Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Sonnenschein111
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Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Sonnenschein111 »

Hallo liebe Kollegen,

ich würde gerne einen allgemeinen Austausch für Proberichter anstoßen und gleich mit zwei Fragen einsteigen, die mich im Moment beschäftigen:

1. Welche Dezernate sind nach eurer Erfahrung besonders "dankbar", also gut zum abarbeiten (in Relation zu den Pebbsy-Zahlen) und welche nicht.

2. Wie geht ihr mit der Arbeitsbelastung um? Was wird von außen erwartet und was erwartet ihr von euch selbst? Ich z.B. weiß schon, dass in 2,5 Monaten ein Dezernat an mich gehen wird, die momentan zuständige Planrichterin hat schon jetzt aufgehört zu terminieren. Das Dezernat liegt also bis zu meiner Übernahme in 2,5 Monaten quasi brach... Ist und sollte mein Anspruch dann sein, das wieder aufzuarbeiten, oder wie ist da die Erwartungshaltung und euer Selbstanspruch?

:-({|=

Beste Grüße eure Sonne
stilzchenrumpel
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von stilzchenrumpel »

Zu 1): quasi irrelevant, weil man es sich nicht aussuchen kann. Dürfte auch erheblich von der regionalen Struktur usw abhängen. Hier in Berlin ist zB am AG Charlottenburg die Vergleichs- und Rücknahmequote in allen Gebieten viel geringer als an den anderen Amtsgerichten, weil der Stadtteil wohlhabend ist und viele rechtsschutzversichert.

Zu 2): so wie es in vernünftigem Maße machbar ist ;)
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
Shlomo
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Shlomo »

Ich kann stilzchen nur zustimmen. Es kommt auf das jeweilige Dezernat an. Aus meiner nahbereichsempirie kann ich von annehmbaren Dezernaten sowohl am AG wie am LG in den unterschiedlichsten dezeenatszuschnitten berichten. Nicht unerheblich ist eben auch die Struktur des Dezernats. 170 Verfahren als einzelrichter am LG kann angenehm oder auch die Hölle sein - je nach dem, ob dein Vorgänger alte Schinken konsequent gefördert oder monate- oder gar jahrelang nur geschoben hat.

Der Anspruch an mich selbst ist regelmäßig das Dezernat zu halten Bzw leicht abzubauen. Kommt aber eben auch drauf an, ob die Eingänge kein unvertretbares Maß (zb Vertretung, dieselflut etc) erreichen.
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Solar
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Solar »

Shlomo hat geschrieben: Samstag 6. Juli 2019, 12:47 Ich kann stilzchen nur zustimmen. Es kommt auf das jeweilige Dezernat an. Aus meiner nahbereichsempirie kann ich von annehmbaren Dezernaten sowohl am AG wie am LG in den unterschiedlichsten dezeenatszuschnitten berichten. Nicht unerheblich ist eben auch die Struktur des Dezernats. 170 Verfahren als einzelrichter am LG kann angenehm oder auch die Hölle sein - je nach dem, ob dein Vorgänger alte Schinken konsequent gefördert oder monate- oder gar jahrelang nur geschoben hat.

Der Anspruch an mich selbst ist regelmäßig das Dezernat zu halten Bzw leicht abzubauen. Kommt aber eben auch drauf an, ob die Eingänge kein unvertretbares Maß (zb Vertretung, dieselflut etc) erreichen.
Ich nehme mal an, wir sprechen hier nur von Zivilrecht.

170 Verfahren am LG empfinde ich nicht als angenehm, egal wie sie strukturiert sind (außer vielleicht es handelt sich um 120 VW-Rückabwicklungen und 50 normale Verfahren ;)).

Idealbestand wären aus meiner Sicht zwischen 90 und 110 ohne alte Schinken. Das schafft man dann ganz gut mit 40-50h die Woche zu halten oder sogar noch weiter zu reduzieren. Was richtig reinhaut, sind entweder ein hoher Kammeranteil (kostet Zeit ohne Ende und bringt nicht viel)oder Altverfahren. Das Rechtsgebiet selbst spielt eine eher untergeordnete Rolle.

Endziel nach zwei Jahren auf Ausgangsstand zu sein, ist machbar, erfordert aber doch einigen Einsatz. Die meisten Kollegen, die ich kenne, haben jedoch nach zwei Jahren teilweise signifikant höhere Zahlen zurückgelassen als sie vorfanden. Ganz normal und auch davon abhängig, wann man anfängt/aufhört. Letzter Monat Dezember ist z.B. sehr undankbar für die Statistik...
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Sonnenschein111 »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Samstag 6. Juli 2019, 11:15 Zu 2): so wie es in vernünftigem Maße machbar ist ;)
gute Antwort, nur was heißt das denn genau? Machbar ist ja sehr viel, wenn man will.

Mich nervt gerade so diese Planrichterin, die das einfach liegen lässt, aber schon terminiert für die erste Woche, in der ich übernehmen soll. Das Dezernat soll ich wahrscheinlich nur wenige Monate behalten. Ich finde es für die Verfahren extrem blöd und Vorgehen der Kollegin für mich extrem demotivierend. Zudem muss ich mich erstmal einarbeiten... da wird es so oder so einen kleinen Dezernatswechselverschleiß geben. :-#
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von spalter »

Bei uns am AG haben die Proberichter bei voller Zivilabteilung ca. 180 Verfahren, da kann sich glaube ich niemand beschweren. Meiner Erfahrung nach sind zudem Straf- und Betreuungsdezernate eher mit weniger Zeiteinsatz verbunden, wenn man sich etwas eingearbeitet hat.
Liz
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Liz »

Pauschal kann man dies nicht sagen: Ein gut geführtes Dezernat ist sicherlich immer dankbarer als ein Dezernat mit einem niedrigeren Bestand, der aber völlig vermurkst ist oder aus einer Vielzahl an Verfahren besteht, die noch niemand ordentlich durchdacht hat. Auch macht es sich meist negativ bemerkbar, wenn ein Dezernat beständig neu besetzt wird und es ggf. auch mal längere Vakanzen mit einer nur notdürftigen Vertretung gab.

Entsprechendes gilt dann auch für den Gerichtstyp und das Fachgebiet: wenn man sein Dezernat kennt und ein wenig aufgeräumt hat, dürfte es vor allem von den Eingangszahlen und der Personal-/Vertretungssituation abhängen, ob man das Dezernat ohne Wochenendschichten auf einem guten Stand halten kann.

@Terminierung: Es ist eben schwierig, für jemand anderes zu terminieren. Wenn man ein Dezernat neu übernimmt, sollte man sich aber auch nicht hetzen lassen und ggf Termine, die einem nicht passen, aufheben - im Übrigen halte ich es eher für vorteilhaft, selbst terminieren zu können, anstatt mehrere Monate lang einen übervollen Terminkalender abarbeiten zu müssen, den man selbst ggf nie so terminiert hätte.
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von T0bi »

Vorgehen der Vorgängerin warum demotivierend? Am LG kann man durchaus effektiv terminsvorbereitend arbeiten, d.h. in Akte tatsächlich einarbeiten und dann auch z.B. schon Zeugen und/oder Sachverständige zum (einigermaßen kurzfristigen) Termin dazu laden. Das bringt aber am ehesten dann was, wenn man keinen ewigen Vorlauf hat und man den Termin dann auch tatsächlich selbst leitet. ;)
"die Bezeichnung Penner hat nicht...stets beleidigenden...Charakter. So werden etwa im Einzelhandel umgangssprachlich schlecht verkäufliche Artikel...im Gegensatz zum Renner auch als Penner bezeichnet (wikipedia.de)" (BayVGH NZA-RR 2012, 302)
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Solar
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Solar »

Wenn du das Referat nur wenige Monate übernehmen sollst, ist es m.E. kaum denkbar, dass du in der Zeit nicht aufbaust, es sei denn du investierst wöchentlich >70 h. Die ersten 8 Wochen wird man sehr wenig erledigen, da man in erster Linie mit Einarbeitung in die Fälle befasst ist. Das gilt erst Recht, wenn das deine erste Stelle sein wird und du dich erst einmal in die Arbeit / Software usw. eines Zivilrichters einfinden musst. Das darfst du ruhig etwas lockerer sehen.

Aber wie die anderen bereits sagten: Lieber viele junge und gut strukturierte Fälle als ein Referat mit scheinbar gutem Bestand, das aber 20-30 verkorkste Gürteltiere aufweist.So ging es mir anfangs: Habe zwar nur ca. 115 Verfahren geerbt, darunter allerdings zahlreiche >1000-Seiter (ohne Anlagen). Die tun richtig weh und liegen dann am Anfang teilweise erst einmal ein paar Wochen / Monate, bis man sich ihnen widmen kann. Hat mich ca. 1,5 Jahre viel Zeit gekostet, die abzuarbeiten. Jetzt profitiere ich noch ein paar Monate davon, bevor ich die Stelle wechsle. Vor allem Nachfolger und Präsidium sollten sich daran freuen, nehmen es aber gar nicht wahr, da sie nur die Fallzahlen kennen und keine Information darüber haben, welche Art von Verfahren man erledigt hat bzw. wie komplex oder vermurkst diese waren. Man tut das also für sich selbst und die Parteien. Es gibt allerdings auch wenig Erleichternderes als den Abschluss eines solchen Monsters...
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von T0bi »

Dann stimmt die Kommunikation vielleicht nicht. Intrinsische Motivation ist das eine, die Beurteilung aber das andere. Solche Erledigungen sollte man dem Vorsitzenden bzw. Direktor für den Beurteilungsbeitrag mitteilen oder unmittelbar dem Präsidenten, z.B. wenn er Akten zur Durchsicht anfordert. Jedenfalls dann, wenn die „Zahlen“ nicht aussagekräftig sind, weil man Bestand aufgebaut hat oder nur mit weit überobligatorischem Einsatz gehalten/abgebaut hat.
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Solar
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Solar »

Joah, da magst du dem Grunde nach schon recht haben. Muss man sich aber eben auch selbst verkaufen wollen. Mir ist diese Selbstrechtfertigung (sowohl bei mir selbst als auch bei anderen) immer etwas zuwider.

Bsp.:
Präsi: "Herr XY, wir sind sehr zufrieden aber auf die Erledigungszahlen müssten sie schon noch ein wenig mehr achten."
Assessor: "Aber ich hatte dieses Halbjahr sieben dicke Altfälle zu bearbeiten, das ging einfach nicht schneller!"
Präsi: "Das verstehe ich aber damit haben alle zu kämpfen. Da müssen Sie sich am Anfang durchfuchsen."
Assessor: "Klar aber meine Fälle waren echt ganz besonders übel, schauen Sie sich bitte mal die sieben >1000-seitigen Akten an!"
Präsi: "Mhm..."

Der Präsi hört das dann vermutlich von mehr oder weniger jedem und nimmt es deshalb bei niemandem mehr ernst... Was von einem solchen Gespräch bleibt: Natürlich schaut er sich die >1000-Seiter NICHT an (sonst kommt er nie nach Hause). Es bleibt aber der Eindruck eines Assessors, der sich herausreden will. Natürlich geht das auf der Vorsitzenden-Ebene etwas besser aber auch die schauen sich nach meiner Erfahrung die Akten nur oberflächlich an.
stilzchenrumpel
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von stilzchenrumpel »

Zumindest bei mir wurde meine (offenbar überdurchschnittliche) Erledigung von Altfällen und deren Förderung ausdrücklich in der Beurteilung der 1. Station gewürdigt. Das hat allerdings auch einigen Aufwand gemacht, die Dinger anzugreifen, bei denen ich der 4. Ri auf Probe war, dessen Unterschrift in Verfügungen auftauchte. Das dürfte dann doch stark auf das jeweilige Gericht ankommen, inwieweit die Beurteilung "gründlich" erstellt wird.

Ich würde auch zu einer gewissen Gelassenheit raten bezüglich der Erledigungszahlen. Mehr erledigen kann man nach dem Willen der Hausleitung immer.
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Liz
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Liz »

Wenn man Akten zur Beurteilung vorlegen darf, empfiehlt es sich natürlich auch ein paar besonders dicke und/oder schwierige Verfahren, die man erledigt hat, vorzulegen. Je höher der zur Anfertigung der Beurteilung durchzuarbeitende Stapel ist, desto eher dürfte der Beurteilende geneigt zu sein, das Dezernat wirklich für eine Zumutung zu halten.
sai
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von sai »

Also zumindest hier bei uns am VG ist die Qualität der Erledigungen eine Sache, die die Vorsitzenden im Blick haben und die auch in ihre Beurteilungsbeiträge einfließt. Ob die dann auch in der Beurteilung landen, sei mal dahingestellt. Die Hausleitung nimmt es aber jedenfalls auf diesem Weg zur Kenntnis.
Liz
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Re: Proberichter - allgemeine Tipps und Dezernate

Beitrag von Liz »

sai hat geschrieben: Montag 8. Juli 2019, 20:35 Also zumindest hier bei uns am VG ist die Qualität der Erledigungen eine Sache, die die Vorsitzenden im Blick haben und die auch in ihre Beurteilungsbeiträge einfließt. Ob die dann auch in der Beurteilung landen, sei mal dahingestellt. Die Hausleitung nimmt es aber jedenfalls auf diesem Weg zur Kenntnis.
Das praktische Problem am LG dürfte allerdings sein, dass der Vorsitzende ggf. nur einen Bruchteil der Verfahren seiner Beisitzer zu sehen bekommt, insbesondere wird ja auch bei Proberichtern mit weniger als ein Jahr Erfahrung im Zivilprozess meist großzügig Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, Verfahren auf den Einzelrichter zu übertragen. Daher sollte man m. E. frühzeitig dafür sorgen, dass den entsprechenden Leuten bekannt wird, dass man wirklich ein überdurchschnittlich schwieriges Dezernat zu bearbeiten hat, was sich ja ggf. auch durch objektive Zahlen bzw. konkrete Beispielsfälle belegen lässt. Erst im Beurteilungsgespräch ist es natürlich ein wenig spät zum Jammern.
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