Seite 1 von 3

Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 09:14
von LordFlatulentia
Guten Morgen, ich habe eine Frage zur Karriere in der Justiz: Wie geht man am besten vor? Einfach alle Akten fleißig erledigen und immer mit in die Kaffeerunden gehen oder gehört mehr dazu? Wie sieht es aus mit Abordnungen? Reicht die bloße Erprobungsabordnung ans OLG/ an die GStA oder sollte man einfach mehr machen? Wie fällt man in der Justiz denn am besten auf?

Das sind alles Fragen, die mich derzeit beschäftigen. Wenn man so die Karrieren verschiedener R3-aufwärts Kollegen betrachtet, stellt sich die Frage, wie viel Glück auch dabei war.

Danke

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 11:33
von Sebast1an
LordFlatulentia hat geschrieben: Sonntag 2. September 2018, 09:14 Wenn man so die Karrieren verschiedener R3-aufwärts Kollegen betrachtet, stellt sich die Frage, wie viel Glück auch dabei war.
Oder das richtige Parteibuch.

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 11:52
von Tibor
Ich halte das - ausgenommen ggf Präsidenten der Ober- und Bundesgerichte - für Quark.

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 14:54
von Justitian
Mit R3 sollte man nicht rechnen auch wenn man sehr engagiert ist (das sind viele gute Juristen in der Justiz), da gehört schon viel Glück dazu. R2 erscheint mir realistisch, wenn man es darauf anlegt. Die Tätigkeit als hauptamtlicher AG-Leiter für 8 Jahre ist hier bspw. ein Sprungbrett.

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 17:22
von 11 Freunde
Justitian hat geschrieben: Sonntag 2. September 2018, 14:54 Die Tätigkeit als hauptamtlicher AG-Leiter für 8 Jahre ist hier bspw. ein Sprungbrett.
Ich glaube nicht, dass man die Tätigkeit als AG-Leiter als generelles "Sprungbrett" für eine "Karriere" im Sinne von Beförderung bezeichnen kann (Ausnahme siehe unten).

Die Voraussetzungen von Beförderungen dürften von Bundesland zu Bundesland etwas abweichen. Ich kann nur für "mein" Bundesland sprechen, kann mir aber vorstellen, dass es in den übrigen Bundesländern äußerst ähnlich aussieht.

Hier ist für eine Beförderung von R1 zu R2 das erfolgreiche Absolvieren der sog. "Erprobungsabordnung" zum jeweiligen OLG bzw. zur jeweiligen GStA zwingende Voraussetzung. Eine einzige und eher seltene Ausnahme bildet hierbei alleine eine Beförderung zum Richter am Amtsgericht als weiter aufsichtsführender Richter (R2). Eine Beförderung hierzu ist unter Umständen auch ohne Erprobungsabordnung möglich und wird in der Regel wohl vorgenommen, wenn man als RiAG (jahrzehntelang) fleißig seine Akten bearbeitet und nebenher noch durch die Übernahme von Sonderaufgaben auffällt (AG-Leiter, Examensprüfer, Präsidiums etc.).

Im Übrigen kommt man nicht um die in aller Regel sechs- bis neunmonatige Erprobungsabordnung zum OLG bzw. zur GStA herum. Diese Erprobungsabordnung kann ersetzt werden durch Abordnungen insbesondere an die hiesige Justizverwaltung (JM), BMJV, BGH, BVerfG etc (ca. drei Jahre). Absolviert man die Erbrobungsabordnung erfolgreich - was in der deutlichen Mehrzahl der Fälle so ist - ist die Beförderung zum VRiLG oder RiOLG (=R2) die Regel. Eine weitere Beförderung von R2 direkt zu R3 dürfte in aller Regel - bis auf die Stellen als VRiOLG - dann wohl eher selten sein, da R3 mit Ausnahme des VRiOLG regelmäßig bedeutet, dass man seine Verfügungen mit grünem Stift zeichnet. Daher dürften Beförderungen von R2 auf R3 wohl zunächst erst einmal eine Beförderung auf R2Z voraussetzen, damit man zunächst einmal mit rotem Stift üben kann. Nach meinem Gefühl sind Beförderungen zu R2Z und aufwärts jedoch den Kandidaten vorbehalten, die eine gewisse Zeit an das JM abgeordnet gewesen sind, da alle Stellen ab R2Z aufwärts (Ausnahme: VRiOLG) mit umfassender Verwaltungstätigkeit verbunden sind. Während die Erprobungsabordnung zum OLG bzw. zur GStA nach meinem Eindruck fast allen, die halbwegs gute dienstliche Beurteilungen haben, offen steht, wird es mit einer Abordnung an das JM schon allein auf Grund der wenigen Stellen wohl eher schwierig. Man muss für eine solche Abordnung schon durch fleißige und inhaltlich gute Arbeit auffallen, damit man über den jeweiligen LOStA bzw. PräAG bzw. RräLG dem JM empfohlen wird. Meines Erachtens haben es StA hier ein wenig einfacher, weil der Draht zwischen dem JM und den einzelnen Staatsanwaltschaften wegen § 147 GVG einfach enger ist als zu den Gerichten.

Eine Beförderung zum RiBGH setzt neben den allgemeinen Beförderungsvoraussetzungen zudem in aller Regel auch voraus, dass man drei Jahre als HiWi dort gearbeitet hat. Mir sind in der letzten Zeit keine Fälle bekannt, in denen ein Richter ohne diese Tätigkeit zum RiBGH wurde (ggf. geht auch noch HiWi beim BVerfG).

Mit meinem Ausführungen kann ich mich jedoch nur auf die ordentliche Gerichtsbarkeit beziehen.

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 17:27
von Honigkuchenpferd
In Bayern wird tatsächlich großen Wert auf die Tätigkeit als AG-Leiter gelegt, so dass das auch entsprechend viel bringt. Dort geht es ja im genannten Fall auch um eine hauptamtliche Tätigkeit.

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 21:48
von thh
11 Freunde hat geschrieben: Sonntag 2. September 2018, 17:22
Justitian hat geschrieben: Sonntag 2. September 2018, 14:54 Die Tätigkeit als hauptamtlicher AG-Leiter für 8 Jahre ist hier bspw. ein Sprungbrett.
Ich glaube nicht, dass man die Tätigkeit als AG-Leiter als generelles "Sprungbrett" für eine "Karriere" im Sinne von Beförderung bezeichnen kann (Ausnahme siehe unten).
AG-Leiter != hauptamtlicher AG-Leiter (in Bayern).

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 21:59
von Kroate
Also ist es ratsam 8 Jahre hauptamtlich etwas völlig anderes als den Richterberuf auszuüben um als Richter Karriere zu machen... Erscheint mir irgendwie nicht ganz so durchdacht das System.

Gesendet von meinem SM-N950F mit Tapatalk


Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 22:08
von Tibor
Alles über R2 ist weniger spruchrichterliche Tätigkeit (Ausnahme Bundesrichter = R6 und Vorsitzende an Obergerichten). Andere R3 ff. sind zumeist Vize/Präsidentenstellen. Da ist das spruchrichterliche Dezernat übersichtlich und die Verwaltungsaufgaben erheblich. Deswegen wird man idR auch ohne vorherige Ministerialverwendung nicht auf solche Stellen berufen.

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 22:15
von Kroate
Ministerialverwendung ist ja die eine Sache, wobei ich auch da 8 Jahre für erheblich zu lang erachten würde. Aber welche für R3-Positionen nützliche Fähigkeiten erlangt man denn, wenn man hauptamtlicher AG-Leiter ist?

Gesendet von meinem SM-N950F mit Tapatalk


Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 22:30
von Honigkuchenpferd
Auf den ersten Blick wirkt das in der Tat nicht unbedingt intuitiv. Aber der Weg zu R 3 führt ja auch erst einmal über R 2. Das kann dann auch gut ein Amt als Richter am OLG oder OVG sein. Dafür ist die Tätigkeit als hauptamtlicher AG-Leiter sicherlich durchaus nützlich, weil man sich über viele Jahre hinweg intensiv mit rechtlichen Fragestellungen und deren geeigneter Vermittlung beschäftigt. Es kommt ja auch mitunter vor, dass Professoren als Richter im Nebenamt an einem OLG oder OVG tätig sind.

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 22:38
von Urs Blank
Um es noch einmal präzise für den Threadersteller zusammenzufassen: Nein, die erfolgreiche Tätigkeit als unabhängiger Richter zählt für eine Justizkarriere genau: 0. Wenn du aber am hiesigen Landgericht das Bau- und Liegenschafts-Dezernat verwaltest und dir die gelungene Sanierung der Damentoiletten im 1. OG an die Brust heften kannst: Herzlichen Glückwunsch, über den Weg der Ersatzerprobung im JM ist dir R2 fast sicher und eine weitere Karriere vorgezeichnet.

Disclaimer 1: Ja, für Verwaltungstätigkeit ist Verwaltungserfahrung natürlich unabdingbar. Die Attitüde ist es, die mich stört, dass nämlich der weisungsgebundene Orga- und Service-Kram (mehr isses ja in der Regel nicht) als so überaus wertvoll gilt, während die hohen Damen und Herren der Gerichtsverwaltung über den Kern (um nicht zu sagen: das "Proprium") der Justiz, nämlich die unabhängige Tätigkeit als Spruchrichter, mehr oder weniger die Nase rümpfen. Und sehr darum besorgt sind, möglichst keine Akten ("Igitt!") zu bearbeiten. Lieber im Auftrag eines Ministers die neuen Gestaltungsrichtlinien durchsetzen oder irgendwelche Reden schwingen.

Disclaimer 2: Nein, ich bin nicht frustriert, sondern selbstverständlich selbst ein geschätztes Mitglieder der Justizverwaltung. Aber trotzdem...

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Sonntag 2. September 2018, 23:19
von Kroate

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Auf den ersten Blick wirkt das in der Tat nicht unbedingt intuitiv. Aber der Weg zu R 3 führt ja auch erst einmal über R 2. Das kann dann auch gut ein Amt als Richter am OLG oder OVG sein. Dafür ist die Tätigkeit als hauptamtlicher AG-Leiter sicherlich durchaus nützlich, weil man sich über viele Jahre hinweg intensiv mit rechtlichen Fragestellungen und deren geeigneter Vermittlung beschäftigt. Es kommt ja auch mitunter vor, dass Professoren als Richter im Nebenamt an einem OLG oder OVG tätig sind.
Jemand der 8 Jahre (!) keinen Gerichtssaal von innen gesehen und stattdessen alljährlich dasselbe Ausbildungsprogramm runtergespult hat, soll besser geeignet für eine richterliche Tätigkeit sein, als jemand, der den Beruf während dieser Zeit tatsächlich ausgeübt hat? Mit Verlaub, aber das ist doch Blödsinn.

Gesendet von meinem SM-N950F mit Tapatalk


Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Montag 3. September 2018, 08:14
von thh
Urs Blank hat geschrieben: Sonntag 2. September 2018, 22:38Disclaimer 1: Ja, für Verwaltungstätigkeit ist Verwaltungserfahrung natürlich unabdingbar. Die Attitüde ist es, die mich stört, dass nämlich der weisungsgebundene Orga- und Service-Kram (mehr isses ja in der Regel nicht) als so überaus wertvoll gilt, während die hohen Damen und Herren der Gerichtsverwaltung über den Kern (um nicht zu sagen: das "Proprium") der Justiz, nämlich die unabhängige Tätigkeit als Spruchrichter, mehr oder weniger die Nase rümpfen.
Ich teile diese Auffassung grundsätzlich - man darf aber nicht übersehen, dass (a) die Tätigkeit als Spruchrichter jeder - mehr oder weniger - kann und sie (b) inhaltlich schwer zu werten ist, schon weil nicht in die Unabhängigkeit eingegriffen werden darf, wohingegen ers an guter Organisation in der Justiz bedauerlicherweise nicht selten mangelt - und die lässt sich zudem gut messen.

(Natürlich darf man den hinter der Wertschätzung der Verwaltungstätigkeit stehenden Belohnungsaspekt nicht ausblenden, der zwar offiziell nicht verwertbar ist, weil nicht zu den Kriterien der Bestenauslese passend, aber inoffiziell durchaus eine Rolle spielt: wer sich mit dem ungeliebten Verwaltungskram abgibt, wer jahrelang tagein, tagaus Referendare ausbildet, wer sich in den IT-Bereich abordnen lässt, der hat für die Übernahme dieser in der Regel nicht gerade umschwärmten Tätigkeiten im Gegenzug bessere Beförderungschancen.)

Re: Karriere in der Justiz?

Verfasst: Montag 3. September 2018, 08:55
von Ara
Was macht ein "hauptamtlicher AG-Leiter" eigentlich den ganzen Tag? Es fällt mir irgendwie schwer mir vorzustellen da mehr als nen Tag pro Woche vollzubekommen.