Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

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HDCraftY
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Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von HDCraftY »

Hallo,

Während meines Studiums und Referendariates habe ich das Thema halbwegs verdrängt, aber nachdem ich jetzt die zweite Staatsprüfung hinter mich gebracht habe und die formalen Voraussetzungen für den höhere Justizdienst erworben habe (Doppelprädikat), stellt sich nun die Frage, wie ich meinen sehr unrühmlichen Lebenslauf begründen kann/soll.
Nach einen mittelmäßigen Abitur habe ich fast fünf Jahre durch die Hochschullandschaft studiert, verschiedenes angefangen und wieder abgebrochen, ehe ich mit 24 schlussendlich mit Jura meinen passenden Studiengang "gefunden" habe. Nun habe ich in Regelstudienzeit abgeschlossen, entsprechend gute Examina und eine wirtschaftswissenschaftliche Zusatzausbildung.
Dennoch komme ich nicht umhin meine Qualifikation aufgrund der Vorgeschichte in Frage zu stellen. Werde ich als faul, nicht entscheidungsfreudig, zögerlich und dadurch für charakterlich ungeeignet beurteilt?

Ich schäme mich nicht für den Weg und will mich auch nicht rechtfertigen. Ich habe dadurch viel gelernt und mitgenommen. Aber ich war in dieser Zeit ziel- und planlos, wusste nichts mit mir anzufangen. Würdet ihr sagen, dass das für eine Begründung reicht oder ist das "zu wenig"?
EinHeinz
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von EinHeinz »

HDCraftY hat geschrieben: Mittwoch 9. Januar 2019, 13:08 Ich schäme mich nicht für den Weg und will mich auch nicht rechtfertigen. Ich habe dadurch viel gelernt und mitgenommen. Aber ich war in dieser Zeit ziel- und planlos, wusste nichts mit mir anzufangen. Würdet ihr sagen, dass das für eine Begründung reicht oder ist das "zu wenig"?
Dann schreib doch nicht, dass du einen schlechten Lebenslauf hast. Das ist ein interessanter Lebenslauf und fertig. Es interessiert bei der Einstellung in der Regel einen Käse, ob du fünf Jahre was anderes studiert hast, in Australien Äpfel ernten warst oder einfach 10 Jahre fürs Jurastudium gebraucht hast.

Ich würde aber vielleicht nicht dazu sagen, dass du ein planloser Gammler warst. Wie wäre es mit
- Interessen verfolgt
- vom Studiengang enttäuscht
- bessere Berufsaussichten
- Eltern haben dich für Philosophie enterbt usw.
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famulus
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von famulus »

Ich sehe es genau so. Erst bei Jura warst du eben für dich "angekommen". Entscheidend dürfte in aller Regel sein, dass du liefern konntest, als es darauf ankam. Gerade in der jetzigen Arbeitsmarktsituation dürfte die Vorgeschichte weit zurücktreten.

a. A. natürlich: Kasimir
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guardini
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von guardini »

Es soll auch Leute geben, die mit einem vergleichbaren Lebenslauf Vorsitzender Richter am BGH werden...

Aber im Ernst: Die Aussage, dass du mit Anfang 20 noch nicht genau wusstest, was du wolltest, halte ich für entwaffnend ehrlich und realistisch. Die Tatsache, dass du das Jurastudium ohne Unterbrechung in Regelstudienzeit durchgezogen hast, spricht doch eindeutig dafür, dass du nur die richtigen Ziele brauchst, um auch zielstrebig und konsequent zu sein. Ich würde in einem Vorstellungsgespräch betonen - sofern es denn der Wahrheit entspricht -, dass es dich bei Jura eben zum ersten Mal richtig gepackt hat. Das sollte dann jedenfalls bei plausibler Motivation für den Richterberuf kein Einstellungshindernis (in meinen Augen nicht einmal ein Malus, eher im Gegenteil) sein.
Sebast1an
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von Sebast1an »

Sehr wahrscheinlich wirst du bei einer Vielzahl der Vorstellungsgespräche nichtmal darauf angesprochen. Und ansonsten lässt sich die Probierphase auch positiv (und selbstbewusst!) verkaufen. Ich sehe da keine Probleme und erstrecht keinen "sehr schlechten Lebenslauf".
Ich bin auch nur ein Mensch. Genauso wie ein Weißer Hai auch nur ein Fisch ist. (Zlatan Ibrahimović)
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Strich
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von Strich »

Also ich muss mal sagen, dass mir jemand, der im Leben was ausprobiert hat und der wirklich "studiert" hat, wesentlich lieber ist, als die geglätteten 24-Jahre-Volljuristen-2-Auslandsjahre-3-Sprachen-Studenten. Wenn sich am Lebenslauf Konsequenz ablesen lässt, ist das allemal besser, als wenn da bei Hobbys "Lesen" steht und man dem Lebenslauf schon ansieht, dass da einer seit 24 Jahren nur für den Lebenslauf lebt.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von Herr Schräg »

@ TE:

Das Problem wird nicht der Lebenslauf, sondern Deine Einstellung dazu sein. Verstehe und "verkaufe" ihn als Positivum, das Dich von den anderen abhebt. Sinngemäß: "Mein Lebenslauf fällt aus dem juristenüblichen Rahmen. Denn nach nach dem Abitur habe ich zunächst einige Jahre meinen Weg gesucht und Verschiedenes ausprobiert. Nachdem ich aber mit Jura meine Berufung (Traumstudium o.ä.) gefunden hatte, habe die Ausbildung sehr zügig und mit sehr gutem Ergebnis abgeschlossen...."
HDCraftY
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von HDCraftY »

Vielen Dank für die hilfreichen Antworten.
Scheint als muss ich mir selbst gegenüber selbstbewusster auftreten und das abgeklärter betrachten.
Swann
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von Swann »

Herr Schräg hat geschrieben: Donnerstag 10. Januar 2019, 11:40 @ TE:

Das Problem wird nicht der Lebenslauf, sondern Deine Einstellung dazu sein. Verstehe und "verkaufe" ihn als Positivum, das Dich von den anderen abhebt. Sinngemäß: "Mein Lebenslauf fällt aus dem juristenüblichen Rahmen. Denn nach nach dem Abitur habe ich zunächst einige Jahre meinen Weg gesucht und Verschiedenes ausprobiert. Nachdem ich aber mit Jura meine Berufung (Traumstudium o.ä.) gefunden hatte, habe die Ausbildung sehr zügig und mit sehr gutem Ergebnis abgeschlossen...."

Eben. Der TE ist vielseitig interessiert und talentiert und zielstrebig. Das ist doch eine exzellente Kombi (Kasimir mag das anders sehen).
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von markus87 »

Ich habe selbst einen extrem geradlinigen Lebenslauf, würde den des TE aber auch ausschließlich positiv beurteilen.

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Herr Anwalt
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von Herr Anwalt »

Ich hätte lieber einen Menschen der zur Reflexion fähig ist und dann merkt, dass der derzeitige Weg nicht der Richtige für ihn ist ("Nach reflektiver Betrachtung bin ich dann zu dem Schluss gekommen, dass.."), als jemanden der stur weitermacht, aber gar nicht für sein Fach lebt.
Meines Erachtens eher eine Stärke und so solltest du es verkaufen.
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von PerryManson »

Thomas Fischer?

In jedem anderen Studiengang müsstest du dir Sorgen machen. Da in Jura aber (einigermaßen) fair nach Note ausgesiebt wird und nicht nach irgendwelchen weichen Kriterien, gibts kein Anlass.
Einfach in Bewerbung geflissentlich übergehen und dann auf Nachfrage selbstbewusst so erklären, wie es war.

Einer meiner Bekannten: Sitzenbleiber, Mittelmäßiges Abi, Maschinenbau abgebrochen, dann ein Jahr nur gejobbt, Jura, erstes Examen nach 12 Semestern, 2 Jahre gebummelt bei Promotion, mit 33 Zweites.
Aber eben Doppelprädikat und Dr.: Nach Großkanzlei jetzt in Baurechts-Boutique, alles perfekt.

Übrigens höre ich von Unternehmern immer wieder, dass ihnen diese glattbegügelten Lebensläufe mit 23jährigen Absolventen auf den Keks gehen.
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Fyrion
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von Fyrion »

Not sure if serious, aber falls doch:

Du hast zwei Prädikate. Du könntest jetzt auch ein Einäugiger 65 Jähriger Pirat mit Vorstrafe wegen Seeraubes und einem Papagai auf der Schulter sein und du würdest trotzdem in der GK für 140k Einstiegsgehalt anfangen können (wenn du das möchtest).

Also Rücken grade machen und bisschen mehr Selbstbewusstsein bitte, du bist jetzt Elite ;)
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Muirne
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von Muirne »

Bei Kasimir musst du dich so nicht bewerben, sonst könnte es aber klappen.
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
TobiasG
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Re: Sehr schlechter Lebenslauf. Keine sinnvolle Begründung dafür.

Beitrag von TobiasG »

Muirne hat geschrieben: Dienstag 7. Mai 2019, 12:16 Bei Kasimir musst du dich so nicht bewerben, sonst könnte es aber klappen.
Die, die Kasimir ablehnt, werden aber immer noch mit Handkuss bei Hengeler und Gleiss genommen ;)
"Wer Du bist? Sicher nicht der Rap-Messias. Für mich bist auch Du nur irgendein Tobias."

~ Harry Quintana
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