[Arbeitsrecht] Vergleich über Inhalt des Zeugnisses

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Theopa
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[Arbeitsrecht] Vergleich über Inhalt des Zeugnisses

Beitrag von Theopa »

Hallo zusammen,

ich bin gerade mal wieder über eine Frage gestolpert, die mich schon im Ref etwas irritiert hat:

Nehmen wir einen üblichen Prozess vor dem Arbeitsgericht nach einer Kündigung und lassen diese objektiv unberechtigt sein. Der Arbeitnehmer war zwar wirklich mies, dass KschG aber anwendbar und einen echten Kündigungsgrund gibt es nicht. Nun bekommt der AN mit, dass er eine starke Position hat und möchte im Vergleichswege möglichst viel herausholen. Dabei kommt früher oder später wohl oft auch die Forderung nach einem "wohlwollenden" oder ggf. sogar "guten" oder "sehr guten" Zeugnis.

Nun meine Frage:
Wenn diese Bewertung wirklich nachweislich falsch ist, der Mitarbeiter also z.B. objektiv messbar schlecht gearbeitet hat (auch nach Einarbeitung viel zu niedrige Stückzahlen, viele nachgewiesene Fehler, etc.), kann dieser Vergleich damit überhaupt wirksam sein? Das Zeugnis selbst dient dann ja ganz offensichtlich dazu, künftige Arbeitgeber zu täuschen. Man könnte es bei wirklich sehr schlechten Arbeitskräften mE durchaus als versuchten Betrug zu Lasten der künftigen (potentiellen)Arbeitgeber bzw. eine entsprechende Beihilfe werten, womit §§134 bzw. 138 BGB mehr als nur "berührt" sein dürften. Die Folgefrage wäre dann, ob die jeweiligen Prozesvertreter bei solchen Vergleichen überhaupt mitwirken und das Gericht diese sehenden Auges protokollieren/"billigen" dürfte.

Übersehe ich hier etwas?
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Tikka
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Re: [Arbeitsrecht] Vergleich über Inhalt des Zeugnisses

Beitrag von Tikka »

In der Theorie mag das mal der Fall sein, in der Praxis dürfte es selten real eine Rolle Spielen.

Die Anwälte von Kläger und der Beklagten, wissen ja nicht objektiv wie die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers war. Der den Vergleich protokollierende Richter auch nicht.
Und sodann korrigiert dann eben der Arbeitgeber seine bisherige, irrige subjektive Wertung über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsgerichtsprozesses. (Wie wir von den Fällen der (praktisch nicht möglichen) leistungsbedingten Kündigung wissen, ist eine Objektivierbarkeit von Arbeitsergebnissen ohnehin beliebig schwer.)
Keine Experimente! Wählt Adenauer.
Theopa
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Re: [Arbeitsrecht] Vergleich über Inhalt des Zeugnisses

Beitrag von Theopa »

Mir ist klar, dass es in der Realität kaum jemals relevan tist, schon da im Regelfall absolut jeder Beteiligte ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Vergleichs haben wird.

Es gibt aber eben durchaus Fälle, in welchen der Arbeitgeber stapelweise Belege für eine wirklich schlechte Arbeitsleistung hat und diese eben auch seinem Anwalt übergibt und vortragen lässt, um die Kündigung vielleicht doch noch durchzubekommen. Wir können ja als sehr plakatives Beispiel einen angestellten Anwalt als Arbeitnehmer wählen, der innerhalb eines Jahres nachweislich 10 gerichtliche Fristen versäumt hat, für deren Kontrolle und Einhaltung er auch zweifellos zuständig war. Diese Leistung auch nur als ausreichend zu bezeichnen wäre mE schon kaum mehr zu vertreten, dann aber wirklich in den Bereich eines "gut" oder gar "sehr gut" zu gehen... Naja ;)
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Justitian
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Re: [Arbeitsrecht] Vergleich über Inhalt des Zeugnisses

Beitrag von Justitian »

Das ganze Institut ist eine Farce. Mir kommt es eher so vor als würde über die Rechtswidrigkeit, die in der Tat häufig im Raum steht, bewusst hinweg geschaut weil man die Vergleichsbereitschaft fördern und den Arbeitnehmer etwas weicher landen lassen will. Man könnte mit gutem Recht die Frage aufwerfen, ob § 109 GewO einem Vergleich nicht schlechthin entgegensteht. Interessant wäre es eher wenn sich künftige Arbeitgeber hinters Licht geführt fühlen. Aber dafür ist die Aussagekraft vom Arbeitszeugnis wohl zu gering
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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