Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

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Tibor
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von Tibor »

guardini hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 09:14 Mir ist - von einer Vertretungs-GS - gesagt worden, ich "störe den Dienstablauf", weil ich zu einer Akte noch eine knappe mündliche Bemerkung abgeben wollte und sie daher persönlich überbracht habe. So unterschiedlich sind die Mentalitäten...
Das ist natürlich immer schwierig, weil die GS dann adhoc prüfen muss, ob sie sich was notieren muss.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von guardini »

Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 10:59
guardini hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 09:14 Mir ist - von einer Vertretungs-GS - gesagt worden, ich "störe den Dienstablauf", weil ich zu einer Akte noch eine knappe mündliche Bemerkung abgeben wollte und sie daher persönlich überbracht habe. So unterschiedlich sind die Mentalitäten...
Das ist natürlich immer schwierig, weil die GS dann adhoc prüfen muss, ob sie sich was notieren muss.
Es ist schon ein bisschen her, deswegen kann ich leider nicht mehr genau rekonstruieren, worum es in der Sache ging. Aber selbst wenn sich die GS dann etwas - Kurzes (!) - hätte notieren müssen, fände ich das zumutbar. Mein Erfahrung ist, dass ein geschriebener Hinweis entweder so ausführlich und reitraubend gerät, dass ich ihn nicht mehr verfassen will, oder sehr fehleranfällig in der Umsetzung ist. Bevor es dann zu Fragen oder nachträglichen Korrekturen kommt, finde ich es für beide Seiten angenehmer, zwei Sätze zu sagen und eine Nachfrage sofort beantworten zu können. Die Stamm-GS sieht es jedenfalls auch so.
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thh
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 08:05
thh hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 07:22 Hier holt man sich - bei der StA wie an den Gerichten - die Akten natürlich selbst von der Geschäftsstelle und bringt sie auch wieder zurück - sinnvollerweise.
Das ist nur "natürlich", wenn vorher in der Justiz der einfache/mittlere Dienst kaputt gespart worden ist.
Nein, das ist das Ergebnis einer Effizienzuntersuchung durch ein Beratungsunternehmen - und das Ergebnis ist auch richtig.

Die Geschäftsstellen wurden räumlich mit den Organisationseinheiten zusammengelegt, für die sie tätig sind, also mit der jeweiligen Kammer oder bei der Staatsanwaltschaft mit den jeweiligen Dezernenten der Abteilung. Das Büro ist also manchmal direkt gegenüber oder daneben, allenfalls ein paar Schritte entfernt. Es ist völlig überflüssig, jemanden damit zu beschäftigen, Akten über diese geringe Strecke zu tragen, weil es unter der Würde eines "Volljuristen" ist, das selbst zu tun.

Wenn ich mir einen Kaffee holen kann, kann ich auch meine Akten holen, und wenn ich ein so konzentrierter Arbeiter bin, dass ich keine Zigaretten-, Kaffee-, Gesprächs- oder Mittagspausen habe, dann hole ich eben morgens beim Kommen die Akten und bringe sie abends beim Gehen zurück.

Meistens schaue ich so aber ein paarmal pro Tag auf der Geschäftsstelle vorbei, man redet miteinander und der Kontakt ist eng und gut. Das ist der Arbeit förderlich.
Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 08:05Grundsätzlich ist es gerade nicht Aufgabe des höheren Dienstes die Akten zum jeweiligen Bestimmungsort zu bringen. Sinnvoll ist das auch nur für ein paar Akten, eben für eilige Akten. Das Gros der Akten bedarf gerade keine schnelle und direkte Weiterleitung durch körperliche Betätigung eines Volljuristen.
Wer sich als Volljurist aus grundsätzlichen Erwägungen zu schade ist, seine Akten über ein paar Meter selbst zu tragen, und deshalb jemanden braucht, der ihm das tut, tut mir einigermaßen leid.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von sai »

Wer sich als Volljurist aus grundsätzlichen Erwägungen zu schade ist, seine Akten über ein paar Meter selbst zu tragen, und deshalb jemanden braucht, der ihm das tut, tut mir einigermaßen leid.
Man muss sich allerdings auch klar machen, dass - insbesondere mit der Erweiterung der eAkte - für die Boten/Wachtmeister etc. Großteile der täglichen Arbeit wegbrechen. Das ist nicht nur demotivierend, sondern wird letztlich dazu führen, dass man sie entweder gar nicht mehr, jedenfalls aber nur noch in reduzierter Zahl braucht. Wenn man (=Gerichtsverwaltung) ihnen dann Aufgaben wie derzeit etwa noch den Transport von Akten übertragen kann, sollte man das tun. Das hat nichts damit zu tun, sich als Richter zu fein zu sein, Akten zu schleppen.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von Tibor »

thh hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 11:22 Die Geschäftsstellen wurden räumlich mit den Organisationseinheiten zusammengelegt, für die sie tätig sind,[...]. Das Büro ist also manchmal direkt gegenüber oder daneben, allenfalls ein paar Schritte entfernt.
Das ist gerade nicht zwingend und überall der Fall.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von Tibor »

thh hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 11:22
Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 08:05Grundsätzlich ist es gerade nicht Aufgabe des höheren Dienstes die Akten zum jeweiligen Bestimmungsort zu bringen.
Wer sich als Volljurist aus grundsätzlichen Erwägungen zu schade ist, seine Akten über ein paar Meter selbst zu tragen, und deshalb jemanden braucht, der ihm das tut, tut mir einigermaßen leid.
Anderer Blickwinkel: Wachtmeister X (54 Jahre alt) ist am kleinen LG Hintertupfingen beschäftigt. Der Eingangsbereich ist bereits durch eine Sicherheitsanlage organisiert, weil es vor 3 Jahren mal zu einem umfangreichen Prozess aus dem "Millieu" gekommen war. Post kommt kaum noch in der Poststelle an, weil BeA-Nachrichten der Anwälte und Faxe direkt in die GSt kommen. Nun gibt es aber Gott sei Dank noch Papierakten und etwas zu tun für X. X hat Angst, dass am LG bald keine Stelle mehr für ihn da ist und er täglich 80km zur nächsten JVA fahren muss, um dort im Vollzug zu arbeiten. Da fingen am LG gerade zwei neue Proberichter und ein aufs Land verzogener städtischer Schnösel an und bringen nun die Akten selbst von einem Zimmer zum anderen. Nicht nur, dass sie mit ihren 50h-Wochen die Statistik der alten Richter zerschießen und diese schon grummeln, jetzt nehmen sie auch noch ihm, dem X, die Arbeit weg, weil er immer weniger laufen muss. Dabei hat er seinerzeit (Schulabgang 1981, Hauptschule) gerade mal eine Lehre als Postbote gemacht. Er weiß gar nicht, was er sonst tun sollte. Der Wechsel von der Bundespost in die Justiz 1987 war nur sinnvoll, weil er so eine kleine Zulage bekam und der Aufstieg von A3 bis zu A5 in greifbarer Nähe rückte. Jetzt ist er schon ewig A5 und Endstufe, verdient seine 2.700 Brutto und kommt damit gut zu recht. Aber jetzt noch jeden Tag 160km auf die Autobahn zur JVA? Wovon soll er das bezahlen. Auf einmal doch wieder Waffe tragen? Können diese blöden Richter nicht einfach ihn die Akten tragen lassen. Vielleicht gibt es ja noch 10 Jahre Papierakten, bis er mit Abschlägen in Pension kann.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von famulus »

Darum kann es der Verwaltung aber nicht gehen, weil für sie gesetzliche Verpflichtungen zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gelten.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von Tibor »

famulus hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 11:58 Darum kann es der Verwaltung aber nicht gehen, weil für sie gesetzliche Verpflichtungen zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gelten.
Natürlich, im Großen und Ganzen. Aber man darf vor lauter Effizienzsteigerung nicht die einzelne Person aus dem Blickwinkel verlieren. Wie groß ist in meinem gedachten LG der Effizienzgewinn, wenn nun die Richter für 10 Jahre bis zur Pensionsgrenze von X Papierakten selbst tragen? Der Richter sind ggf. etwas gesünder, weil sie sich mehr bewegen. Tatsächlich verbrauchen aber 20 Richter dann eben genau eine Arbeitskrafteinheit für nicht richterliche Tätigkeit, also jeder jede Woche eine halbe Stunde. Zugleich gibt man dem Effizienzaffen Zucker. Irgendwann erkennt man auch, dass der Richter ja nicht nur Schreiben verfügen könnte und Urteile zeichnet, er könnte ja auch gleich alles Versandfertig machen und die zwei Ausfertigungen fallen doch von ganz allein aus dem Drucker. Mit der eAkte machen Richter ja eh alles ganz allein. Signatur und Zack. Wäre es nur so; fraglich ist, wieviel Mehrblastung bei den Richtern liegen bleibt, wenn man dann noch diese oder jede "nichtrichterliche" Tätigkeit übernimmt. Man muss sich vor lauter Effizienzideen auch fragen, warum in der kapitalistisch auf Gewinnmaximierung getrimmten Privatwirtschaft selbst in Anwaltskanzleien sowas wie "Unterbau" vorhanden ist? Könnte es ggf. effizienter sein, wenn die Sekretärin den Briefumschlag öffnet, die Akte raussucht und dem Anwalt auf einen Stapel tut, die fertige Arbeit holt, das Schreiben hübsch macht und versendet, wenn sie Fristen überwacht, Vorlagen und Termine organisiert? Aber in der Justiz wäre natürlich die Einsparung einzelner Stellen "effizienter"?
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von halb eins »

Ich räume mein Geschirr auch nie in die Spüle...nachher nehme ich noch der Putzfrau die Arbeit weg.
I would prefer not to.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von Freedom »

halb eins hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 12:34 Ich räume mein Geschirr auch nie in die Spüle...nachher nehme ich noch der Putzfrau die Arbeit weg.
Mit dem Argument schmiss mal jemand den ich flüchtig kannte beim Laufen durch die Innenstadt seinen Müll einfach auf die Strasse.

Kennt ihr schon den:
Sitzt der Obdachlose Angeklagte vor dem Richter.
"Was machen sie beruflich"?
"Ich bin Arbeitgeber"
"haha, sehr witzig. Wem geben sie denn bitte schon Arbeit?"
"Na Ihnen".
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 11:32
thh hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 11:22 Die Geschäftsstellen wurden räumlich mit den Organisationseinheiten zusammengelegt, für die sie tätig sind,[...]. Das Büro ist also manchmal direkt gegenüber oder daneben, allenfalls ein paar Schritte entfernt.
Das ist gerade nicht zwingend und überall der Fall.
Wo das nicht der Fall ist, wird es in der Regel auch einen Zu- und Abtrag durch Wachtmeister geben. Beides kann sinnvoll sein. - Ich finde persönlich die nahe räumliche Zuordnung sehr vorteilhaft, auch wenn ich dann meine Akten tatsächlich selber tragen muss.

Über weitere Strecken - also bspw. zwischen Abteilungen - erfolgt der Aktenumlauf natürlich weiter durch Wachtmeister; das dauert eben auch. Wenn 2-3x täglich Post kommt und geholt wird und natürlich der Auslauf der Geschäftsstelle erst einmal zur Poststelle geht, bevor er von dort der Geschäftsstelle der anderen Abteilung zugeht, kann da mal ein Tag ins Land gehen, um eine Akte ans andere Ende des Flures zu befördern.
Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 09:09Man muss sich ja nur das klassische Tätigkeitsfeld des einfachen Dienstes klar machen:
Die stärksten Gruppen des einfachen Dienstes sind bzw. waren Wachtmeisterdienste des Justizwachtmeisterdienstes und der Zollverwaltung (läuft seit 2005 aus), Tätigkeiten in der arbeitsvorbereitenden, allgemeinen Verwaltung (Amtsboten, Amtsgehilfen) und vor allem Tätigkeiten in den Betriebsverwaltungen von Bahn und Post (Postbote, Schrankenwärter, Schaffner, Busfahrer, Kontroll- und Aufsichtsdienst in öffentlichen Nahverkehr).
https://de.wikipedia.org/wiki/Einfacher_Dienst
Dafür findet sich halt kaum noch jemand - für das Gehalt (Besoldungsgruppe A1-A4). Stattdessen hat man sich hier entschlossen, zumindest viele Wachtmeister insbesondere für Aufgaben im Sicherheits- und Ordnungsdienst weiterzuqualifizieren (und entsprechende zentrale Gruppen nur für solche Aufgaben zusätzlich zu schaffen) und so dann die Beförderung in den mittleren Dienst zu ermöglichen.

Man muss auch sehen, dass ein Großteil der Aufgaben sich mit der elektronischen Akten ändern (Poststelle) oder ganz entfallen (Postumlauf) wird. Es macht daher wenig Sinn, dafür im Jahr 2019 noch zusätzliches Personal vorzuhalten.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 11:43Anderer Blickwinkel: Wachtmeister X (54 Jahre alt) ist am kleinen LG Hintertupfingen beschäftigt. Der Eingangsbereich ist bereits durch eine Sicherheitsanlage organisiert, weil es vor 3 Jahren mal zu einem umfangreichen Prozess aus dem "Millieu" gekommen war. Post kommt kaum noch in der Poststelle an, weil BeA-Nachrichten der Anwälte und Faxe direkt in die GSt kommen. Nun gibt es aber Gott sei Dank noch Papierakten und etwas zu tun für X. X hat Angst, dass am LG bald keine Stelle mehr für ihn da ist und er täglich 80km zur nächsten JVA fahren muss, um dort im Vollzug zu arbeiten. Da fingen am LG gerade zwei neue Proberichter und ein aufs Land verzogener städtischer Schnösel an und bringen nun die Akten selbst von einem Zimmer zum anderen.
Zum einen darf staatliche Organisation nicht unter dem Blickwinkel erfolgen, dass bisherige Stellen erhalten bleiben, auch wenn sie faktisch nicht mehr benötigt wird.

Zum anderen ist das Thema hier bereits lange und durchaus beabsichtigt durch: man hat sich vor mehr als zwei Jahrzehnten entschieden, die Strukturen so zu ändern, dass unnötige Aktenumläufe minimiert werden, indem man Geschäftsstellen und Schreibdienst - soweit das nicht multifunktional wahrgenommen wird - dezentralisiert. Die Akte wird also nicht vom Wachtmeister aus dem Dezernenten-/Richterzimmer auf die Geschäftsstelle getragen, von da dann später zur Poststelle, von da dann später zur zentralen Schreibkanzlei, von da dann später wieder zur Poststelle und von da zur Geschäftsstelle und von da dann zum Richter, was aufgrund der Tourenorganisation mehrere Tage (!) Verzögerung bedeuten kann, sondern der Richter bringt sie zur Geschäftsstelle ein paar Türen weiter (oder gar, wenn er mitdenkt, selbst zur Schreibkraft), die Schreibkraft holt sich die Akte und bringt sie wieder auf die Geschäftsstelle, und da holt sie der Richter dann später wieder aus seinem Postfach. Das ist effizient. Es ist unter diesen bewusst geschaffenen Strukturen völlig unsinnig, für den Aktentransport ein paar Türen weiter Wachtmeister zu beschäftigen.

Der Aktentransport durch Wachtmeister bleibt ja; soweit dadurch Personal freigeworden ist, konnte man das für Sicherheitsaufgaben oder Pfortendienst heranziehen. Und, um Dich zu beruhigen: es fehlt weiterhin an Wachtmeistern; nicht ganz selten fällt der Postumlauf aus, und die Geschäftsstellen müssen dann selbst die Post zur Poststelle holen und bringen. Das ist ineffizient.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von stilzchenrumpel »

:eeeek: Was ist eine Schreibkraft?
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 12:14Man muss sich vor lauter Effizienzideen auch fragen, warum in der kapitalistisch auf Gewinnmaximierung getrimmten Privatwirtschaft selbst in Anwaltskanzleien sowas wie "Unterbau" vorhanden ist?
Wo gibt es denn noch reine Büroboten?
Tibor hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 12:14Könnte es ggf. effizienter sein, wenn die Sekretärin den Briefumschlag öffnet, die Akte raussucht und dem Anwalt auf einen Stapel tut, die fertige Arbeit holt, das Schreiben hübsch macht und versendet, wenn sie Fristen überwacht, Vorlagen und Termine organisiert?
Selbstverständlich. Das wäre in der Justiz auch wünschenswert, hat aber mit der Frage hier wenig zu tun. Auch in der Privatwirtschaft scheinen mir zentrale Sekretariate, die mit ihren "Chefs" nur über einen Büroboten kommunizieren, mit Grund wenig verbreitet. Auch dort habe ich vor allem räumliche Nähe und direkten Aktenaustausch zwischen Mitarbeiter und Sekretariat ohne einen eigenen "Transportdienst" dazwischen erlebt.

Es spräche nichts dagegen, wenn die "Sekretärin" ihrem Richter die Post ins Büro bringt - das funktioniert genauso wie der umgekehrte Weg. Dann bräuchte man nur eben genug "Sekretärinnen", und die müssten auch in der Lage sein, Schreiben "hübsch" zu machen [1] und die entsprechende Organisation vorzunehmen. Solche Projekte zur Richterassistenz, bei der u.a. auch die Terminierung delegiert wird, gibt es ja. Das steht und fällt halt mit der individuellen Qualifikation. Und nachdem Einstellung, Kündigung, Umsetzung usw. durch ferne Verwaltungen erfolgen, nicht aber durch die "Chefs", zudem Personal fehlt und man den 54jährigen Wachtmeister, den man eigentlich nicht mehr braucht, nach Möglichkeit nicht kündigt, gibt es eben gar nicht so wenige Geschäftsstellenmitarbeiter, deren Qualifikationen überschaubar sind. Da bleibt dann die Wahl zwischen "selber machen", "der Geschäftsstelle so lange ihr Computerprogramm erklären, bis sie es auch bedienen kann" oder "geht halt schief, aber ich bin nicht dran schuld".

[1] Ich habe bisher eigentlich in der Justiz nur furchtbare Schreiben gesehen, die durch die dafür originär zuständigen Mitarbeiter erzeugt wurden, völlig unabhängig wo. Soll es gescheit aussehen, muss man es selbst schreiben oder wenigstens formatieren. Das ist nicht effizient, aber Fakt
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Re: Bewerbungsgespräch Richter Berlin/Brandenburg

Beitrag von thh »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Freitag 17. Mai 2019, 13:32:eeeek: Was ist eine Schreibkraft?
Das ist eine rhetorische Frage, oder? Eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter, die/der im Wesentlichen ausschließlich Texte nach Diktat vom Band (jetzt: dem Datenspeicher) auf Papier (jetzt: in ein Textverarbeitungssystem) schreibt. Kommt dezentral vor, wo man einfach mal vorbeigehen kann, kam (?) auch als zentraler Schreibpool vor, dem man eben etwas schickt und irgendwann kommt es fertig wieder zurück (oder auch nicht); sollte weitgehend durch multifunktionale Mitarbeiter, die sowohl Geschäftsstellentätigkeit erledigen als auch Diktate schreiben, ersetzt sein, kommt aber immer noch in Reinform vor (in der Regel dort, wo es Mitarbeiter gibt, bei denen es eben zum Schreiben nach Diktat langt, aber nicht für die Geschäftsstellenaufgaben); wird teilweise getrennt in Kurz- und Langtextkanzlei.
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