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Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Dienstag 19. Dezember 2017, 19:21
von joee78
Mal wieder ein Konfliktfall:

Meine Mandantin, eine GmbH, hat einen Insolvenzverwalter bekommen. Dieser hat mir heute den entsprechenden Beschluss des Amtsgerichts übersandt mit der Aufforderung, ihm meine Handakte zu dem Fall (ich habe die GmbH bisher in dem Insolvenzverfahren vertreten) zu übergeben. Mein Mandatsverhältnis sei durch die Bestellung des Insolvenzverwalters erloschen.

Der Geschäftsführer der GmbH hat mir strikt untersagt, die Akte herauszugeben.

Ich denke auch, dass ich die Handakte nicht herausgeben muss - was meint ihr?

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Dienstag 19. Dezember 2017, 20:04
von Honigkuchenpferd
Doch, grundsätzlich schon. Vgl BGH, Urteil vom 30.11.1989 - III ZR 112/88.

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Dienstag 19. Dezember 2017, 21:54
von Tobias__21
Wenn der Mandant die Akte verlangt, bspw. bei einem Anwaltswechsel, muss er die dann auch rausrücken? :)

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Dienstag 19. Dezember 2017, 22:09
von Honigkuchenpferd
Ja, sicher. Diese Pflicht war schon früher zivilrechtlich anerkannt und wurde aus §§ 675, 667 BGB hergeleitet (BGH-Urteil). Nunmehr ist sie unzweideutig auch berufsrechtlich in § 50 II BRAO abgesichert.

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Dienstag 19. Dezember 2017, 22:11
von Tobias__21
Gut :) Danke!

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Mittwoch 20. Dezember 2017, 05:02
von joee78
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Doch, grundsätzlich schon. Vgl BGH, Urteil vom 30.11.1989 - III ZR 112/88.
Stimmt - entspricht zwar nicht meinem Berufsverständnis, Dritten entgegen der Anweisung meines Mandanten vertrauliche Dokumente übersenden zu müssen, scheint aber die Rechtslage zu sein.

Demnächst zwingt der Staatsanwalt, der vom Schweigen des Angeklagten genervt ist, einfach den Verteidiger seine Handakte herauszugeben, weil sich darin vielleicht ein Geständnis findet. :drinking:

Mal gucken, wie die Geschichte weitergeht.

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Mittwoch 20. Dezember 2017, 15:12
von Ara
joee78 hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Doch, grundsätzlich schon. Vgl BGH, Urteil vom 30.11.1989 - III ZR 112/88.
Stimmt - entspricht zwar nicht meinem Berufsverständnis, Dritten entgegen der Anweisung meines Mandanten vertrauliche Dokumente übersenden zu müssen, scheint aber die Rechtslage zu sein.

Demnächst zwingt der Staatsanwalt, der vom Schweigen des Angeklagten genervt ist, einfach den Verteidiger seine Handakte herauszugeben, weil sich darin vielleicht ein Geständnis findet. :drinking:

Mal gucken, wie die Geschichte weitergeht.
Du solltest vielleicht noch einmal darüber nachdenken, wer überhaupt deine Mandantin ist und ob der Insolvenzverwalter tatsächlich "Dritter" ist der "entgegen der Anweisung deines Mandanten" agiert... Aber das nur mal so am Rande.

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Mittwoch 20. Dezember 2017, 19:07
von joee78
Ja ist schwierig! Heute hat mich der Geschäftsführer der GmbH aufgefordert, gegen den Beschluss des Amtsgerichts zur Insolvenzverwalterbestellung sofortige Beschwerde einzulegen. Das hab ich getan. Wie bereits erwähnt, hat mir der Insolvenzverwalter jedoch bereits gestern das Mandat entzogen - ist meine Beschwerde daher überhaupt wirksam eingelegt?

Abwarten. :alright

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Mittwoch 20. Dezember 2017, 20:44
von Honigkuchenpferd
§§ 115, 116 und 117 InsO. Wieso in Gottes Namen hast du eigentlich ein solches Bedürfnis, dich ohne jede Not in Schwierigkeiten zu bringen?

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Mittwoch 20. Dezember 2017, 21:51
von joee78
Naja man ist halt im Mandat drin - und als Anwalt sträubt es dich, wenn Dritte einem sagen, dass das Mandat beendet sein soll. Immerhin hat der - heute auch per EB vom Gericht an mich übersandte - Beschluss eine Rechtsbehelfsbelehrung. D.h. dem Betroffenen steht der Rechtsweg - Art. 19 Abs. 4 GG - offen. Den kann er aber nicht ausüben, weil Dritte einem sagen, dass man für den Betroffenen keine Rechtshandlungen mehr vornehmen kann.

Erinnert rechtstechnisch an den Schutzhaftbefehl - gegen den war auch kein Rechtsmittel gegeben. :eeeek:

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Mittwoch 20. Dezember 2017, 22:00
von Honigkuchenpferd
Na ja, vielleicht schlägst du auch einmal in einem Kommentar nach, wer unter welchen Voraussetzungen und in welcher Eigenschaft im Insolvenzverfahren rechtliche Schritte in die Wege leiten kann. Mit "Schutzhaft" hat das wahrlich nichts zu tun. Und in deinem Ausgangsfall hat der Insolvenzverwalter sich augenscheinlich völlig korrekt verhalten.

Darüber hinaus war Aras Empfehlung wirklich nicht verkehrt, dir mal zu überlegen, wer eigentlich wann dein Mandant ist.

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Donnerstag 21. Dezember 2017, 08:10
von Tibor
Naja, er scheint ja entweder davon auszugehen, dass GmbH und GF identisch sind oder das er nun zwei Mandanten hat (GmbH und die nat Pers, die bisher GF war). Man sollte dann im Vertretungsfall nur klar machen, für wen man gerade was erklärt.

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Freitag 22. Dezember 2017, 11:02
von joee78
Naja, dass der GF nicht mein Mandant ist, sondern lediglich die GmbH vertritt (§ 35 GmbHG) ist klar. Der Insolvenzverwalter hat mir auf jeden Fall bis heute eine Frist zur Herausgabe meiner Handakte gesetzt - mal gucken was dann passiert. :-w

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Freitag 22. Dezember 2017, 11:41
von Tibor
Ah und wer vertritt nun wohl deine Mandantin (GmbH)? Der Insolvenzverwalter oder die natürliche Person, die dir bisher als GF bekannt war? Wer könnte nun wohl gg die Inso vorgehen? Wenn ja, durch wen vertreten? Ggf die Gesellschafter?

Re: Pflicht zur Herausgabe der Handakte?

Verfasst: Freitag 22. Dezember 2017, 15:12
von immer locker bleiben
Honigkuchenpferd hat geschrieben:§§ 115, 116 und 117 InsO.
... die allerdings nicht für den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers und die organschaftliche Vertretung gelten. Die Beendigung des Geschäftsführungsvertrages richtet sich vielmehr nach § 113 InsO. § 117 InsO bezieht sich auf rechtsgeschäftlich erteilte Vollmachten, nicht auf gesetzliche Vertretungsmacht.

Beziehen sich die Akten auf eine Massengegenstand? Dann liegt die alleinige Verfügungsbefugnis beim Insolvenzverwalter. Ansonsten bleibt der Geschäftsführer zuständig, jedenfalls bis ihm durch den Insolvenzverwalter gekündigt wird.