Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

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Tibor
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Tibor »

Also bei LinkedIn sehe ich diese „ich bin der Größte“ Postings nur bei irgendwelchen Jung-Associates.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Freedom
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Freedom »

Solar hat geschrieben: Sonntag 28. April 2019, 10:36 Zweitens hat mich abgeschreckt, wie sehr selbst gestandene Partner, sämtlich erfolgreiche und erfahrene Multimillionäre, doch immer wieder vor den Mandanten kriechen und zugleich um ihre interne Bedeutung zittern mussten. Das hat sich in den letzten Jahren noch verschärft, da eigtl. jedes Großunternehmen mittlerweile 2-3 schlagkräftige GKs auf dem Panel hat und deshalb relativ leicht das Pferd wechseln kann, wenn es unzufrieden ist. Die Unzufriedenheit muss dabei keineswegs fachlichen Bezug haben (dürfte bei GKs nur selten begründet sein, die sind m.E. alle gleich gut oder schlecht). Das sind eher persönliche Animositäten oder Abrechnungsthemen. Der Erfolgsdruck für Partner ist extrem. Man kann es sich nicht erlauben, einen Mandanten zu vergraulen und auch ein gestandener Partner muss sich gerne mal von irgendeinem dahergelaufenen Emporkömmling aus der Rechtsabteilung oder dem internen M&A für Nichtigkeiten herunterputzen lassen und kann das nur buckelnd entgegennehmen.

Unterm Strich bleibt man also auch als der erfolgreichste Partner die Bitch des Mandanten. Es gibt nur noch ganz ganz wenige, die es sich erlauben können, da Rückgrat zu zeigen. Gleichzeitig muss man immer Sorge haben, auch ja genug Umsatz zu machen, um intern nicht angreifbar zu sein. Das führt einerseits zum Hamsterrad und andererseits zu wahnsinnigen Eitelkeiten bei den Partnern. Schau dich mal auf Linkedin um, was so ein durchschnittlicher GK-Partner da so postet. Da ist durch die Bank weg Fremdschämen angesagt: "Proud to be recognized as top tier ..." "Honored to be namend as top 500 in ... law" usw. Einfach nur peinlich, wie man sich da selbst anpreist, um irgendwie an Mandate zu kommen und die eigene Bedeutsamkeit zu polieren. Bisschen wie Straßenstrich...

Ich will die Leute gar nicht bashen, sie haben einen harten Job und fühlen sich in ihrer Welt sehr wohl. Das Selbstanpreisen ist zu gewissem Grade nur Selbsterhaltungstrieb. Das ist ok. Insgesamt stellt diese Welt für mich aber keine attraktive Aussicht dar. Ich bin nicht ehrgeizig genug, um mich auf Dauer zu motivieren, in einem derartigen Umfeld zu konkurrieren. Man steht im internen und externen Dauer-Wettbewerb. Das führt zu unglaublicher Wichtigtuerei auf allen Seiten.

In meiner Unternehmens-Zeit habe ich festgestellt, dass es dort ab einer gewissen Größe auch nicht viel anders ist. Zwar kann man die Kanzleien herumkommandieren, wenn man das für sinnvoll hält (ich nicht). Aber der interne Wettbewerb ist noch größer und die Wichtigtuerei damit ebenfalls. Manche Kollegen waren nur damit beschäftigt, ihre eigene Bedeutung im Unternehmen möglichst so aufzupolieren, dass das 80 % ihrer Arbeit einnahm. War also auch nichts für mich. Mir ist das regelrecht zuwider.

Natürlich gibt es auch jetzt in der Justiz einen gewissen internen Wettbewerb um Beförderungsämter. Man muss sich dem aber nicht beugen, sondern kann auch einfach sein Ding durchziehen und hat dennoch immer einen sehr spannenden, herausfordernden und verantwortungsvollen Job, der zudem noch sicher ist. Wird man eben nicht R2, das dürfte aber wenig ausmachen. Inhaltlich ergibt sich durch eine R2-Beförderung ohnehin kein großer Unterschied zur R1-Tätigkeit, solange man in erster Instanz bleibt. Es gibt halt jeden Monat 300,00 € mehr aufs Konto. Ich muss niemals vor irgendjemandem buckeln oder jemanden sonstwie umgarnen. Ich kann arbeiten wann ich will und entscheiden wie ich es für richtig halte. Der Fremdsteuerungsanteil ist in der Justiz so gering wie in keinem anderen (normalen) Beruf. Selbst ein Zetsche muss ständig irgendwo Rechenschaft ablegen. Ich nur vor dem Gesetz und mir selbst. Im "Gegenzug" sind Ausstattung, Arbeitsbedingungen und der Stundenlohn schlecht. Das ist mir persönlich aber nicht so wichtig, wie die anderen Punkte.
Eine interessante Sichtweise.

Einzig und allein: Trifft das dann nicht auf jeden Verkäufer / jedes Unternehmen zu, das Werbung macht & versucht Kunden zu akquirieren und zu halten?

Coca Cola macht Werbung, der Arzt von nebenan hält vielleicht Vorträge über sein Fachgebiet (natürlich nuuur aus Interesse am Thema), das junge Start-Up schaltet Werbung auf Facebook, Modelabels buchen Instagram-Influencer und manch Anwalt schreibt Aufsätze in Fachzeitschriften oder hält Vorträge.

Klar, in einer sozialen Marktwirtschaft konkurrieren Unternehmer nun mal miteinander. Auf diesem Engagement beruht der Erfolg einer Gesellschaft, der Staat ist dann darum bemüht, das ganze zu ordnen und zu lenken. Aber ohne die Unternehmer hat der Staat auch nichts zum verwalten, weil das Land international ins Hintertreffen geraten wird sodass der Lebensstandart seiner Menschen - auch der der beim Staat Beschäftigten - sinken wird.

Klar, die obersten paar Prozent mögen irgendwann eine solche Stellung erreicht haben, dass sie keine Werbung mehr machen müssen. Aber das dürfte auf die weit überwiegende Mehrheit nicht zutreffen.
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thh
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von thh »

Freedom hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 08:52Coca Cola macht Werbung, der Arzt von nebenan hält vielleicht Vorträge über sein Fachgebiet (natürlich nuuur aus Interesse am Thema), das junge Start-Up schaltet Werbung auf Facebook, Modelabels buchen Instagram-Influencer und manch Anwalt schreibt Aufsätze in Fachzeitschriften oder hält Vorträge.
Ich sehe einen Unterschied zwischen dem Halten von Vorträgen über das eigene Fachgebiet, dem Verfassen von Aufsätzen oder auch einer Promotion, einer Tätigkeit in der Lehre (die vielleicht irgendwann einmal den Honorarprof. bringt) auf der einen und dem Schalten von Werbung, dem Buchen von Influencern oder der Selbstbeweihräucherung auf der anderen Seite.

Immer vorausgesetzt, dass man Freude an seiner eigenen Tätigkeit hat, dienen Fleiß und gute Arbeit und die voranstehend als erstes genannten Tätigkeiten zwar auch einem Nebenerwerb und der Steigerung der eigenen Bekanntheit, es ist aber nicht ihr einziger und meist noch nicht einmal der primäre Zweck.

Es besteht ein vergleichbarer Unterschied, ob ein Unternehmen durch gute Leistung oder auch guten Kundenservice überzeugt oder ob es Werbung schaltet. Auch die guten Leistungen und der gute Service werden natürlich nicht aus Menschenfreundlichkeit erbracht, sondern deshalb, weil man auf Mundpropaganda oder - bei "öffentlichen" Servicestellen in sozialen Netzwerken - auf positive Strahlkraft für die Marke setzt. Sie haben aber einen von der Akquise unabhängigen Mehrwert, den bloße Werbung eben nicht hat.
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thh
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von thh »

Trente Steele82 hat geschrieben: Sonntag 28. April 2019, 20:08Eine sehr traurige Sicht auf den Anwaltsberuf, die ich naturgemäß nicht teile. Sicherlich sind ein paar Wahrheiten dabei, aber so deprimierend ist das alles nach meiner Erfahrung nicht.
Naja, das ist vermutlich gerade kennzeichnend für die eigene Berufswahl; wer darin zwar Wahrheiten sieht, die Darstellung aber als überspitzt und überzogen ansieht und dieses traurige Bild für sich nicht bestätigen kann, setzt (wenn es nicht einfach ganz andere Erfahrungen sind, weil anderer Ort, andere Kollegen, ...) oft schlicht andere Prioritäten.

Das gilt umgekehrt ja genauso. Die Klagen über den schlecht zahlenden Staat mit der unerträglichen Ausstattung, der furchtbaren Bürokratie, ... sind ja auch nicht völlig realitätsfern; die meisten, die dort arbeiten, werden eine solch primär negative Sicht aber nicht teilen, weil sie einfach andere Prioritäten setzen. Sonst wären sie eben vermutlich Anwälte (oder etwas ganz anderes) geworden.
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Kasimir »

thh hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 09:32
Freedom hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 08:52Coca Cola macht Werbung, der Arzt von nebenan hält vielleicht Vorträge über sein Fachgebiet (natürlich nuuur aus Interesse am Thema), das junge Start-Up schaltet Werbung auf Facebook, Modelabels buchen Instagram-Influencer und manch Anwalt schreibt Aufsätze in Fachzeitschriften oder hält Vorträge.
Ich sehe einen Unterschied zwischen dem Halten von Vorträgen über das eigene Fachgebiet, dem Verfassen von Aufsätzen oder auch einer Promotion, einer Tätigkeit in der Lehre (die vielleicht irgendwann einmal den Honorarprof. bringt) auf der einen und dem Schalten von Werbung, dem Buchen von Influencern oder der Selbstbeweihräucherung auf der anderen Seite.

Immer vorausgesetzt, dass man Freude an seiner eigenen Tätigkeit hat, dienen Fleiß und gute Arbeit und die voranstehend als erstes genannten Tätigkeiten zwar auch einem Nebenerwerb und der Steigerung der eigenen Bekanntheit, es ist aber nicht ihr einziger und meist noch nicht einmal der primäre Zweck.

Es besteht ein vergleichbarer Unterschied, ob ein Unternehmen durch gute Leistung oder auch guten Kundenservice überzeugt oder ob es Werbung schaltet. Auch die guten Leistungen und der gute Service werden natürlich nicht aus Menschenfreundlichkeit erbracht, sondern deshalb, weil man auf Mundpropaganda oder - bei "öffentlichen" Servicestellen in sozialen Netzwerken - auf positive Strahlkraft für die Marke setzt. Sie haben aber einen von der Akquise unabhängigen Mehrwert, den bloße Werbung eben nicht hat.
Aber allein durch gute Leistung lässt sich (leider) keine erfolgreiche Anwaltskanzlei führen. Gut sind im Zweifel alle. Mandate wollen auch alle. Und Mandate und Umsatz kommen nunmal weder aus dem Fax noch aus der Steckdose. Wir leisten es uns als Gesellschaft bestimmte Bereiche des Staates (Justiz, Bildung etc.) leistungsunabhängig zu vergüten. Das ist richtig und sollte so bleiben. Es ist aber unredlich, wenn derjenige, der monatlich ein fixes Gehalt erhält, sich über diejenigen echauffiert, die jeden Monat darum kämpfen müssen, dass sie ihre Mitarbeiter, Büromiete etc. bezahlen und zugleich noch selbst noch Gewinn für sie übrig bleibt.
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von EinHeinz »

Solar hat schlichtweg seine Wahrnehmung geschildert und ist zum Schluss gekommen, dass diese Form des Unternehmertum für ihn persönlich nichts ist. Das finde ich durchaus legitim.

Bei allen Bemühungen um Mandate und Umsatz muss man sich schon kritisch hinterfragen, ob es relevant ist, wenn man bei LinkedIn oben beschriebene Posts abgibt. Ich sehe diese durchaus regelmäßig. Neue Mandate wird man damit nicht akquirieren, die bisherigen wissen hoffentlich ohne so eine Selbstdarstellung, woran sie sind. Worin liegt also die Rechtfertigung - Stolz?
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Tikka »

Wie ich schon mal unter einen anderen Post von Solar geschrieben habe:

Ich würde es nicht so pointiert ausdrücken, aber von der Tendenz her kann ich das durchaus nachvollziehen.

Ich hatte ein paar gute Jahre in der Kanzlei. Mit den Leuten verstehe ich mich, obwohl ich schon seit vielen Jahren raus bin, zum Teil immer noch sehr gut. Wie immer gibt es an jedem Job gute und schlechte Seiten.

Für mich aber in der Tat eine ausschlaggebend schlechte Seite war das Gebahren der gestandenen Partner nicht nur ggü. den Mandanten (das fand ich jetzt nicht sooo krass) sondern auch intern. Das andauernde Selbstmarketing ggü. seinen Mitpartnern um die eigene Existenz zu rechtfertigen haben mir sehr klar werden lassen, dass ich den Job wirklich nicht ein Berufsleben lang machen möchte. Aber da ist jeder verschieden. Einige kommen mit diesen Themen gut zurecht und für die mag das ein prima Job sein. Für mich eben nicht.

Aber zum Berufsstart muss das kein schlechter Startpunkt sein. Ich hatte das Glück sehr früh sehr eigenverantwortlich tätig sein zu dürfen und betrachte meine Jahre in der Kanzlei als erweiterte Lehrjahre. Dann kann man immer noch entscheiden, ob man sich das auf Dauer vorstellen kann oder nicht. Der Himmel ist blau...
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Kasimir »

EinHeinz hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 10:19 Solar hat schlichtweg seine Wahrnehmung geschildert und ist zum Schluss gekommen, dass diese Form des Unternehmertum für ihn persönlich nichts ist. Das finde ich durchaus legitim.

Bei allen Bemühungen um Mandate und Umsatz muss man sich schon kritisch hinterfragen, ob es relevant ist, wenn man bei LinkedIn oben beschriebene Posts abgibt. Ich sehe diese durchaus regelmäßig. Neue Mandate wird man damit nicht akquirieren, die bisherigen wissen hoffentlich ohne so eine Selbstdarstellung, woran sie sind. Worin liegt also die Rechtfertigung - Stolz?
Es ging mir um Begriffe wie "Bitch des Mandanten" oder "Straßenstrich". Das ist meines Erachtens keine sachliche Schilderung der eigenen Wahrnehmung.
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Trente Steele82 »

Kasimir hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 10:34
EinHeinz hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 10:19 Solar hat schlichtweg seine Wahrnehmung geschildert und ist zum Schluss gekommen, dass diese Form des Unternehmertum für ihn persönlich nichts ist. Das finde ich durchaus legitim.

Bei allen Bemühungen um Mandate und Umsatz muss man sich schon kritisch hinterfragen, ob es relevant ist, wenn man bei LinkedIn oben beschriebene Posts abgibt. Ich sehe diese durchaus regelmäßig. Neue Mandate wird man damit nicht akquirieren, die bisherigen wissen hoffentlich ohne so eine Selbstdarstellung, woran sie sind. Worin liegt also die Rechtfertigung - Stolz?
Es ging mir um Begriffe wie "Bitch des Mandanten" oder "Straßenstrich". Das ist meines Erachtens keine sachliche Schilderung der eigenen Wahrnehmung.
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Trente Steele82
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Trente Steele82 »

thh hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 09:35
Trente Steele82 hat geschrieben: Sonntag 28. April 2019, 20:08Eine sehr traurige Sicht auf den Anwaltsberuf, die ich naturgemäß nicht teile. Sicherlich sind ein paar Wahrheiten dabei, aber so deprimierend ist das alles nach meiner Erfahrung nicht.
Naja, das ist vermutlich gerade kennzeichnend für die eigene Berufswahl; wer darin zwar Wahrheiten sieht, die Darstellung aber als überspitzt und überzogen ansieht und dieses traurige Bild für sich nicht bestätigen kann, setzt (wenn es nicht einfach ganz andere Erfahrungen sind, weil anderer Ort, andere Kollegen, ...) oft schlicht andere Prioritäten.

Das gilt umgekehrt ja genauso. Die Klagen über den schlecht zahlenden Staat mit der unerträglichen Ausstattung, der furchtbaren Bürokratie, ... sind ja auch nicht völlig realitätsfern; die meisten, die dort arbeiten, werden eine solch primär negative Sicht aber nicht teilen, weil sie einfach andere Prioritäten setzen. Sonst wären sie eben vermutlich Anwälte (oder etwas ganz anderes) geworden.
Mit Wahrheiten meinte ich die Zwänge, denen man als Dienstleister mehr oder weniger unterworfen ist. Wie der Einzelne damit umgeht ist doch keine verallgemeinerungsfähige Tatsache, die dem Anwaltsberuf anhaftet.
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Fyrion
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Fyrion »

Solar hat geschrieben: Sonntag 28. April 2019, 10:36
Vorhangauf hat geschrieben: Samstag 27. April 2019, 18:52
Solar hat geschrieben: Samstag 27. April 2019, 14:13 Ich war mit Kartellrecht ganz glücklich.
Falls es "klassische" strukturelle Gründe waren, darf ich fragen, warum du dann doch gewechselt bist? Gerne auch PN.

Und danke für die tolle Übersicht!
Ich fand das Rechtsgebiet spannend und die Arbeit an sich hat mir Spaß gemacht. Ich fand auch die meisten meiner Associate- bzw. Senior-Kollegen sehr nett und habe mich unter ihnen sehr wohl gefühlt. Man muss sich aber die Frage stellen, ob man dauerhaft in dem Umfeld zuhause sein will. Ich sah mich einfach nicht auf Dauer in einer (Groß-)Kanzlei.

Erstens war es die Arbeitsbelastung,die bekanntlich sehr hoch ist und meine Beziehung beeinträchtigt hat.

Zweitens hat mich abgeschreckt, wie sehr selbst gestandene Partner, sämtlich erfolgreiche und erfahrene Multimillionäre, doch immer wieder vor den Mandanten kriechen und zugleich um ihre interne Bedeutung zittern mussten. Das hat sich in den letzten Jahren noch verschärft, da eigtl. jedes Großunternehmen mittlerweile 2-3 schlagkräftige GKs auf dem Panel hat und deshalb relativ leicht das Pferd wechseln kann, wenn es unzufrieden ist. Die Unzufriedenheit muss dabei keineswegs fachlichen Bezug haben (dürfte bei GKs nur selten begründet sein, die sind m.E. alle gleich gut oder schlecht). Das sind eher persönliche Animositäten oder Abrechnungsthemen. Der Erfolgsdruck für Partner ist extrem. Man kann es sich nicht erlauben, einen Mandanten zu vergraulen und auch ein gestandener Partner muss sich gerne mal von irgendeinem dahergelaufenen Emporkömmling aus der Rechtsabteilung oder dem internen M&A für Nichtigkeiten herunterputzen lassen und kann das nur buckelnd entgegennehmen.

Unterm Strich bleibt man also auch als der erfolgreichste Partner die Bitch des Mandanten. Es gibt nur noch ganz ganz wenige, die es sich erlauben können, da Rückgrat zu zeigen. Gleichzeitig muss man immer Sorge haben, auch ja genug Umsatz zu machen, um intern nicht angreifbar zu sein. Das führt einerseits zum Hamsterrad und andererseits zu wahnsinnigen Eitelkeiten bei den Partnern. Schau dich mal auf Linkedin um, was so ein durchschnittlicher GK-Partner da so postet. Da ist durch die Bank weg Fremdschämen angesagt: "Proud to be recognized as top tier ..." "Honored to be namend as top 500 in ... law" usw. Einfach nur peinlich, wie man sich da selbst anpreist, um irgendwie an Mandate zu kommen und die eigene Bedeutsamkeit zu polieren. Bisschen wie Straßenstrich...

Ich will die Leute gar nicht bashen, sie haben einen harten Job und fühlen sich in ihrer Welt sehr wohl. Das Selbstanpreisen ist zu gewissem Grade nur Selbsterhaltungstrieb. Das ist ok. Insgesamt stellt diese Welt für mich aber keine attraktive Aussicht dar. Ich bin nicht ehrgeizig genug, um mich auf Dauer zu motivieren, in einem derartigen Umfeld zu konkurrieren. Man steht im internen und externen Dauer-Wettbewerb. Das führt zu unglaublicher Wichtigtuerei auf allen Seiten.

In meiner Unternehmens-Zeit habe ich festgestellt, dass es dort ab einer gewissen Größe auch nicht viel anders ist. Zwar kann man die Kanzleien herumkommandieren, wenn man das für sinnvoll hält (ich nicht). Aber der interne Wettbewerb ist noch größer und die Wichtigtuerei damit ebenfalls. Manche Kollegen waren nur damit beschäftigt, ihre eigene Bedeutung im Unternehmen möglichst so aufzupolieren, dass das 80 % ihrer Arbeit einnahm. War also auch nichts für mich. Mir ist das regelrecht zuwider.

Natürlich gibt es auch jetzt in der Justiz einen gewissen internen Wettbewerb um Beförderungsämter. Man muss sich dem aber nicht beugen, sondern kann auch einfach sein Ding durchziehen und hat dennoch immer einen sehr spannenden, herausfordernden und verantwortungsvollen Job, der zudem noch sicher ist. Wird man eben nicht R2, das dürfte aber wenig ausmachen. Inhaltlich ergibt sich durch eine R2-Beförderung ohnehin kein großer Unterschied zur R1-Tätigkeit, solange man in erster Instanz bleibt. Es gibt halt jeden Monat 300,00 € mehr aufs Konto. Ich muss niemals vor irgendjemandem buckeln oder jemanden sonstwie umgarnen. Ich kann arbeiten wann ich will und entscheiden wie ich es für richtig halte. Der Fremdsteuerungsanteil ist in der Justiz so gering wie in keinem anderen (normalen) Beruf. Selbst ein Zetsche muss ständig irgendwo Rechenschaft ablegen. Ich nur vor dem Gesetz und mir selbst. Im "Gegenzug" sind Ausstattung, Arbeitsbedingungen und der Stundenlohn schlecht. Das ist mir persönlich aber nicht so wichtig, wie die anderen Punkte.
Du schreibst das jetzt irgendwie so, als ob es bemerkenswert wäre, dass man als Anwalt nunmal Verkäufer einer Dienstleistung ist und diese bzw. den Dienstleister entsprechend anpreisen muss. Wenn dir das zuwider ist, dann kannst du in der Tat in keinem Bereich der freien Wirtschaft tätig sein. Du bist immer von irgendwem Abhängig in jeder Branche. Also ja, wenn du nun in der Justiz bist, dann ist das nur konsequent.

Ich finde an den von dir benannten LinkedIn Posts gar nichts peinlich, Werbung gehört dazu, auch eine gewisse marktschreierische Art - du willst halt Leuten was andrehen. Mir persönlich macht gerade das unheimlich Spaß, wenn ich einem Mandaten zB noch eine Anschlussberatung oder einen Compliancelehrgang andrehen kann, an den er vorher gar nicht gedacht hat. Versteh mich nicht falsch, Partner würde ich auch nicht sein wollen, das ist mir einfach zu viel Arbeit. Aber wenn ich beruflich den ganzen Tag nur Jurakrams machen wollen würde, wäre ich eher in der Wissenschaft geblieben - so doll interessiert mich Jura aber dann doch wieder nicht :P (Und selbst in der Wissenschaft muss man sich vermarkten können, um die schönen Forschungsgelder zu bekommen).

Zu den Arbeitsbereichen: Da kann ich nur vom Kartellrecht sprechen, würde aber nicht unterschreiben, dass man dort pauschal länger arbeitet als in anderen Gebieten. Es kommt sehr darauf an, wie die Abteilung orientiert ist. Macht man viel Fusionskontrollrecht stimmt das wohl - da ist der Takt eher M&A ähnlich. Macht man aber viel Bußgelder, dann hat man auf der Gegenseite eine Behörde. Manchmal vertritt man auch die Behörde selbst, dann ist es noch entspannter, denn wenn beim Mandanten um 18 Uhr keiner mehr im Haus ist, ruft auch keiner mehr von da an. Aber wie gesagt, mir fehlen da wohl auch die Vergleichsmöglichkeiten. Kann nur sagen, dass es bei uns im Schnitt so 55 Wochenarbeitsstunden sind und das in etwa wohl dem Kanzleischnitt entspricht.
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von thh »

Kasimir hat geschrieben:Aber allein durch gute Leistung lässt sich (leider) keine erfolgreiche Anwaltskanzlei führen. Gut sind im Zweifel alle. Mandate wollen auch alle. Und Mandate und Umsatz kommen nunmal weder aus dem Fax noch aus der Steckdose.
Das sehe ich durchaus.

Aber gerade deshalb ist es doch richtig, wenn jemand, der das nicht kann oder nicht will, etwas anderes sucht.
Kasimir hat geschrieben:Wir leisten es uns als Gesellschaft bestimmte Bereiche des Staates (Justiz, Bildung etc.) leistungsunabhängig zu vergüten. Das ist richtig und sollte so bleiben. Es ist aber unredlich, wenn derjenige, der monatlich ein fixes Gehalt erhält, sich über diejenigen echauffiert, die jeden Monat darum kämpfen müssen, dass sie ihre Mitarbeiter, Büromiete etc. bezahlen und zugleich noch selbst noch Gewinn für sie übrig bleibt.
Echauffieren nicht. Sich sagen "das möchte ich nicht" aber schon.
Zuletzt geändert von thh am Montag 29. April 2019, 19:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Judy89 »

Vielen Dank für eure ausführlichen Beiträge. Insgesamt ist aber die forensische Arbeit in den geschilderten Bereichen eher gering, oder? Also gerade was prozesstaktische Überlegungen angeht oder Schriftsätze erstellen bzw. allgemein die juristische Arbeit in Zusammenhang mit Streitigkeiten, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist? Ist jemand im Bereich Litigation tätig?
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Vorhangauf »

Fyrion hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 16:40 Macht man viel Fusionskontrollrecht stimmt das wohl - da ist der Takt eher M&A ähnlich. Macht man aber viel Bußgelder, dann hat man auf der Gegenseite eine Behörde. Manchmal vertritt man auch die Behörde selbst, dann ist es noch entspannter.
Wird die Arbeit denn intern so klar verteilt? Ziehen nicht alle Partner umsatzhalber vorrangig die Fusionskontrollen an Land? Oder meinst du eher die Spezialisierung ganzer Kanzleien? - Will fragen, auf welcher Ebene ließe sich für den Anfänger eine taktisch kluge Wahl treffen? :8: Hätte erwartet, dass sich die dicken Brettern generell kaum umschiffen lassen (oder vielleicht allenfalls in Litigationboutiquen mit roten Kisten).
"You don’t have to have a cardinal measure of two things […] for them to be comparable […]. There may be no unit that measures the value of writing the Great American Novel and eating a slice of pizza, but the former could be better." Ruth Chang
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Liz »


Kasimir hat geschrieben:
EinHeinz hat geschrieben: Montag 29. April 2019, 10:19 Solar hat schlichtweg seine Wahrnehmung geschildert und ist zum Schluss gekommen, dass diese Form des Unternehmertum für ihn persönlich nichts ist. Das finde ich durchaus legitim.

Bei allen Bemühungen um Mandate und Umsatz muss man sich schon kritisch hinterfragen, ob es relevant ist, wenn man bei LinkedIn oben beschriebene Posts abgibt. Ich sehe diese durchaus regelmäßig. Neue Mandate wird man damit nicht akquirieren, die bisherigen wissen hoffentlich ohne so eine Selbstdarstellung, woran sie sind. Worin liegt also die Rechtfertigung - Stolz?
Es ging mir um Begriffe wie "Bitch des Mandanten" oder "Straßenstrich". Das ist meines Erachtens keine sachliche Schilderung der eigenen Wahrnehmung.
Nun ja, ein wenig Überspritzung sollte man Solar vielleicht als Stilmittel bei Schilderung seiner subjektiven Erfahrungen zugestehen. Und im Übrigen gebe ich zu bedenken, dass die Wahrnehmungen schlichtweg auch unterschiedlich sind. Der eine hat Spaß dran, dem Mandanten noch was zu verkaufen, was der nicht wirklich braucht; der Nächste fühlt sich schon ganz schlecht, wenn er nur daran denkt, dass er dem Mandanten eigentlich noch was aufschwatzen sollte, weil sonst die Zahlen nicht stimmen.
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