Prüfungsmaßstab bei § 80a II, III VwGO?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Prüfungsmaßstab bei § 80a II, III VwGO?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

§ 80a II VwGO regelt bekanntlich folgende Konstellation:

- Adressat erhält belastenden VA (z.B. Nutzungsuntersagung)
- dieser VA begünstigt einen Dritten

Nun gibt es mehrere Möglichkeiten, wenn der Adressat (!) Widerspruch gegen diesen VA erhebt:

1. Der Widerspruch hat regulär aufschiebende Wirkung (§ 80 I VwGO)

--> Der Dritte kann nun gem. § 80a III, II VwGO bei Gericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung beantragen
--> Prüfungsmaßstab Begründetheit (iRd Interessenabwägung): VA rechtmäßig und dient der Durchsetzung drittschützender Normen (bzw. nach AA muss Dritter einen Anspruch auf Einschreiten haben)

2. Der Widerspruch hat kraft Gesetzes keine aW (§ 80 II Nr. 1-3 VwGO)

--> Adressat kann nun Anordnung der aW beantragen (regulär § 80 V 1 Var. 1, § 80a/der Dritte spielt hier keine Rolle) [stimmt das so?]
--> reguläre Prüfung: Vollzugsinteresse Antragsgegner vs Aussetzungsinteresse Antragsteller

3. Der Widerspruch hat wg. "regulärer" Anordnung der sof. Vollziehung keine aW (regulär § 80 II Nr. 4 VwGO)

--> "regulärer" Antrag nach § 80 V 1 Var. 2 VwGO [stimmt das so?]
--> Begründetheit: begründet, wenn die AnO der sof Vz. formell RW ist oder wenn sonst der Rechtsbehelf des Antragstellers Aussicht auf Erfolg hat

4. (!!) Der Widerspruch hätte zwar aW, aber der Dritte beantragt bei der Behörde erfolgreich die sof. Vollziehung (§ 80a II VwGO)

--> statthaft ist nun §§ 80a III, II des Adressaten/Antragstellers auf Wiederherstellung der aW
--> Problem: was ist der Prüfungsmaßstab der Begründetheit? Ist der Antrag bereits begründet, wenn der Dritte kein subjektives Recht hat (=Abstellen auf das Vollzugsinteresse des Dritten), das hier geschützt wird, oder kommt es allein auf das Vollzugsinteresse der Behörde an (so wie im Falle der Anordnung der sof. Vz. "vAw"), sodass umfassend zu prüfen ist, ob der adressatenbelastende VA rechtmäßig ist?

Danke!
flx
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Re: Prüfungsmaßstab bei § 80a II, III VwGO?

Beitrag von flx »

Hallo Suchender!

Ich hoff ich bin nicht zu spät.

Also, du schreibst:
"4. (!!) Der Widerspruch hätte zwar aW, aber der Dritte beantragt bei der Behörde erfolgreich die sof. Vollziehung (§ 80a II VwGO)"
Ich will mal kurz einen einfachen gedanklichen Fall bilden, ich find das immer ein bisschen anschaulicher:
B baut ohne Genehmigung ein Haus auf sein Grundstück. Nachbar N findet das nicht gut, u.a. weil Abstandsbestimmungen nicht eingehalten wurden. Kurz darauf ordnet die Baubehörde dem B an, das Haus wieder abzureißen. (VA ist für B belastend, für N begünstigend)
1. B legt jetzt Widerspruch ein, womit aW eintritt, § 80 I 1. (das ist die Vss des § 80a "legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein")
2. Jetzt ist der N am Zug. Auf seinen Antrag hin kann die sofortige Vollziehung angeordnet werden (vgl § 80a II "kann die Behörde auf Antrag des Dritten die sofortige Vollziehung anordnen")

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: die Behörde lehnt den Antrag des N ab (3), oder eben nicht (4).
3. Hier kann N die AoSofVZ bei Gericht beantragen, §§ 80a III 1, II iVm 80 V 1 Var. 1 VwGO.
4. Hier ist wieder B am Zug, er kann versuchen bei Gericht gem. §§ 80a III 1, II iVm § 80 V 1 Var. 2 VwGO die Wiederherstellung der aW zu erwirken.

Uns interessiert v.a. Konstellation 4. Jetzt aber zu deiner Frage: ich hab hier selbst kurz nochmal nachgeschlagen, und die Antwort ist beides! Im Prinzip geht es in diesen Fällen immer darum, Vollzugsinteresse gegen Aussetzungsinteresse abzuwiegen. Im Vollziehungsinteresse können sich öffentliche wie private Interessen wiederspiegeln. Würtenberger/Heckmann schreiben dazu zunächst (vgl Rn. 597 ff): "Dabei ist nach der Rechtsprechung des BVerfG von dem festen Grundsatz auszugehen, dass die AoSofVZ aus Rechtsschutzgründen die Ausnahme bleiben muss", es hat also ein besonderes öffentliches Interesse (zB Gefahrenabwehr) vorzuliegen. Die Rechtmäßigkeit des VA allein ist nicht ausreichend, denn "diese ist Voraussetzung für den Erlass [des VA], nicht jedoch Rechtfertigung für die AoSofVZ". Dann heißt es aber: "Sind allerdings private Interessen von zwei Beteiligten gegeneinander abzuwägen, so ist das Interesse an der Beibehaltung des status quo des einen und das Verwirklichungsinteresse des anderen im Prinzip gleichwertig. Hier kann eine summarische Prüfung des Hauptsacherechtsbehelfs erfolgen: Ist der Widerspruch des Dritten gegen den begünstigenden VA offensichtlich erfolglos, hat der Begünstigte ein überwiegendes Interesse am alsbaldigen Gebrauchmachen des VA, ansonsten bleibt es bei der Beibehaltung des status quo."

Also, soweit ich das richtig verstanden habe:
Damit die AoSofVZ angeordnet werden kann, muss in Fällen des § 80 II Nr. 4 Var 1 (also wo nur öffentliche Interessen dem Interesse des Betroffenen gegenüberstehen) neben der Rechtmäßigkeit des VA auch ein besonderes öffentliches Interesse vorliegen.

In Fällen des § 80a II, III allerdings, also unserem obigen Fall (4) hingegen reicht es, wenn der VA rechtmäßig ist und irgendwelche drittschützenden Normen (mit Bezug auf N) verletzt wurden. Daraus ergibt sich umgekehrt:
1. ist der VA nicht rechtmäßig, dringt B allein deswegen durch, weil N kein schützenswertes Interesse bzgl der AoSofVZ eines rechtswidrigen VA hat.
2. hat N kein schützenswertes subjektives Recht, dringt B genauso durch, ganz einfach weil die Interessensabwägung zu seinen Gunsten ausfällt.

Was es hier - mit Unterschied zum Vollzugsinteresse der Behörde - aber nicht braucht, ist das "besondere öffentliche Interesse". Damit ist die Prüfung bzgl. der Behörde strenger als bzgl. dem privaten Dritten.

P.S.: die Ausführungen von Würtenberger/Heckmann beziehen sich offensichtlich auf den Fall des § 80a I, weil hier (anders als bei uns) der Dritte den Widerspruch einlegt. Das sollte aber für den Prüfungsmaßstab, so denk ich, keinen Unterschied machen. Laut VwGO Kommentar Wolff/Decker gilt dies übrigens genauso umgekehrt, also wenn der Betroffene AoSofVZ beantragt. Selbst hier kann es ausreichen, dass keine drittschützende Norm betroffen ist, damit der Betroffene Erfolg hat. Das heißt er könnte sogar AoSofVZ eines rechtswidrigen VA durchbekommen. Sonderfall: "wenn die Behörde bereits konkret die Rücknahme des VA ins Auge gefasst hat", dann kann ein Antrag auch ohne Drittschutzbezug Aussicht auf Erfolg haben. Sehr erhellend Wolff/Decker VwGO § 80a Rn 16
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