Richterin ist krank; alles wird verschoben

[Urs Blank]

Ganz praktisch: Woher soll das Präsidium denn wissen, dass ein Spruchkörper absäuft? Entweder kommt der Vorsitzende zum Präsidium und erklärt dies oder der Präsident erkennt es nach einer Statistikauswertung. Letzteres wird aber nur Ende des Jahres turnusmäßig passieren, nie unterjährig. Der Vorsitzende wird aber nur dann zum Präsidium gehen, wenn er Druck hat. Dazu kann die Verzögerungsrüge dienen.

Na gut, wenn sich ein Präsidium nicht in die Lage versetzen kann, unterjährig das Absaufen eines Spruchkörpers zu erkennen, dann erübrigt sich natürlich eine weitere Diskussion. Das sind (hier in NRW) drei, vier Klicks in der Uralt-Datenbank Judica, dafür braucht es keine "Statistikauswertung".

[Swann]

Ganz praktisch: Woher soll das Präsidium denn wissen, dass ein Spruchkörper absäuft? Entweder kommt der Vorsitzende zum Präsidium und erklärt dies oder der Präsident erkennt es nach einer Statistikauswertung. Letzteres wird aber nur Ende des Jahres turnusmäßig passieren, nie unterjährig. Der Vorsitzende wird aber nur dann zum Präsidium gehen, wenn er Druck hat. Dazu kann die Verzögerungsrüge dienen.

Na gut, wenn sich ein Präsidium nicht in die Lage versetzen kann, unterjährig das Absaufen eines Spruchkörpers zu erkennen, dann erübrigt sich natürlich eine weitere Diskussion. Das sind (hier in NRW) drei, vier Klicks in der Uralt-Datenbank Judica, dafür braucht es keine "Statistikauswertung".

Typischerweise dürfte doch eh monatlich eine Gegenüberstellung von Neuzugängen und erledigten Verfahren erfolgen und dem Präsidium zK gegeben werden.

[Urs Blank]

Man stelle sich vor, Autowerkstätten oder Krankenhäuser würden so arbeiten...

Es gibt halt weder den gesetzlichen Automechatroniker noch den gesetzlichen Arzt.

Ich gehe davon aus, dass an den Gerichten, an denen ihr tätig seid, das Prinzip der gesetzlichen Richters jederzeit skrupulös beachtet wird (also auch bei Sitzungsvertretungen, Abwesenheit wegen Heimarbeit usw.) - und nicht nur dann, wenn es darum geht, eine Ausrede für unzumutbare Verfahrensverzögerungen zu finden. (Jedenfalls in Zivilsachen sind mir nämlich auch abweichende Praktiken bekannt.)

[Swann]

Man stelle sich vor, Autowerkstätten oder Krankenhäuser würden so arbeiten...

Es gibt halt weder den gesetzlichen Automechatroniker noch den gesetzlichen Arzt.

Ich gehe davon aus, dass an den Gerichten, an denen ihr tätig seid, das Prinzip der gesetzlichen Richters jederzeit skrupulös beachtet wird (also auch bei Sitzungsvertretungen, Abwesenheit wegen Heimarbeit usw.) - und nicht nur dann, wenn es darum geht, eine Ausrede für unzumutbare Verfahrensverzögerungen zu finden. (Jedenfalls in Zivilsachen sind mir nämlich auch abweichende Praktiken bekannt.)

Welche abweichende Praktiken wären das denn?

[Urs Blank]

Welche abweichende Praktiken wären das denn?

Beispiele:

Bei eiligen Beschlüssen wird Heimarbeit als Vertretungsfall behandelt (was sie nicht ist). So dass nicht der zuhause arbeitende gesetzliche Richter mitunterschreibt, sondern sein (im Gericht anwesender) Vertreter.

Oder: In vielen Geschäftsverteilungsplänen ist vorgesehen, dass die kammerübergreifende Vertretung bei Sitzungen in der Reihenfolge des Dienstalters erfolgen muss. Stattdessen vertritt, "wer Zeit hat" oder die Vertreter wechseln sich ab.

Oder (selbst als Proberichter an einem größeren Amtsgericht erlebt): Der Direktor "ordnet an", dass Richter A. 20 Sachen von Richter B. übernimmt - ganz ohne Änderung der Geschäftsverteilung.

Oder (in Strafkammersachen): Der Vorsitzende nimmt einen Tag Urlaub, damit sein Vertreter den Vorsitz in einer 2er-Sache führen kann. Später gibt der Vorsitzende den Urlaub still und heimlich zurück.

Oder (in Strafkammer- oder Schöffengerichtssachen): Nach Terminierung ergibt sich, dass für einen Hauptschöffen ein als "unangenehm" bekannter Hilfsschöffe eintritt (Querulant, Körpergeruch oder Neigung, in der Sitzung einzuschlafen). Unter einem Vorwand wird der Termin verlegt.

[Tibor]

Ich habe bisher keine dieser „Praktiken“ erlebt.

[T0bi]

Jedenfalls in Hessen sind Verzögerungsrügen dem Direktor bzw. Präsidenten z.K. zu geben.

[Liz]

(...) und nicht nur dann, wenn es darum geht, eine Ausrede für unzumutbare Verfahrensverzögerungen zu finden. (Jedenfalls in Zivilsachen sind mir nämlich auch abweichende Praktiken bekannt.)

Die praktischen Gegebenheiten sind eben leider so wie sie sind, was ist daran eine Ausrede? Mein Terminkalender gäbe es jedenfalls nicht her, wenn ich jetzt spontan 2-3 Monate ein Dezernat krankheitsbedingt vertreten müsste, alle Termine des Kollegen zu übernehmen, sondern ich müsste zwangsläufig erstmal einen Großteil der Termine aufheben und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt in meinen Terminkalender integrieren. Und bei einem Verfahren, in dem der erkrankte Kollege bereits Zeugen vernommen hat, wäre es weder arbeits- noch prozessökonomisch sonderlich sinnvoll, wenn der Vertreter die Zeugen ggf. nochmal vernimmt oder eine völlig neue rechtliche Würdigung des Verfahrens vornimmt, anstatt die Sache möglichst bald nach der erwarteten Rückkehr des erkrankten Kollegen zu terminieren, damit dieser das Verfahren dann möglichst schnell und effektiv zu Ende bringen kann.

[Ara]

Ich habe bisher keine dieser „Praktiken“ erlebt.

Gerüchteweise haben ganze Kammern schon ohne internen Geschäftsverteilungsplan ihre Verfahren nach Gutdünken hin und her geschoben...

Man erinnert sich nur an die berühmte Schwurgerichtskammer am LG München I die ganze Jahre ohne Geschäftsverteilungsplan gearbeitet hat. Am LG Hamburg haben Zivilkammern ihren Geschäftsverteilungsplan auch wild im laufe des Jahres beschlossen "wenn es nötig wurde".

Das sind nur die Sachen, die auch rausgekommen sind.

[Urs Blank]

Die praktischen Gegebenheiten sind eben leider so wie sie sind, was ist daran eine Ausrede? Mein Terminkalender gäbe es jedenfalls nicht her, wenn ich jetzt spontan 2-3 Monate ein Dezernat krankheitsbedingt vertreten müsste, alle Termine des Kollegen zu übernehmen, sondern ich müsste zwangsläufig erstmal einen Großteil der Termine aufheben und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt in meinen Terminkalender integrieren.

Da stimme ich dir zu zu. Auf diese Weise (Vollvertretung eines erkrankten Richters durch einen einzigen Kollegen, der dann faktisch zwei Dezernate bearbeitet) funktioniert es sicherlich nicht. Mglw. lässt sich die Arbeit - unter Wahrung des Prinzips des gesetzlichen Richters - aber auf mehrere verteilen? Es sollte jedenfalls der Anspruch der Justiz sein, längerfristige Krankheits- oder sonstige Ausfälle aufzufangen, ohne dass es für den rechtssuchenden Bürger heißt: "Termin erst nächstes Jahr im Sommer." In anderen Lebensbereichen klappt das doch auch.

[thh]

Mglw. lässt sich die Arbeit - unter Wahrung des Prinzips des gesetzlichen Richters - aber auf mehrere verteilen? Es sollte jedenfalls der Anspruch der Justiz sein, längerfristige Krankheits- oder sonstige Ausfälle aufzufangen, ohne dass es für den rechtssuchenden Bürger heißt: "Termin erst nächstes Jahr im Sommer." In anderen Lebensbereichen klappt das doch auch.

Sicher. Da nimmt man eben keine Aufträge (Patienten, ...) mehr an, wenn es an Kapzitäten mangelt; so machen das bspw. Handwerker oder Vertragsärzte. Auch diesen Weg könnte man natürlich gehen. ("Nein, Ihre Klage können Sie bei uns momentan nicht einreichen. Kommen Sie in 6-12 Monaten wieder.")

[Liz]

@Urs Blank: Natürlich kann und sollte man das versuchen (ich kenne es z. B. vom AG, dass eine zu vertretende Abteilung relativ zeitnah nach Endziffern vertretungsweise auf "alle" Zivilrichter verteilt wird und die Abteilung nach der Rückkehr des Kollegen wieder aufgefüllt wird; am hiesigen LG werden die Bestandsverfahren hingegen regelmäßig innerhalb der Kammer vertreten - auch 1/2 oder 1/3 Dezernat kann jedenfalls ich nicht einfach so zusätzlich verhandeln/erledigen), aber gerade bei umfangreicheren Verfahren sollte man im Interesse aller Rechtssuchenden schauen, inwieweit ein kurzfristiger Bearbeiterwechsel tatsächlich zur Beschleunigung des Verfahrens geeignet ist. Und im Übrigen ist das Phänomen "nächster Termin nächstes Jahr im Sommer" ja leider auch keine Seltenheit, sondern letztlich Folge längerer Terminsstände.

[Tibor]

Ich möchte an den Sachverhalt erinnern:

Richterin ist monatelang krank, Verhandlung wird wieder weitergeführt, neuer Gerichtstermin anberaumt (why???), ok, hingefahren (bloß 2 Tage unterwegs), Termin fällt aus, Richterin wieder krank ...

1) stellt sich die Frage, woher Jasmin weiß, dass die Richterin monatelang krank war
2) war sie zwischendurch ja offensichtlich wieder im Dienst

Das berücksichtigend muss man sich ein Präsidium vorstellen, dass in diesem Fall sofort Bestandsakten verteilt. Entschuldigung, aber das ist Wahnsinn. Natürlich wird es Krankheitsbilder oder Ausfälle geben, die sofortiges Handeln erfordern (Krebs, Schwangerschaft), aber nicht jede wochenlange Krankheit (Beinbruch, Blinddarm) erfordert entsprechende Aktivitäten. Auch der Patient weiß am Anfang oft nicht, was er hat und wie lange er „außer Gefecht“ gesetzt ist. Woher soll es dann das Präsidium wissen?

[Liz]

@Tibor: Am AG wurde das tatsächlich auch für Ausfälle von 1-3 Monaten so gehandhabt - irgendwann wird ja doch absehbar, dass die Krankheit wohl länger dauern wird, selbst wenn die Krankschreibungen scheibchenweise kommen. Es ging insoweit aber vorrangig auch um die Entlastung des Vertreters, nicht um eine dauerhafte Umverteilung der Bestandsverfahren, wobei "gewünscht" wurde, dass die Verfahren im Rahmen des Möglichen gefördert und erledigt werden; wenn 5-10 Kollegen vertreten und jeder ein paar einfache / besonders dringende Bestandsverfahren erledigt, ist das für die Abteilung insgesamt vorteilhaft, selbst wenn die vergurkten Bestandsverfahren für den o. D. übrig bleiben.

[Versicherungsnehmer]

Das nächste Mal den Vergleich nicht widerrufen

Da die Sache offenbar entscheidungsreif ist, Entscheidung im schriftlichen Verfahren anregen.