Hast Du dich hierfür halbwegs freiwillig gemeldet oder wurde dir das aufgedrückt?