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Höhere Gewalt vs. unabwendbares Ereignis

Verfasst: Sonntag 18. März 2018, 22:01
von VVehnert
Hallo,

ich habe eine Frage zu einem Fall des Klausurenkurses des Kammergerichts.

Klausur: https://www.berlin.de/gerichte/kammergericht/_assets/rechtsreferendariat/vorbereitungsdienst/internetklausurenkurs/zivilrecht/2016/zr_79_vriinlg_behnert_aufgabe.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
Musterlösung: https://www.berlin.de/gerichte/kammergericht/_assets/rechtsreferendariat/vorbereitungsdienst/internetklausurenkurs/zivilrecht/2016/zr_79_vriinlg_behnert_loesung.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)

Kurzfassung: Ein Rallyauto kommt bei einer Rally von der Straße ab und verletzt einen sich am Streckenrand befindlichen Zuschauer. Geprüft wird ein Anspruch des verletzten Zuschauers gegen den Fahrer. Anstatt im Rahmen der Anspruchsprüfung auf "höhere Gewalt" abzustellen wird auf den Begriff des "unabwendbaren Ereignisses" i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG abgestellt:

"Der Beklagte zu 1.) hat durch ein ihm zurechenbares Verhalten die körperliche Integrität und die Gesundheit des Klägers bei Betrieb seines Fahrzeuges beschädigt. Das streitgegenständliche Unfallereignis stellt für den Beklagten zu 1.) auch kein unabwendbares Ereignis im Sinne von§ 17 Abs. 3 StVG dar, da ihm eine Verletzung des § 3 Abs.1 Satz 1 und 2 StVO vorzuwerfen ist und er damit äußerst mögliche Sorgfalt des sog. Idealfahrers (Hentschel/König/Dauer-König, a.a.O., § 17 StVG, Rdn. 2 m.w.N gerecht wird."

Ich kann mir das dogmatisch nicht erklären. § 17 Abs. 3 StVG gilt doch nur bei einem Unfall unter Beteiligung mehrerer Kraftfahrzeuge.

Mir ist bekannt, dass irgendwann ganz früher in § 7 StVG das "unabwendbares Ereignis" anstatt der höheren Gewalt als anspruchsausschließendes Tatbestandsmerkmal in § 7 StVG normiert war. Aber die Klausur und die Lösung sind ja aus 2016 und es wird explizit auf § 17 Abs. 3 StVG verwiesen.

Wer hat eine Erklärung hierfür?

Vielen Dank!
VVehnert

Re: Höhere Gewalt vs. unabwendbares Ereignis

Verfasst: Sonntag 18. März 2018, 22:24
von Tobias__21
Habs kurz überflogen. Das wird bei der GoA des Unfallverursachers geprüft, oder? GoA nur (+), wenn ihm der Entlastungsbeweis gelingt.

Früher stand in § 7 II tatsächlich das unabwendbare Ereignis. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, das durch höhere Gewalt zu ersetzen um die Position von nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern zu stärken. Hier auf das unabwendbare Ereignis und § 17 abzustellen, der für die Haftung zweier KfZ-Halter untereinander gilt, sofern die einen Unfall haben, halte ich schlicht für falsch.

Was evtl. sein kann, dass man bei Gegenansprüchen des KfZ Halters wegen GoA auch auf das unabwendbare Ereignis zurückgreift und das als Entlastung ausreichen lässt. Der verletzten Fußgänger würde hierbei seinen Anspruch auf SE behalten, sofern nicht auch höhere Gewalt vorliegt. Aber auch das macht m.E. keinen Sinn. Denn so wird die Postion des Fußgängers/Radfahrers gerade nicht gestärkt, wenn er sich einem Gegenanspruch ausgesetzt sieht. Ich finde dazu auch nichts in der Kommentierung.

Re: Höhere Gewalt vs. unabwendbares Ereignis

Verfasst: Sonntag 18. März 2018, 22:32
von VVehnert
Hallo Tobias,

danke für deine Antwort!

Ich bezog mich eigentlich auf Seite 7, Absatz 2. Da geht es um die Anspruchsvoraussetzungen von § 7 StVG. Unten im Rahmen der GoA wird es aber noch einmal ausgeführt.

Re: Höhere Gewalt vs. unabwendbares Ereignis

Verfasst: Sonntag 18. März 2018, 22:39
von Tobias__21
Ich habs:

Keine Ansprüche aus GoA, wenn bei Ausweichmanöver Geschehen sich als unabwendbares Ereignis darstellt, aber keine höhere Gewalt i.S.d. § 7 II StVG vorliegt.

Baumann/Heß/u.a, Straßenverkehrsrecht, § 16 StVG Rn. 50f mit Verweis auf: OLG Köln r+s, 1994, 13; OLG Oldenburg VersR 2005, 807; LG Köln NZV 2007, 577)
Außerdem hat die Rechtsprechung einen solchen Aufwendungsersatzanspruch bislang davon abhängig gemacht, dass sich der Geschädigte nach § 7 Abs. 2 StVG a.F. entlasten konnte. Die Argumentation des Bundesgerichtshofs ging dahin, dass anderenfalls das Gesetz den Kraftfahrzeughalter für den Schaden einstehen lasse, der einem anderen durch den Betrieb des Kraftfahrzeuges entstehe. Dann sei ihm aber erst recht zuzumuten, den eigenen Schaden zu tragen, der dadurch entstehe, dass er versuche, den fremden Schaden zu vermeiden. Dieses Geschäft rechne das Gesetz dem Rechtskreis des Kraftfahrzeughalters zu. Nach der Verschärfung der verkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung kommt unter Berücksichtigung dieses Rechtsgedankens daher ein Aufwendungsersatzanspruch nur noch dann in Betracht, wenn die Haftung nach § 7 Abs. 2 StVG n.F. aufgrund höherer Gewalt ausgeschlossen ist. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall.
(LG Köln, Urteil vom 06. Juni 2007 – 9 S 15/07 –, Rn. 10, juris)
Das auf Seite 7 ist m.E. erst Recht falsch. Es gilt § 7 und nicht § 17. Auf Seite 7 geht es ja gerade um die Haftung des Fahrers, der einen Menschen verletzt hat. Da kann man nicht den Ausschlusstatbestand des unabwendbaren Ereignisses des § 17 heranziehen, sondern nur § 7 StVG.

Re: Höhere Gewalt vs. unabwendbares Ereignis

Verfasst: Sonntag 18. März 2018, 22:46
von VVehnert
Vielen Dank, dann hat hat mich mein Gefühl ja doch nicht getäuscht. ;)

Re: Höhere Gewalt vs. unabwendbares Ereignis

Verfasst: Sonntag 18. März 2018, 22:50
von Ara
Lustig ich hatte heute ein ähnliches Problem... Hab die Antwort auch net befriedigt beantwortet bekommen.

K läuft Hund von B vors Auto. Es wird auch dort geprüft, ob es ein unabwendbares ereignis aus § 17 StVG ist... Auch wird die Betriebsgefahr nach § 17 StVG angerechnet. Habs nicht verstanden.

Vielleicht klärt uns noch wer auf

Re: Höhere Gewalt vs. unabwendbares Ereignis

Verfasst: Sonntag 18. März 2018, 22:52
von Tobias__21
§ 17 IV StVG? Der Geschädigte muss für die Tiergefahr einstehen.

Re: Höhere Gewalt vs. unabwendbares Ereignis

Verfasst: Montag 19. März 2018, 07:59
von Ara
Tobias__21 hat geschrieben:§ 17 IV StVG? Der Geschädigte muss für die Tiergefahr einstehen.
Ach man muss die Norm zuende lesen ;P Danke!