Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

Antworten
Guradon
Newbie
Newbie
Beiträge: 6
Registriert: Montag 17. Juni 2019, 14:37

Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Beitrag von Guradon »

Hallo liebe Community,

im Rahmen meiner Examensvorbereitung in Sachsen bin ich auf folgende Unklarheit gestoßen:

Woran erkenne ich, ob eine Standardmaßnahme nach Landespolizeirecht ein Vollzugselement beinhaltet - also als Ermächtigungsgrundlage für das polizeiliche Handeln denkbar ist oder nicht?

Nach meinen Unterlagen (Repetitorium Jura intensiv) sind nicht in allen Standardmaßnahmen der Polizei Vollzugselemente zu finden. Folglich können nicht alle als denkbare Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden. Dies macht für mich jedoch keinen Sinn weil

1. warum sonst die Extra-Norm dafür ?
2. in keinem Wortlaut der Normen für mich keine Ermächtigung zu erkennen ist.

Nach Wortlaut sind für mich persönlich alle Standardmaßnahmen auch theoretische Ermächtigungsgrundlage für eine Maßnahme, sofern diese sich in den (engen) Grenzen der jeweiligen Norm abspielen.

Nach weitergehender Recherche im Internet ist wohl beispielsweise ein Platzverweis (§ 21 SächsPolG) ohne Vollzugselement. Folglich kann der Platzverweis dann jedoch nicht durch die Norm ermächtigt werden?!

Fehlt es mir an einem grundlegenden Verständnis? Was habe ich übersehen?


Falls sich jemand außerhalb von Sachsen mit den Normen auseinandersetzen möchte: §§ 18 - 29 SächsPolg + 36 - 51 SächsPolG sind die normierten Standardmaßnahmen.


Vielen Dank für eure Hilfe!


mfG
Flanke
Power User
Power User
Beiträge: 625
Registriert: Freitag 26. November 2004, 14:11
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Beitrag von Flanke »

Das Missverständnis betrifft die Frage, was mit "Vollzugselement" gemeint ist. Der Begriff des Vollzugs sollte helfen. Wozu ermächtigt die Regelung über den Platzverweis? Wie sieht im Zusammenhang mit dieser Regelung der Vollzug aus?
Benutzeravatar
Justitian
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 926
Registriert: Mittwoch 20. Februar 2013, 01:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Beitrag von Justitian »

Den von dir verwendeten Materialien könnte die MM. in der Literatur zugrunde liegen, wonach manche Standardmaßnahmen zu einem realen Handeln ermächtigen (bspw. die Standardmaßnahmen zur Durchsuchung). Nach dieser Ansicht können die einschlägigen Standardmaßnahmen nicht mit Zwang durchgesetzt werden wenn der Störer Widerstand leistet sondern es bedarf eines Rückgriffs auf die Generalklausel (Duldungsanordnung). Vollstreckt werden können ja nur Verwaltungsakte.

So hört es sich für mich jedenfalls an. Ich würde offen gestanden nicht weiter im Internet herumlesen sondern Fachliteratur in der Bibliothek heranziehen. Wäre bedauerlich, wenn du im Examen dann die Missverständnisse oder Ungenauigkeiten von irgendjemand anderem reproduzierst.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
Guradon
Newbie
Newbie
Beiträge: 6
Registriert: Montag 17. Juni 2019, 14:37

Re: Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Beitrag von Guradon »

Flanke hat geschrieben: Montag 17. Juni 2019, 15:55 Das Missverständnis betrifft die Frage, was mit "Vollzugselement" gemeint ist. Der Begriff des Vollzugs sollte helfen. Wozu ermächtigt die Regelung über den Platzverweis? Wie sieht im Zusammenhang mit dieser Regelung der Vollzug aus?
Laut den von mir genannten Unterlagen, bzw. den im Internet gefunden Quellen, ermächtigt die Regelung eben gar nicht zum Platzverweis. Da es in der Norm der pol. Standardmaßnahme an einem Vollzugselement gerade fehlt. Ermächtigungsgrundlage wäre dann wohl die Generalklausel. Das macht für mich jedoch aus oben genannten Gründen wenig Sinn. Wieso gibt es dann überhaupt die Norm, welche den Platzverweis "regelt"?

Justitian hat geschrieben: Montag 17. Juni 2019, 17:21 Den von dir verwendeten Materialien könnte die MM. in der Literatur zugrunde liegen, wonach manche Standardmaßnahmen zu einem realen Handeln ermächtigen (bspw. die Standardmaßnahmen zur Durchsuchung). Nach dieser Ansicht können die einschlägigen Standardmaßnahmen nicht mit Zwang durchgesetzt werden wenn der Störer Widerstand leistet sondern es bedarf eines Rückgriffs auf die Generalklausel (Duldungsanordnung). Vollstreckt werden können ja nur Verwaltungsakte.
Leite ich aus deinem Post richtig ab, dass im Umkehrschluss nach h.M. (oder zumindest deiner Meinung nach) in allen Standardmaßnahmen grds. eine Ermächtigung für entsprechendes polizeiliches Handeln gegeben ist, sofern sich dieses in den (engen) Grenzen der Norm abspielt?

Wo ziehe ich eigtl. die Grenze zwischen der Anwendung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes und der Generalklausel?
Flanke
Power User
Power User
Beiträge: 625
Registriert: Freitag 26. November 2004, 14:11
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Beitrag von Flanke »

Guradon hat geschrieben: Dienstag 18. Juni 2019, 12:51
Flanke hat geschrieben: Montag 17. Juni 2019, 15:55 Das Missverständnis betrifft die Frage, was mit "Vollzugselement" gemeint ist. Der Begriff des Vollzugs sollte helfen. Wozu ermächtigt die Regelung über den Platzverweis? Wie sieht im Zusammenhang mit dieser Regelung der Vollzug aus?
Laut den von mir genannten Unterlagen, bzw. den im Internet gefunden Quellen, ermächtigt die Regelung eben gar nicht zum Platzverweis. Da es in der Norm der pol. Standardmaßnahme an einem Vollzugselement gerade fehlt. Ermächtigungsgrundlage wäre dann wohl die Generalklausel. Das macht für mich jedoch aus oben genannten Gründen wenig Sinn. Wieso gibt es dann überhaupt die Norm, welche den Platzverweis "regelt"?
Noch einmal: Zentral für das Missverständnis ist der Begriff des Vollzugs. Die Regelung über Platzverweise ermächtigt die Polizei dazu, einen Platzverweis auszusprechen. Insoweit ist sie selbstverständlich Ermächtigungsgrundlage. Sie ermächtigt die Polizei aber nicht dazu, den Platzverweis zu vollziehen. Die Ermächtigungsgrundlage dafür findet sich wo? Und weiter: Gibt es ein Beispiel für eine Standardermächtigung, die ein Vollzugselement enthält, indem sie selbst der Polizei Vollzugshandlungen erlaubt, ohne dass es eines Rückgriffs auf eine besondere Vollzugsermächtigung bedarf?
Guradon
Newbie
Newbie
Beiträge: 6
Registriert: Montag 17. Juni 2019, 14:37

Re: Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Beitrag von Guradon »

Flanke hat geschrieben: Dienstag 18. Juni 2019, 13:14
Noch einmal: Zentral für das Missverständnis ist der Begriff des Vollzugs. Die Regelung über Platzverweise ermächtigt die Polizei dazu, einen Platzverweis auszusprechen. Insoweit ist sie selbstverständlich Ermächtigungsgrundlage. Sie ermächtigt die Polizei aber nicht dazu, den Platzverweis zu vollziehen. Die Ermächtigungsgrundlage dafür findet sich wo? Und weiter: Gibt es ein Beispiel für eine Standardermächtigung, die ein Vollzugselement enthält, indem sie selbst der Polizei Vollzugshandlungen erlaubt, ohne dass es eines Rückgriffs auf eine besondere Vollzugsermächtigung bedarf?
Die Ermächtigungsgrundlage findet sich ggf. wohl im Verwaltungsvollstreckungsgesetz oder der pol. Generalklausel. Das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung § 25 SächsPolG enthält ein Vollzugselement, ermächtigt also zur Vollzugshandlung. Nur erkenne ich nicht den Unterschied zwischen "Aussprechen Platzverweis" und "Betreten/Durchsuchen von Wohnung". :crazy:

In beiden Fällen wird ein bestimmtes polizeiliches Handeln im Gesetzestext normiert. Dass beim Durchsetzen des Platzverweises (Passant verlässt Platz trotz Aufforderung nicht) oder beim gewaltsamen Eindringen in die Wohnung (Tür verschlossen, muss aufgebrochen werden) die Standardmaßnahmen keine Ermächtigungsgrundlage darstellen ist mir bewusst. An dieser Stelle muss automatisch auf Verwaltungsvollstreckungsgesetz zurückgegriffen werden.

Nur worin liegt jetzt der Unterschied, in der Platzverweis-Norm kein und im § 25 SächsPolG ein Vollzugselement zu sehen?

Mein Verständnis soweit:

-wird in den (engen) Grenzen der pol. Standardmaßnahmen gehandelt, so ist die Standardmaßnahme Ermächtigungsgrundlage (widerspricht sich jedoch mit Recherche. Laut Recherche bzw. meinen Unterlagen benötigt es ein "Vollzugselement" in der Norm um überhaupt als Ermächtigungsgrundlage zu dienen)
-kommt es zur Überschreitung des nach Gesetzestext normierten Verhaltens (Beispiele in diesem Post oben), dann muss automatisch auf Verwaltungsvollstreckungsgesetz zurückgegriffen werden, die pol. Standardmaßnahme ist dann keine Ermächtigungsgrundlage mehr, Vollzugselement gegeben oder nicht.
Herr Schraeg
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2811
Registriert: Montag 15. März 2010, 10:35
Ausbildungslevel: RA

Re: Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Beitrag von Herr Schraeg »

Wie Flanke geschrieben hatte, besteht der Schlüssel zum Verständnis im Vollzugsbegriff, also der Aufspaltung eines Vorgangs in Anordnung und Vollzuig:

Die Polizei sagt dem Passanten:"Geh da weg". Weil er nicht geht, zerren ihn die Beamten am Arm weg. "Geh da weg" ist die Anordnung des Platzverweises, zu messen an der Ermächtigungsgrundlage des § 21 I 1 SächsPolG. Das davon zu unterscheidende Wegzerren ist der Vollzug des Platzverweises, zu messen der Ermächtigungsnorm für den Vollzug (wohl nicht VollstreckG, sondern unmittelbarer Zwang nach §§ 31, 32 SächsPolG).

Anders, wenn die Polizei in eine leere Wohung, bei der Gasgeruch festgestellt wird, eindringt, um das Gas abzustellen. Ermächtigungsgrundlage für das Eindringen ist § 25 I 1 SächsPolG. "Betreten" iSd § 25 I 1 SächsPolG beeinhaltet den Vorgang bereits, enthält also das Vollzugselement. Der Vorgang kann nicht in Anordnung und Vollzug aufgespalten werden, sondern ist einheitlich von der Ermächtigungsnorm gedeckt.
Guradon
Newbie
Newbie
Beiträge: 6
Registriert: Montag 17. Juni 2019, 14:37

Re: Polizeiliche Standardmaßnahme - Vollzugselement

Beitrag von Guradon »

Herr Schraeg hat geschrieben: Mittwoch 19. Juni 2019, 12:45 Der Vorgang kann nicht in Anordnung und Vollzug aufgespalten werden, sondern ist einheitlich von der Ermächtigungsnorm gedeckt.
Vielen Dank für die Ausführung, jetzt habe ich die Begrifflichkeit des "Vollzugselements" hinreichend verstehen können.
Herr Schraeg hat geschrieben: Mittwoch 19. Juni 2019, 12:45
Die Polizei sagt dem Passanten:"Geh da weg". Weil er nicht geht, zerren ihn die Beamten am Arm weg. "Geh da weg" ist die Anordnung des Platzverweises, zu messen an der Ermächtigungsgrundlage des § 21 I 1 SächsPolG. Das davon zu unterscheidende Wegzerren ist der Vollzug des Platzverweises, zu messen der Ermächtigungsnorm für den Vollzug (wohl nicht VollstreckG, sondern unmittelbarer Zwang nach §§ 31, 32 SächsPolG).
Wo liegt die Abgrenzung zwischen unmittelbarem Polizeizwang und Anwendung des Verwaltungsvollstreckungsrechts? Ich weis aus gelernten Schemata, dass beide ähnlich sind und dennoch teils andere Gesetzesnormen erfordern. Nur woran erkenne ich, was von beidem anzuwenden ist?

Ist der unmittelbare Polizeizwang automatisch dann anzuwenden, wenn es um die Vollstreckung einer polizeilichen Standardmaßnahme geht und Verwaltungsvollstreckungsrecht bei Vorliegen eines angewandten Zwangsmittels des Verwaltungsvollstreckungsrechts (z.b. Ersatzvornahme)?
Dies würde für mich Sinn ergeben.

Falls dem so ist:

Es gibt im sächs. Verwaltungsvollstreckungsrecht auch das Zwangsmittel des "unmittelbaren Zwangs" (§ 25 SächsPolG). Wo liegt da die Abgrenzung zum Unmittelbaren Polizeizwang? ---> Für diese Frage habe ich bereits einen eigenen Thread aufgemacht. Eine Antwort auf diese Frage wäre darin wohl sinnvoller.



Vielen Dank soweit an jeden Einzelnen für seine Unterstützung!
Antworten