Ara hat geschrieben:Es gibt eine sehr verzerrte "Wahrnehmung" von Strafbefehlen zwischen den verschiedenen Berufsgruppen. Staatsanwälte glauben nach meiner Erfahrung tatsächlich, dass das ein sinniges System sei.
Natürlich - das ist es ja auch. Es erlaubt eine effiziente Erledigung des Verfahrens, wenn der Angeklagte bereit ist, den Strafbefehl zu akzeptieren.
Ara hat geschrieben:Wenn dann von unserer Seite kommt "Wenn wir vor Gericht gehen wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Freispruch" folgt die Gegenfrage "Und wenn kein Freispruch kommt?". Spätestens wenn man dann Freiheitsstrafe erwähnt, erlebt man nahezu nie nen Mandanten, der Einspruch eingelegt haben will.
Andererseits wird oft genug bei mehr als klarer Sach-, Beweis- und Rechtslage dennoch Einspruch eingelegt. Und in der Hauptverhandlung bei unverändertem Sachverhalt eine Freiheitsstrafe zu beantragen, wenn im Strafbefehl noch eine Geldstrafe ausgeurteilt worden war, wird sich meistens kaum begründen lassen (es sei denn, die Sanktion im Strafbefehl war - nach Auffassung des Sitzungsvertreters - rechtsfehlerhaft niedrig; das kommt ebenso vor wie der umgekehrte Fall).
Ara hat geschrieben:Teilweise werden lächerlich geringe Geldstrafen beantragt, die, wenn der Vorwurf zutreffen würde, viel zu gering wären oder, wenn der Vorwurf nicht zutreffen würde, viel zu hoch ist.
Das halte ich auch für falsch. Freilich darf man beim Strafbefehl die Geständnisfiktion berücksichtigen - oder die Verfahrensvereinfach einpreisen, je nachdem, wie man das sehen möchte -, aber es gibt keinen Anlass, abstrus niedrige Strafen verhängen zu lassen. Das ist auch kontraproduktiv, weil man ja in der Hauptverhandlung dann von diesem Antrag nur schwer herunter kommt.
Ara hat geschrieben:Eigentlich ist das Strafbefehlsverfahren imo nur bei absoluten Bagatellen und Massendelikten sinnvoll, da reicht dann aber auch § 153a StPO meist.
Im Strafbefehlswege kann bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt werden; das erscheint mir ebenso wenig wie - sagen wir - 180 Tagessätze mit einer Einstellung nach § 153a StPO vergleichbar.
Ara hat geschrieben:Da gibts Mandanten, die bei der Polizei "Nein ich stimme einem Strafbefehlsverfahren nicht zu" ankreuzen und dann paar Wochen später einen bekommen...
Eine solche Frage kenne ich nicht - und sie erscheint mir auch nicht sinnvoll. Das Strafverfahren ist ja kein Wunschkonzert.
Ara hat geschrieben:Teilweise schreibt man sogar umfangreich nen 170 IIer Antrag und dann wird auch ein Strafbefehl erlassen.
Das Strafverfahren ist kein Wunschkonzert.
Ara hat geschrieben:Wenn man dann aber wirklich mal nen Strafbefehl möchte, dann stellt sich die StA quer. Teilweise völlig unterschiedliche Handhabung nicht nur zwischen den einzelnen Staatsanwaltschaften, sondern auch zwischen den Dezernenten... Da hat man den gleichen Sachverhalt auf den Tisch und in der einen Akte nen Strafbefehl und in der anderen ne Anklage.
Das ist bei Verteidigern oder Richtern ja auch nicht anders ...
Ara hat geschrieben:Daher ist es mE absolut Quatsch und einem Rechtsstaat auch unwürdig das Strafbefehlsverfahren auf schwerere Straftaten auszuweiten.
Es macht absolut Sinn, das Strafbefehlsverfahren auch vor dem Schöffengericht und der Strafkammer zuzulassen, weil teilweise - vor allem in obskuren Ausnahmefällen, aber auch in gebräuchlicheren Konstellationen - zwingend die Zuständigkeit eines Spruchkörpers oberhalb des Strafrichters besteht, aber nur eine Geldstrafe (allenfalls eine Bewährungsstrafe) in Betracht kommt.
Es wäre aus rechtspraktischen Gesichtspunkten erwägenswert, die Möglichkeit der Erledigung per Strafbefehl auch für weitere Sanktionen zu öffnen, wobei dahingestellt sei, ob das auch rechtsstaatlich unbedenklich ist; ich könnte mir bspw. eine Anpassung an die Zuständigkeit des Strafrichters vorstellen (bis zwei Jahre Freiheitsstrafe), wobei ich die Verhängung von Freiheitsstrafe ohne Bewährung im Strafbefehlswege für bedenklich halte.
Alles weitere halte ich auch eher für fernliegend - aber die Forderung danach nun wirklich nicht für "skandalös", jedenfalls nicht für skandalöser als andere Säue, die durch das politische Dorf getrieben werden.
Alleine der Gedanke man könne einen Mord im Strafbefehlsverfahren theoretisch "wegdealen" ist imo schon unanständig. Wenn man seinen Job als Staatsanwalt ernst nimmst, dann will man bei schweren Straftaten (eigentlich bei allen Straftaten) für den wahren Täter eine angemessene Strafe und für nen Unschuldigen keine Strafe... Aber ein "Ist mir egal ob du es warst, wir machen einfach n bissel Strafe" ist schon unschön.[/quote]