Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

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thh
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von thh »

Kasimir hat geschrieben: Dienstag 9. Juli 2019, 10:31Das ist in der Tat eine Standardausrede: "Das wird steurrechtiche Gründe haben."
"Datenschutzgründe" funktioniert erfahrungsgemäß oft noch besser.
stilzchenrumpel
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von stilzchenrumpel »

thh hat geschrieben: Dienstag 9. Juli 2019, 16:02
Kasimir hat geschrieben: Dienstag 9. Juli 2019, 10:31Das ist in der Tat eine Standardausrede: "Das wird steurrechtiche Gründe haben."
"Datenschutzgründe" funktioniert erfahrungsgemäß oft noch besser.
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jcoli
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von jcoli »

Solar hat geschrieben: Samstag 27. April 2019, 14:13
Judy89 hat geschrieben: Donnerstag 25. April 2019, 18:29 Hey,

hab jetzt schon ein bissel das Forum durchstöbert, bin aber noch nicht auf so wirkliche Erfahrungsberichte zur Arbeit in den Bereichen M&A und Kartellrecht und IP gekommen. Hat von Euch damit jemand Erfahrung? Hab jetzt schon gehört, dass die Arbeit gerade im M&A eher weniger typisch juristisch ist. Was kann ich mir denn darunter vorstellen? Sind die Bereiche sehr international verstrickt in der Art, dass ich mich regelmäßig außerhalb der nationalen und europäischen Rechtsordnung bewege? Mit welchen Aufgaben und Fragestellungen bekommt man es denn zu tun? Formuliert man überwiegend Gutachten oder erstellt man auch Schriftsätze i. R. von Verfahren? Mit der Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren hat man es in einer Großkanzlei wahrscheinlich weniger zu tun? Arbeitet man eher selbstverantwortlich und entscheidet selber oder ist es mehr so, dass man stets Rücksprache mit seinem Partner hält und dieser die Arbeiten quasi nur als Arbeitsgrundlage verwendet? Kann vielleicht auch jemand etwas zu den tatsächlichen Arbeitszeiten sagen?

Vielen Dank für Antworten :)
Ich war sowohl im IP als auch im Kartellrecht.

IP: Arbeitszeiten eher entspannt, sofern es Soft-IP ist. Dazu kommen im Vergleich zum Durchschnitt eher häufige Gerichtstermine. Weiterer Vorteil: Überschaubare, kleine Fälle, die wirtschaftlich nicht so brisant sind. D.h. man darf schon recht früh auch mal ans Steuer. Allerdings schlechte Karriereaussichten und es fühlt sich manchmal etwas seltsam an, wenn man um 19 Uhr das Köfferchen packt und nach Hause geht, während alle anderen noch schrubben. Die Umsätze sind eben bei weitem nicht so hoch wie beispielsweise im Kartellrecht oder M&A. War bei uns eher so ein Anhängsel. Die großen Brötchen wurden anderswo gebacken. Dafür hat man viel mit bekannten Marken und Designs zu tun, das kann ja auch nett sein. Wenn einem die beschränkte wirtschaftliche Bedeutung nichts ausmacht und man ohnehin in der GK nicht alt werden will, ist man aber im IP gut aufgehoben. Ist auch Hard-IP dabei oder das sogar der Schwerpunkt, sieht die Welt aber ganz anders aus: Hier viele große Verfahren, viel mehr wirtschaftliche Bedeutung.

Kartellrecht: Arbeitszeiten meist deutlich über dem Kanzlei-Schnitt. Allerdings auch relativ konstant, d.h. Berg- und Talfahrten, die es im M&A gibt, bleiben einem erspart und meist weiß man ungefähr, wann man nach Hause kommt. Wie überall ist das aber eine Frage der Organisation. Vorteile im Kartellrecht: Man arbeitet meist an den lukrativsten Mandaten der Kanzlei, macht schon frühzeitig sehr gute Umsätze und hat schnell einen guten Stand im Haus. Traditionell eher weniger klassische Anwaltsarbeit, d.h. wenig im Gericht. Das hat mit den Schadensersatzprozessen aber nun erheblich zugenommen, ich hatte aber nie einen. Es ist viel Beratungstätigkeit und viel Arbeit auf europäischer Ebene, z.B. Verhandlungen mit der EU Kommission etwa zu Fusionskontrollen und Bußgeldverfahren. Man arbeitet vornehmlich mit EU-Recht und deutschem Recht. Die Arbeit ist durchaus auch international geprägt. Das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge ist sehr wichtig, da es häufig um die wirtschaftliche Bewertung eines Marktes geht (Marktabgrenzung usw.). Häufig sind die Mandanten globale Giganten, das schadet natürlich auch nicht für das berufliche Netzwerk. Und was ich am schönsten fand: die internen Ermittlungen und dergleichen. Hier ist man schnell vor Ort in Interviews oder bei Durchsuchungen dabei. Das ist sehr abwechslungsreich und man kommt rum. Das Rechtsgebiet an sich ist aber nicht ganz einfach im Vergleich zu anderen. Verantwortung lässt im Kartellrecht aufgrund der monströsen Mandate meist lange auf sich warten. Außer in Ausnahmefällen (hängt sehr vom zuständigen Partner ab) und in Schadensersatzverfahren dürfte wirkliche Verantwortung frühestens auf der Senior-Ebene folgen.

M&A habe ich selbst nie gemacht aber ich hatte immer den Eindruck, dass hier hauptsächlich verhandelt und organisiert wird. Die eigentlich rechtliche Arbeit wurde an die Fachabteilungen delegiert. Sehr früh viel Verantwortung und persönlicher Kontakt mit Mandanten. Viel Reisetätigkeit, sehr wechselnde Arbeitsbelastung und -zeiten. Wenn jemand um 4 Uhr morgens noch arbeitet, ist es meist ein M&A-ler (weil der Deal kurz vor dem Abschluss steht). Wenn jemand um 15 Uhr nach Hause geht, auch (weil gerade kein Deal ansteht). Fände ich latent anstrengend. Bei uns bestand ein regelrechter Schwarzmarkt, bei dem M&A-ler ständig irgendwelche Konzertkarten oder sonstige Buchungen für das WE intern verscherbeln wollten, da ihnen mal wieder ein WE geplatzt war. Im Kartellrecht haben wir auch häufig am WE Stunden geballert aber das wussten wir schon ausreichend lange zuvor.

Je nachdem, was du für ein Typ bist, kannst du nun Tor 1, 2 oder 3 wählen. Haben alle was für und gegen sich. Ich war mit Kartellrecht ganz glücklich.

Auch ich bedanke mich für diese ausführliche Darstellung, da sich mir zZt ähnliche Fragen stellen wie dem Threadersteller.

Meinst Du denn, diese strukturellen Probleme der GK stellen sich auch in einer kleinen Einheit?
Bei mir schwankt es auch zwischen IP und KartellR. Zumindest Soft-IP und UWG gehen mir sehr leicht von der Hand, kommt mir aber etwas "sinnentleert" vor, da finde ich die wirtschaftspolitischen Fragen im Wettbewerbsrecht oder auch Beihilferecht doch spannender. Außerdem hätte ich zwar Spaß an Schriftsätzen oÄ, aber im Endeffekt will ich gerne möglichst nah am wissenschaftlichen Arbeiten sein - Stellungnahmen usw. Finde "Backoffice"-Aktivitäten und Recherche überhaupt nicht wirklich tragisch, Hauptsache wenig Unternehmertum.
In GK und Unternehmen würde ich aus den von dir beschriebenen Gründen aber keine zwei Jahre aushalten glaube ich. Die 3-4 Mann Kanzlei, die ich kennengelernt habe, ist eine klassische Boutique für ÖffWiR - auch lange Arbeitszeiten, aber das fühlt sich eher an wie ein Kumpeltrupp Nerds.
Insofern hat das ein neueres, positiveres Licht auf den Anwaltsberuf für mich geworfen. Wobei ich im Kartell/Beihilferecht bisher nichts derartiges gesehen habe (zumindest nicht nach Internet- und Zeitschriftenrecherche - liegt vielleicht an den umfangreichen Sachverhalten? Ausnahmen: Alte GK Veteranen, die mE wohl eh nicht mehr arbeiten müssten und wahrscheinlich die halbe Branche persönlich kennen.
Habe mich gefragt, ob man sich nicht an der Schnittstelle iwie spezialisieren könnte, sprich Kooperationsverträge etc. und den Transaktionskram (zB die Fusionskontrolle) möglichst vermeidet. Dann so schnell wie möglich sein eigenes Ding mit ein zwei Kollegen, die ähnlich ticken und auch nicht hoch hinaus wollen, so dass die Arbeitsbelastung etwas im Rahmen bleibt.

Letztendlich bleiben in beiden Bereichen ja noch super Alternativen: BmWi, GTAI, DPMA, Justiz.. Aber bei der Fachfrage schwanke ich ununterbrochen hin und her. Würde mich freuen, wenn hier jemand etwas konkreteres zur "Technik" in verschiedenen Rechtsgebieten sagen könnte, was ja teilweise mit dem Vergleich zwischen mehr und weniger Litigation getan wurde :) Ich finde zB verwaltungsrechtliche, mMn unsystematische Normengefüge zB relativ anstrengend, stehe auf Zurechnungsfragen ausm AT kram oder eben "Schätzfragen" wie Verwechslungsgefahr im MarkenR oder eignung zur täuschung etc. Bloß nicht durch zig Ketten hangeln, lieber etwas mehr hintergrundwissen abladen :D

Vielleicht noch ein Beitrag meinerseits, der dem Threadersteller helfen könnte: Schon ein paar Dinge ausprobiert? Ich bin nach einem Monat wiss. Mitarbeiter und einem Monat Praktikum bei einem OLG doch um einiges weitergekommen (So hatte ich Richter und Anwalt im Studium immer gänzlich ausgeschlossen,während beides mir jetzt zumindest als tatsächliche Option erscheint, sofern ich im Ref merke, dass klassische Behördenstrukturen abseits der Justiz nichts für mich sind, was ich vermute.)
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von spotlessmind »

jcoli hat geschrieben: Samstag 31. August 2019, 21:58
Solar hat geschrieben: Samstag 27. April 2019, 14:13
Judy89 hat geschrieben: Donnerstag 25. April 2019, 18:29 dem Threadersteller.

Bei mir schwankt es auch zwischen IP und KartellR. Zumindest Soft-IP und UWG gehen mir sehr leicht von der Hand, kommt mir aber etwas "sinnentleert" vor, da finde ich die wirtschaftspolitischen Fragen im Wettbewerbsrecht oder auch Beihilferecht doch spannender.
Ja, mach bitte kein IP/UWG, wenn dir das nach eigener Einschätzung bereits im Ref "leicht von der Hand geht".. Auf Berufsanfänger mit einem so "gesunden Selbstbewusstsein" können die Kollegen glaube ich gerne verzichten ;)
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von spotlessmind »

jcoli hat geschrieben: Samstag 31. August 2019, 21:58
Solar hat geschrieben: Samstag 27. April 2019, 14:13
Judy89 hat geschrieben: Donnerstag 25. April 2019, 18:29 dem Threadersteller.

Bei mir schwankt es auch zwischen IP und KartellR. Zumindest Soft-IP und UWG gehen mir sehr leicht von der Hand, kommt mir aber etwas "sinnentleert" vor, da finde ich die wirtschaftspolitischen Fragen im Wettbewerbsrecht oder auch Beihilferecht doch spannender.

Ja, mach bitte kein IP/UWG, wenn dir das nach eigener Einschätzung bereits im Ref "leicht von der Hand geht".. Auf Berufsanfänger mit einem so "gesunden Selbstbewusstsein" können die Kollegen glaube ich gerne verzichten ;)
Kasimir
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Kasimir »

jcoli hat geschrieben: Samstag 31. August 2019, 21:58
Solar hat geschrieben: Samstag 27. April 2019, 14:13
Judy89 hat geschrieben: Donnerstag 25. April 2019, 18:29 Hey,

hab jetzt schon ein bissel das Forum durchstöbert, bin aber noch nicht auf so wirkliche Erfahrungsberichte zur Arbeit in den Bereichen M&A und Kartellrecht und IP gekommen. Hat von Euch damit jemand Erfahrung? Hab jetzt schon gehört, dass die Arbeit gerade im M&A eher weniger typisch juristisch ist. Was kann ich mir denn darunter vorstellen? Sind die Bereiche sehr international verstrickt in der Art, dass ich mich regelmäßig außerhalb der nationalen und europäischen Rechtsordnung bewege? Mit welchen Aufgaben und Fragestellungen bekommt man es denn zu tun? Formuliert man überwiegend Gutachten oder erstellt man auch Schriftsätze i. R. von Verfahren? Mit der Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren hat man es in einer Großkanzlei wahrscheinlich weniger zu tun? Arbeitet man eher selbstverantwortlich und entscheidet selber oder ist es mehr so, dass man stets Rücksprache mit seinem Partner hält und dieser die Arbeiten quasi nur als Arbeitsgrundlage verwendet? Kann vielleicht auch jemand etwas zu den tatsächlichen Arbeitszeiten sagen?

Vielen Dank für Antworten :)
Ich war sowohl im IP als auch im Kartellrecht.

IP: Arbeitszeiten eher entspannt, sofern es Soft-IP ist. Dazu kommen im Vergleich zum Durchschnitt eher häufige Gerichtstermine. Weiterer Vorteil: Überschaubare, kleine Fälle, die wirtschaftlich nicht so brisant sind. D.h. man darf schon recht früh auch mal ans Steuer. Allerdings schlechte Karriereaussichten und es fühlt sich manchmal etwas seltsam an, wenn man um 19 Uhr das Köfferchen packt und nach Hause geht, während alle anderen noch schrubben. Die Umsätze sind eben bei weitem nicht so hoch wie beispielsweise im Kartellrecht oder M&A. War bei uns eher so ein Anhängsel. Die großen Brötchen wurden anderswo gebacken. Dafür hat man viel mit bekannten Marken und Designs zu tun, das kann ja auch nett sein. Wenn einem die beschränkte wirtschaftliche Bedeutung nichts ausmacht und man ohnehin in der GK nicht alt werden will, ist man aber im IP gut aufgehoben. Ist auch Hard-IP dabei oder das sogar der Schwerpunkt, sieht die Welt aber ganz anders aus: Hier viele große Verfahren, viel mehr wirtschaftliche Bedeutung.

Kartellrecht: Arbeitszeiten meist deutlich über dem Kanzlei-Schnitt. Allerdings auch relativ konstant, d.h. Berg- und Talfahrten, die es im M&A gibt, bleiben einem erspart und meist weiß man ungefähr, wann man nach Hause kommt. Wie überall ist das aber eine Frage der Organisation. Vorteile im Kartellrecht: Man arbeitet meist an den lukrativsten Mandaten der Kanzlei, macht schon frühzeitig sehr gute Umsätze und hat schnell einen guten Stand im Haus. Traditionell eher weniger klassische Anwaltsarbeit, d.h. wenig im Gericht. Das hat mit den Schadensersatzprozessen aber nun erheblich zugenommen, ich hatte aber nie einen. Es ist viel Beratungstätigkeit und viel Arbeit auf europäischer Ebene, z.B. Verhandlungen mit der EU Kommission etwa zu Fusionskontrollen und Bußgeldverfahren. Man arbeitet vornehmlich mit EU-Recht und deutschem Recht. Die Arbeit ist durchaus auch international geprägt. Das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge ist sehr wichtig, da es häufig um die wirtschaftliche Bewertung eines Marktes geht (Marktabgrenzung usw.). Häufig sind die Mandanten globale Giganten, das schadet natürlich auch nicht für das berufliche Netzwerk. Und was ich am schönsten fand: die internen Ermittlungen und dergleichen. Hier ist man schnell vor Ort in Interviews oder bei Durchsuchungen dabei. Das ist sehr abwechslungsreich und man kommt rum. Das Rechtsgebiet an sich ist aber nicht ganz einfach im Vergleich zu anderen. Verantwortung lässt im Kartellrecht aufgrund der monströsen Mandate meist lange auf sich warten. Außer in Ausnahmefällen (hängt sehr vom zuständigen Partner ab) und in Schadensersatzverfahren dürfte wirkliche Verantwortung frühestens auf der Senior-Ebene folgen.

M&A habe ich selbst nie gemacht aber ich hatte immer den Eindruck, dass hier hauptsächlich verhandelt und organisiert wird. Die eigentlich rechtliche Arbeit wurde an die Fachabteilungen delegiert. Sehr früh viel Verantwortung und persönlicher Kontakt mit Mandanten. Viel Reisetätigkeit, sehr wechselnde Arbeitsbelastung und -zeiten. Wenn jemand um 4 Uhr morgens noch arbeitet, ist es meist ein M&A-ler (weil der Deal kurz vor dem Abschluss steht). Wenn jemand um 15 Uhr nach Hause geht, auch (weil gerade kein Deal ansteht). Fände ich latent anstrengend. Bei uns bestand ein regelrechter Schwarzmarkt, bei dem M&A-ler ständig irgendwelche Konzertkarten oder sonstige Buchungen für das WE intern verscherbeln wollten, da ihnen mal wieder ein WE geplatzt war. Im Kartellrecht haben wir auch häufig am WE Stunden geballert aber das wussten wir schon ausreichend lange zuvor.

Je nachdem, was du für ein Typ bist, kannst du nun Tor 1, 2 oder 3 wählen. Haben alle was für und gegen sich. Ich war mit Kartellrecht ganz glücklich.

Auch ich bedanke mich für diese ausführliche Darstellung, da sich mir zZt ähnliche Fragen stellen wie dem Threadersteller.

Meinst Du denn, diese strukturellen Probleme der GK stellen sich auch in einer kleinen Einheit?
Bei mir schwankt es auch zwischen IP und KartellR. Zumindest Soft-IP und UWG gehen mir sehr leicht von der Hand, kommt mir aber etwas "sinnentleert" vor, da finde ich die wirtschaftspolitischen Fragen im Wettbewerbsrecht oder auch Beihilferecht doch spannender. Außerdem hätte ich zwar Spaß an Schriftsätzen oÄ, aber im Endeffekt will ich gerne möglichst nah am wissenschaftlichen Arbeiten sein - Stellungnahmen usw. Finde "Backoffice"-Aktivitäten und Recherche überhaupt nicht wirklich tragisch, Hauptsache wenig Unternehmertum.
In GK und Unternehmen würde ich aus den von dir beschriebenen Gründen aber keine zwei Jahre aushalten glaube ich. Die 3-4 Mann Kanzlei, die ich kennengelernt habe, ist eine klassische Boutique für ÖffWiR - auch lange Arbeitszeiten, aber das fühlt sich eher an wie ein Kumpeltrupp Nerds.
Insofern hat das ein neueres, positiveres Licht auf den Anwaltsberuf für mich geworfen. Wobei ich im Kartell/Beihilferecht bisher nichts derartiges gesehen habe (zumindest nicht nach Internet- und Zeitschriftenrecherche - liegt vielleicht an den umfangreichen Sachverhalten? Ausnahmen: Alte GK Veteranen, die mE wohl eh nicht mehr arbeiten müssten und wahrscheinlich die halbe Branche persönlich kennen.
Habe mich gefragt, ob man sich nicht an der Schnittstelle iwie spezialisieren könnte, sprich Kooperationsverträge etc. und den Transaktionskram (zB die Fusionskontrolle) möglichst vermeidet. Dann so schnell wie möglich sein eigenes Ding mit ein zwei Kollegen, die ähnlich ticken und auch nicht hoch hinaus wollen, so dass die Arbeitsbelastung etwas im Rahmen bleibt.

Letztendlich bleiben in beiden Bereichen ja noch super Alternativen: BmWi, GTAI, DPMA, Justiz.. Aber bei der Fachfrage schwanke ich ununterbrochen hin und her. Würde mich freuen, wenn hier jemand etwas konkreteres zur "Technik" in verschiedenen Rechtsgebieten sagen könnte, was ja teilweise mit dem Vergleich zwischen mehr und weniger Litigation getan wurde :) Ich finde zB verwaltungsrechtliche, mMn unsystematische Normengefüge zB relativ anstrengend, stehe auf Zurechnungsfragen ausm AT kram oder eben "Schätzfragen" wie Verwechslungsgefahr im MarkenR oder eignung zur täuschung etc. Bloß nicht durch zig Ketten hangeln, lieber etwas mehr hintergrundwissen abladen :D

Vielleicht noch ein Beitrag meinerseits, der dem Threadersteller helfen könnte: Schon ein paar Dinge ausprobiert? Ich bin nach einem Monat wiss. Mitarbeiter und einem Monat Praktikum bei einem OLG doch um einiges weitergekommen (So hatte ich Richter und Anwalt im Studium immer gänzlich ausgeschlossen,während beides mir jetzt zumindest als tatsächliche Option erscheint, sofern ich im Ref merke, dass klassische Behördenstrukturen abseits der Justiz nichts für mich sind, was ich vermute.)
Das scheint mir eine denkbar ungünstige Voraussetzung für den Anwaltsberuf zu sein.
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von jcoli »

spotlessmind hat geschrieben: Montag 2. September 2019, 11:59
Ja, mach bitte kein IP/UWG, wenn dir das nach eigener Einschätzung bereits im Ref "leicht von der Hand geht".. Auf Berufsanfänger mit einem so "gesunden Selbstbewusstsein" können die Kollegen glaube ich gerne verzichten ;)
Ach herrje, da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt, wenn das echt die naheliegendste Interpretation sein sollte...tut mir leid. Ich ergänze es gerne um "vergleichsweise" oder "Einarbeiten fiel mir leichter als im Energierecht oder im KartellR oder.." oder xyz
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Solar
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von Solar »

Mit wenig Unternehmertum wirst du vor allem bei einer kleinen Einheit nicht durchkommen. Das ist vor allem dort ein ganz wesentlicher Teil der Job-Beschreibung. So etwas lässt sich nur beim Staat oder in einer GK (und dort auch nur bedingt) vermeiden.

Ansonsten kann ich zur Ausgestaltung der Bereiche IP/Kartellrecht in kleinen Kanzleien wenig sagen. Im Kartellrecht sind erfolgreiche kleine Einheiten selten. Buntscheck wäre z.B. eine Option oder BRP, Commeo, Haver Mailänder oder Oppenländer (letztere aber schon eher mittelgroß). Man darf einfach nicht vergessen, dass im Kartellrecht häufig große Teams gefordert sind sowie Erfahrung der Anwälte auf allen Seiten. Zudem geht es häufig (aber nicht immer) um enorme wirtschaftliche Risiken. Da greift man als Unternehmen im Zweifel lieber zu den großen Playern, die die erforderliche Erfahrung und Manpower haben. Lediglich im Bereich Vertragsgestaltung (Forschung & Entwicklung, Vertrieb) und Compliance für kleinere Unternehmen (Schulungen etc.) lässt sich da i.d.R. durch kleine Einheiten ernsthaft Geld verdienen. Bußgeldverfahren dürften eher selten sein. Wenn ich ein Unternehmer wäre, gegen das bspw. ein europäisches Bußgeldverfahren eingeleitet wurde, will ich, dass meine Anwälte die Kommission gut kennen, schon zahlreiche solche Verfahren durchgezogen haben, Lobby-Kontakte haben und schon mehrfach vor den europäischen Gerichten aufgetreten sind. Das ist bei den Boutiquen eher selten der Fall.

Zu Beihilfe kann ich nichts sagen.

Im IP gibt es hingegen zahlreiche kleinere Kanzleien, da dürfte es nicht all zu schwer werden, etwas zu finden. Allerdings ist das ein Zweig, der sehr von der wirtschaftlichen Gesamtlage abhängt. Sind die Zeiten schlecht und das Geld knapp, wird ein Unternehmen als erstes an UWG- oder Marken-/Designprozessen sparen, da sich hiermit meist kein Geld verdienen lässt, sondern man lediglich den Wettbewerb ärgern kann. In klammen Zeiten (die nun möglicherweise wieder vor der Tür stehen), konzentriert man die Legal-Ausgaben eher auf existentielle Dinge. Das sollte bei der Karriere-Planung bedacht werden.

In der Justiz kann man bei entsprechendem Interesse auf jeden Fall irgendwann im Kartellrecht oder IP landen. Betonung liebt aber zum einen auf "irgendwann" (d.h. das kann locker 10 Jahre oder mehr dauern) und zum anderen finden die wirklich spannenden Dinge im Kartellrecht meist nicht bei der Justiz statt (außer in Düsseldorf und gelegentlich in Mannheim). An den üblichen Gerichten hat man hauptsächlich mit Schadensersatzklagen zu tun und die will man als Richter nun wirklich nicht haben...
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Re: Arbeit in Großkanzlei im Bereich M&A und Kartellrecht und IP

Beitrag von jcoli »

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Ja, diese "Ungewissheiten" in der Justiz halten mich bisher auch vom Gedanken ab (OLG Düsseldorf kann man ja nicht eben planen :D). Die damit verbundene Unabhängigkeit hingegen ist vllt unbezahlbar..auch im Vergleich zur Verwaltung.

Nach den bisherigen Antworten habe ich den Eindruck, dass ich mir noch eine Kanzlei im IP anschauen sollte. Wenn das nichts für mich ist, ist EU-Wettbewerbsrecht auf den ersten Blick wohl breiter gefächert, solange ich noch zw Staat/ Justiz/ Wirtschaft (Wissenschaft ist ja leider sehr unwahrscheinlich) zu entscheiden habe.

Zum Schadensersatz: Stimmt wohl, mich haben schon Standard-Rechenfragen bei Belieferungsansprüchen genervt😅
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