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Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Dienstag 27. Februar 2018, 08:55
von OJ1988
Ara hat geschrieben:
OJ1988 hat geschrieben: Es geht darum, dass die Verhandlungsleitung des Gerichts nicht "fair" ist, wenn dieses bei einem erkennbar befangenen Staatsanwalt nicht auf dessen Ablösung hinwirkt. Es ist ja durchaus vorstellbar, dass ein unbefangener Staatsanwalt in der Hauptverhandlung noch Tatsachen ans Licht bringt, die dem Angeklagten günstig sind (Fragen an Belastungszeugen, die dem Gericht nicht einfallen o.ä.). Das ist ein gängiger Topos im Schrifttum (s. etwa BeckOK-Cirener, § 22 Rn. 34 ff.), überrascht mich, dass das hier so viel Widerspruch erntet.
Ja, das habe ich schon verstanden. Aber wir reden hier ja von einem Zeitpunkt, wo die Beweisaufnahme schon geschlossen ist. Das ist ja eine Sonderkonstellation. Es steht nur noch das Schlussplädoyer aus, welches aber grundsätzlich freiwillig ist. Ich tue mich schwer damit, hier tatsächlich bei dem Gericht einen Verstoß gegen den Fairnessgrundsatz zu erkennen, wenn doch ein neuer Staatsanwalt lediglich noch einmal das Plädoyer wiederholen könnte (zu einer Beweisaufnahme, an die er selbst nicht teilgenommen hatte). Vor allem da ja der "Fair Trial"-Grundsatz nicht für einzelne Prozesshandlungen/Abschnitte gilt, sondern so stark sein muss, dass er das gesamte Verfahren unfair erscheinen lässt.
Ein StA, der nach Abschluss der Beweisaufnahme dem Dolmetscher ein im Vorfeld angefertigtes Plädoyer in die Hand drückt, gibt doch zu erkennen, dass ihm die unmittelbar vorangegangene Beweisaufnahme herzlich egal war. Da liegt es schon nahe, die Sitzung zu unterbrechen, auf Ablösung hinzuwirken und die Beweisaufnahme mit einem neuen StA zu wiederholen.

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Dienstag 27. Februar 2018, 09:12
von sai
Wenn er tatsächlich simultan übersetzen sollte, sprichst du ganz normal und ohne Pausen. Genau dafür bekommt er nämlich mehr Geld.

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Dienstag 27. Februar 2018, 15:45
von Praxiskommentar
Ich habe hin und wieder kurze Pausen gemacht (nicht nach jedem Satz, aber nach jedem "Denkabsatz". Es schadet aber nicht. ;)
Ich fand den Übersetzer nicht sonderlich ablenkend, da er ja nicht direkt neben einem selbst sitzt.

Ein vorgefertigtes Plädoyer ist mE ein Revisionsgrund. Es zeigt, dass der Staatsanwalt schon vor der HV von der Schuld des Angeklagten überzeugt war und dass seine Anträge nicht auf der Beweisaufnahme beruhen.
Mich überrascht auch, dass das hier auf Gegenwind stößt. :D

Außerdem hat der StA mE sehr wohl eine Pflicht, sich am Ende der HV zu äußern.

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Dienstag 27. Februar 2018, 16:56
von Ara
Melde: Prompt hat heute eine junge Staatsanwältin ihr ausformuliertes Plädoyer in der Hauptverhandlung verlesen. Komischerweise kamen die heutigen Zeugen da nicht drin vor, sondern nur die aus dem vorherigen Termin ;P

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Dienstag 27. Februar 2018, 17:00
von Tobias__21
Ara hat geschrieben:Melde: Prompt hat heute eine junge Staatsanwältin ihr ausformuliertes Plädoyer in der Hauptverhandlung verlesen. Komischerweise kamen die heutigen Zeugen da nicht drin vor, sondern nur die aus dem vorherigen Termin ;P
Schreibst grade die Revisionsbegründung ?:D

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Dienstag 27. Februar 2018, 17:33
von Ara
Freispruch :P

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Dienstag 27. Februar 2018, 18:00
von Tobias__21
Maschine!

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Dienstag 27. Februar 2018, 18:02
von VVehnert
Danke für eure Antworten!

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Mittwoch 28. Februar 2018, 18:02
von Schnitte
Ara hat geschrieben: Absolut unüblich im Strafrecht. Würde als Verteidiger auch intervenieren in der Situation. Sind die EuGH-Plädoyers nicht eher wie BGH-Plädoyers? Diese unterscheiden sich ja erheblich vom normalen Plädoyer in den Tatsacheninstanzen.
Ist hochformalisiert, ja. Vorgegebene Zeit für mündlichen Vortrag der Parteivertreter (der natürlich abliest), dann Fragen der Richter an die Parteivertreter je nach Gusto. Aber immer fleißig Übersetzer dabei.

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Mittwoch 28. Februar 2018, 20:02
von Eagnai
Schnitte hat geschrieben:Der Dolmetscher freut sich, wenn er das Plädoyer vorab (entweder am Tag davor oder zu Beginn der Sitzung ausgehändigt) schriftlich bekommt.
Auf die Idee, dem Dolmetscher ein schriftlich vorformuliertes Plädoyer in die Hand zu drücken, käme ich im Leben nicht.

In den meisten Verhandlungen beim Strafrichter oder Schöffengericht ginge das schon deshalb nicht, weil die Hauptverhandlung nur einen Sitzungstag umfasst und man vorher gar nicht wissen kann, was das Ergebnis sein wird und welche Punkte im Plädoyer angesprochen werden müssen - das ergibt sich in aller Regel erst in der Sitzung.

Und selbst in den Verhandlungen beim Landgericht, bei denen ich das Plädoyer tatsächlich vorher in Ruhe zuhause vorbereiten kann (z.B. weil es einen eigenen Verhandlungstag nur für die Plädoyers gibt), formuliere ich das Plädoyer nicht vollständig aus und lese es nur vor, sondern mache (wenn auch teils sehr umfassende) Stichpunkte und halte das Plädoyer in freier Rede.

Alles andere käme mir extrem seltsam vor und wäre auch völlig unüblich.

Wenn Dolmetscher anwesend sind, bemühe ich mich, nicht zu schnell zu sprechen, ewig lange Pausen mache ich aber nicht. In der Regel ist das für einen guten Dolmetscher kein Problem.

Re: Simultanübersetzer beim Sitzungsdienst

Verfasst: Mittwoch 28. Februar 2018, 20:23
von Theopa
Mein Erfahrungsschatz ist in dieser Hinsicht zwar auf die StA-Station begrenzt, ich hatte dabei aber in drei Fällen Simultanübersetzer:

Eine war so fix, dass ich keine Pause machen musste, bei der zweiten habe ich die Hetik gemerkt und nach ein bis zwei Sätzen ein paar Sekunden Pause gemacht und die Dritte hat (bei der Übersetzung ins Englische, also inhaltlich voll nachvollziehbar) von der Zeugenvernehmung bis zum Plädoyer einen so enormen Teil des Gesagten ausgelassen, dass Warten nicht nötig war.