Bewerbung GStA Düsseldorf

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thh
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von thh »


Fyrion hat geschrieben:Ein Chirurg lernt doch auch nicht operieren indem er erstmal mit verbundenen Augen und nur mit der linken Hand einen Blinddarm in 20 Minuten entfernen muss, bevor er es auf eine realistischere Art und Weise probiert.
Korrekt. Dennoch besteht der schriftliche Teil der ärztlichen Prüfung aus Multiple-Choice-Fragen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das näher an der Praxis ist als eine typische Examensklausur. Insofern also ein schönes Beispiel, nur nicht für Deine These.

(Nein, Operationen werden nicht geprüft. Nein, Chirurg wird man nicht im Rahmen des Studiums einschließlich seiner Praxisanteile, sondern nach einer mehrjährigen Weiterbildung, vergleichbar mit der Lebenszeiternennung als Beamter oder Richter nach der Probezeit, nur dass das schneller geht als die Facharztausbildung.)

Der Vergleich mit anderen Studiengängen würde also nicht zu einer praxisorientierten Gestaltung der Prüfung führen, sondern allenfalls zur Einführung eines drei- bis vierjährigen Rechtsanwalts auf Probe als Vorraussetzung für die Niederlassung. ;-))
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Liz
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Liz »

@Fyrion: Eine Prüfungssituation ist immer ein Stück weit künstlich, insbesondere wenn vergleichbare Bedingungen für eine Vielzahl an Kandidaten geschaffen werden soll. Das wird man nicht grundlegend ändern können. Der Vergleich mit dem Chirurgen ist m. E. schief, weil die Referendare idealtypisch ja auch während der Station lernen, echte Akten mit allen verfügbaren Hilfsmitteln in freier Zeiteinteilung zu bearbeiten - und im Vergleich zu den ärztlichen Staatsexamina scheint mir das 2. Examen wahnsinnig praxisnah zu sein. Jetzt mag man fordern, dass das Examen am PC zeitgemäßer wäre (was allerdings lediglich dazu führen dürfte, dass die Kandidaten mehr schreiben bzw. umfangreichere Aufgaben gestellt werden, weil man die Zeit schließlich irgendwie füllen muss), auch mag man den Kandidaten andere Kommentare (z. B. den Zöller anstelle des Thomas/Putzo) oder gar andere Hilfsmittel stellen, aber wer mit limitierten Hilfsmitteln ein gutes Arbeitsergebnis erzielen kann, der wird in der Praxis auch ein gutes Arbeitsergebnis erzielen können, wenn er nach Herzenslust bei juris usw. recherchieren kann. Insoweit muss man sich entscheiden, ob man vorzugsweise Rechercheskills (beck-online, juris, google) oder juristisches Denken und Arbeiten (dann eben nur zwei Standardkommentare) abprüfen möchte.
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Fyrion
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Fyrion »

Korrekt. Dennoch besteht der schriftliche Teil der ärztlichen Prüfung aus Multiple-Choice-Fragen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das näher an der Praxis ist als eine typische Examensklausur. Insofern also ein schönes Beispiel, nur nicht für Deine These.
Doch, und zwar weil diese Phase (Theorie) mit dem ersten Examen abgeschlossen sein sollte. Das Referendariat ist vergleichbar mit der AiP-Zeit und dort gibt es zwar auch multiple choice Fragen, diese sind aber irgendwie praxisrelevant. Wie man ein Rubrum schreibt braucht absolut niemand zu wissen, nicht mal Richter. Ebenso die ganzen Formalia, die aus dem Formularhandbuch kommen. Ich hatte jedenfalls keinerlei Mehrwert durch irgendwas, was ich im Referendariat gelernt habe. Ich hätte meinen Job exakt so auch direkt nach dem ersten Examen machen können und das bedeutet 2 Jahre Lebenszeitverschwendung.
Der Vergleich mit anderen Studiengängen würde also nicht zu einer praxisorientierten Gestaltung der Prüfung führen, sondern allenfalls zur Einführung eines drei- bis vierjährigen Rechtsanwalts auf Probe als Vorraussetzung für die Niederlassung. ;-))
Fände ich sinnvoller als ein Referendariat, bei dem ich Jahrelang auf Tätigkeiten vorbereitet werde, von denen ich schon vorher zu 100% weiß, dass ich sie nicht ausüben werde. Es ist einem Mittzwanziger Akademiker mE auch zuzutrauen sich nach dem Studium verbindlich für einen Beruf zu entscheiden. Alle anderen kriegen das auch hin und brauchen keine zweijährige Trial Phase.
Insoweit muss man sich entscheiden, ob man vorzugsweise Rechercheskills (beck-online, juris, google) oder juristisches Denken und Arbeiten (dann eben nur zwei Standardkommentare) abprüfen möchte.
Warum nicht beides? Nur weil man beck-online und juris hat, heißt es doch nicht, dass man jeden Fall problemlos runterlösen kann. Wenn dem so wäre, bräuchte man schlicht keine Juristen. Das würde nur ein bisschen mehr Mühe bei der Klausurerstellung machen und wenn sich bei einer Sache wirklich keinerlei Mühe gegeben werden darf und kein Geld in die Hand genommen, dann im Ausbildungssystem (scheint mir in Deutschland das Motto zu sein).
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von OJ1988 »

Eine 6-monatige Zusatzausbildung nach dem 1. Examen, die dann je Gusto nur zum Richter, nur zum Staatsanwalt, nur zum Rechtsanwalt, nur zum Notar usw. qualifiziert, hielte ich auch für sinnvoller. Bei Nichtgefallen der ersten Station im Berufsleben legt man dann eben nochmal nach.
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Swann »

Kasimir hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2020, 22:21
Und zu den Anwaltskammern: Die sind ja auch Teil des Problems und wissen nicht, was anwaltliche Praxis ist.
Oder sie haben eine andere anwaltliche Praxis vor Augen als deine. Ich würde sogar so weit gehen, dass der Anwaltsteil im 2. Examen näher am Job des durchschnittlichen deutschen Anwalts dran ist als es der Arbeitsalltag in einer typischen Großkanzlei ist. Nun kann man natürlich auch Examenskandidaten Excel-Listen erstellen lassen, Verträge mit Copy&Paste zusammenbasteln, E-Mails formatieren und ein Pitchdeck für einen Beauty-Contest vorbereiten lassen. Aber ist das jetzt so viel sinnvoller als die zugegeben teilweise etwas gezwungen wirkenden "Anwaltsakten" im Examen?
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Theopa »

Liz hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 10:30 Aber wo ist der Witz an einer Arbeitstagsklausur, wenn die Referendare vorher nie einen „realen“ Arbeitstag bewältigen mussten? Derzeit übe ich zwar mit meinen Referendaren nicht, wie sie fünfstündige Klausuren schreiben, aber ich sage ihnen bei der Korrektur ihrer Urteilsentwürfe durchaus, wie es in der Praxis / im Examen „richtig“ ist, oder lege mal eine geeignete Akte für einen Aktenvortrag zur Seite.
Naja, es wäre ein Schritt in die Richtung der Praxisnähe, die oft gepredigt aber - gerade in einigen Bundesländern - in AG und Examen überhaupt nicht gelebt wird. Wieso soll man sich aktuell ernsthaft damit beschäftigen wie echte Schriftsätze und Mandantenschreiben aussehen, wenn man mit solchen im Examen dann kaum Punkte bekommt und die Stationsnoten sowieso für die Tonne sind?

Über die Tauglichkeit für reale Prüfungssituationen kann man sprechen, ich sehe aber auch keinen Sinn darin wie aktuell zwei Jahre auf ein "Erstes Examen - Teil II" zu lernen und dabei echte Erfahrungen nur nebenbei bzw. teilweise auf Kosten der wirklich relevanten Lernzeit machen zu können/dürfen.

Eine Orientierung am ärztlichen Modell für die Zeit nach dem Theorieteil (in diesem ist das juristische Modell mE um Welten besser) fände ich allgemein interessant, zwei Jahre "echte" Probezeit im PJ-Stil dürften dem Referendariat wohl überlegen sein wenn es um die Vorbereitung auf das Berufsleben geht. Die weitere Annäherung des Fachanwalts an den Facharzt wäre auch einmal eine Idee.
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Liz »

Fyrion hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 16:40
Insoweit muss man sich entscheiden, ob man vorzugsweise Rechercheskills (beck-online, juris, google) oder juristisches Denken und Arbeiten (dann eben nur zwei Standardkommentare) abprüfen möchte.
Warum nicht beides? Nur weil man beck-online und juris hat, heißt es doch nicht, dass man jeden Fall problemlos runterlösen kann. Wenn dem so wäre, bräuchte man schlicht keine Juristen. Das würde nur ein bisschen mehr Mühe bei der Klausurerstellung machen und wenn sich bei einer Sache wirklich keinerlei Mühe gegeben werden darf und kein Geld in die Hand genommen, dann im Ausbildungssystem (scheint mir in Deutschland das Motto zu sein).
Das, was man in 5 Stunden (oder einer sonstigen zumutbaren Prüfungszeit) abprüfen kann, ist denklogisch begrenzt. Je mehr "Skills" man abprüft, desto weniger tief kann man die einzelnen Teilbereiche abprüfen (ich erinnere mich an eine ganz furchtbare Anwaltsklausur, in der erst ein Gutachten plus Klageschrift und anschließend noch zu einer ähnlichen Fallgestaltung ein vollständiger (!) Vertragsentwurf mit Begründung verlangt war; das war der absolute Overkill), dh man sollte sinnvolle Prioritäten setzen. Und für mich wäre es immer wichtiger, dass jemand anhand des Gesetzes unter Zuhilfenahme eines Standardkommentars eine praktisch verwertbare Leistung erbringen kann, als dass er mit nur genügend Rechercheaufwand die passenden Fundstellen findet, um darum dann seine Klausurlösung zu basteln; das sind dann in der Praxis die Kollegen, die mit der Erörterung jeglicher Rechtsfragen in der mündlichen Verhandlung gänzlich überfordert sind und erstmal eine Erklärungsfrist brauchen. M. E. täte man auch den Examenskandidaten keinen großen Gefallen, wenn man ihnen neben dem Palandt auch noch den MüKo, den Staudinger usw. an die Hand gäbe, was schlichtweg zu einem Overkill an Recherchemöglichkeiten führte (es ist schon schwer genug, sich in den 5 Stunden so zu organisieren, dass man tatsächlich fertig wird).
Auch hat es m. E. nichts mit "keine Mühe geben" zu tun - wenn ich eine Klausur erstelle, kann ich heute ohne weiteres antizipieren, welche Hinweise die Examenskandidaten in den ihnen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln finden werden und damit den Schwierigkeitsgrad der Klausur eingrenzen bzw. gezielt Fragestellungen heraussuchen, die sich nicht allein aus dem Kommentar beantworten lassen. Bei 1.000+ Treffern bei beck-online kannst Du das schlichtweg vergessen. Dann kannst Du eigentlich nur gänzlich absurde Fragestellungen aussuchen, bei denen man stundenlanger Recherche enttäuscht feststellt, dass es dazu wirklich noch nichts gibt.
Theopa hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 17:39 Naja, es wäre ein Schritt in die Richtung der Praxisnähe, die oft gepredigt aber - gerade in einigen Bundesländern - in AG und Examen überhaupt nicht gelebt wird. Wieso soll man sich aktuell ernsthaft damit beschäftigen wie echte Schriftsätze und Mandantenschreiben aussehen, wenn man mit solchen im Examen dann kaum Punkte bekommt und die Stationsnoten sowieso für die Tonne sind?
Da ist m. E. zunächst der Stationsausbilder gefragt, den Referendaren zu vermitteln, warum sie das jetzt richtig lernen wollen. Ich hatte bislang noch keine Probleme, meinen Referendaren zu erklären, weshalb sie lernen sollten, wie sie ein richtiges Urteil schreiben oder sie dazu zu motivieren, einmal eine mündliche Verhandlung zu leiten. Ich wüsste jetzt ehrlich gesagt auch nicht, weshalb man kein Interesse daran haben sollte, zu lernen, wie man formvollende Schriftsätze an das Gericht oder an Mandanten schreibt - und zwar unabhängig davon, ob man dafür in nennenswertem Umfang Punkte im Examen erwarten kann.
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von halb eins »

Theopa hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 17:39 Naja, es wäre ein Schritt in die Richtung der Praxisnähe, die oft gepredigt aber - gerade in einigen Bundesländern - in AG und Examen überhaupt nicht gelebt wird. Wieso soll man sich aktuell ernsthaft damit beschäftigen wie echte Schriftsätze und Mandantenschreiben aussehen, wenn man mit solchen im Examen dann kaum Punkte bekommt und die Stationsnoten sowieso für die Tonne sind?
Naja, nur dass echte Schriftsätze mitunter anders aussehen, sollte ja nicht unbedingt der Maßstab sein. Inwieweit unterscheidet sich denn ein guter Schriftsatz in der Praxis von einem guten Schriftsatz im Examen?
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Theopa »

Liz hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 18:13 Da ist m. E. zunächst der Stationsausbilder gefragt, den Referendaren zu vermitteln, warum sie das jetzt richtig lernen wollen. Ich hatte bislang noch keine Probleme, meinen Referendaren zu erklären, weshalb sie lernen sollten, wie sie ein richtiges Urteil schreiben oder sie dazu zu motivieren, einmal eine mündliche Verhandlung zu leiten. Ich wüsste jetzt ehrlich gesagt nicht, weshalb man kein Interesse daran haben sollte, zu lernen, wie man formvollende Schriftsätze an das Gericht oder an Mandanten schreibt - und zwar unabhängig davon, ob man dafür in nennenswertem Umfang Punkte im Examen erwarten kann.
Das ist in der Theorie richtig, am Ende muss man aber als Referendar auch aus Zeitgründen Prioritäten setzen. Ich habe auch mehrfach freiwillige Aufgaben übernommen, z.B. öfter als notwendig beim Sitzungsdienst mitgemacht da es mich interessiert hat, sonst aber das Examen als Priorität gesehen. Die Frage ist aber ob es allgemein sinnvoll ist bei schriftlichen Arbeiten zwischen "Klausur-Richtig" und Richtig-Richtig zu unterscheiden.

Wer in der Klageerwiderung den korrenten Sachvortrag perfekt aufbereitet liefert, perfekt bestreitet etc. und dann beim Rechtsvortrag nur noch zwei bis drei höchst streitige und Fallrelevante Punkte knapp anführt wird im Examen wohl eher durchfallen. In der Praxis hätte er aber eigentlich alles richtig gemacht, da es wohl eher schadet als hilft (und meist eben schlicht überflüssig ist) dem Richter noch einmal ganz nebenbei zeigen zu wollen wie man denn nun § 823 Abs. 1 BGB prüft.
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Liz »

@Theopa: Das Zeitargument greift allerdings nur durch, wenn man keinerlei Zeit für die Stationsarbeit aufwenden möchte oder sich gänzlich examensferne Stationen aussucht und dort auf Ausbilder trifft, die nicht dafür Sorge tragen, dass man auch mal ein paar klassische Anwaltsschriftsätze fertigen muss und sich dann mal den Moment Zeit nehmen, einem zu erklären, was in der Praxis richtig ist und an welchen Stellen im Examen erwartet wird, dass man sein Wissen zeigt. Mir scheint es insoweit vor allem ein hausgemachtes Problem zu sein, wenn man einerseits klassische anwaltliche Fähigkeiten für überbewertet hält und andererseits auch möglichst wenig Aufwand in die Ausbildung stecken möchte. Anwaltsklausuren sind hier übrigens idR zweigeteilt, dh es ist zunächst ein umfassendes Gutachten zu schreiben und sodann sich hieraus etwaig ergebende Schriftsätze an das Gericht bzw. den Mandanten zu verfassen.
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Theopa »

Liz hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 18:43 Anwaltsklausuren sind hier übrigens idR zweigeteilt, dh es ist zunächst ein umfassendes Gutachten zu schreiben und sodann sich hieraus etwaig ergebende Schriftsätze an das Gericht bzw. den Mandanten zu verfassen.
Das ist hier im tiefen Süden idR anders, beides ist aber aus meiner Sicht nicht sinnvoll, da eine reine Wiederholung bereits geprüften Wissens: Wer das erste Examen bestanden hat sollte doch langsam mal genug Gutachten formuliert haben?

In der Praxis zählt das Ergebnis, es ist völlig egal ob ich dahin durch ein perfektes Gutachten mit einer prägnanten und logischen Prüfung komme, oder die passende Gesetzeslage + Rechtsprechung des BGH kenne, kurz nachsehe ob der Sachverhalt genau dazu passt und im Ergebnis gar nichts gutachterlich prüfe sondern nur meinen aus prozessualer Sicht perfekten Schriftsatz abliefere.

Und da kommen wir auch wieder zur Zeitfrage: Es wäre wunderbar Zeit für die neuen Dinge die man zum Zweiten lernt, wenn man nicht im Hintergrund noch altes Wissen ständig, oft auf Erstexamensniveau, wiederholen - gerade für diejenigen die erst einmal promoviert hatten die Hölle - und sogar neues materielles Wissen zwingend lernen müsste.
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Fyrion
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Fyrion »

Auch hat es m. E. nichts mit "keine Mühe geben" zu tun - wenn ich eine Klausur erstelle, kann ich heute ohne weiteres antizipieren, welche Hinweise die Examenskandidaten in den ihnen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln finden werden und damit den Schwierigkeitsgrad der Klausur eingrenzen bzw. gezielt Fragestellungen heraussuchen, die sich nicht allein aus dem Kommentar beantworten lassen. Bei 1.000+ Treffern bei beck-online kannst Du das schlichtweg vergessen. Dann kannst Du eigentlich nur gänzlich absurde Fragestellungen aussuchen, bei denen man stundenlanger Recherche enttäuscht feststellt, dass es dazu wirklich noch nichts gibt.
Oder sich von der Vorstellung verabschieden, dass eine Prüfung so gestaltet sein muss, dass man eine bestimmte Antwort (die man nicht kennen darf) finden muss. In Harvard sind ein guter Teil der Prüfungen in der Law School sog. open book tests. D.h. absolut alle Hilfsmittel sind erlaubt. Trotzdem sind die Schnitte nicht wesentlich besser als bei anderen Prüfungen. Es ist einfach eine andere Art des Prüfens und Denkens und mE die wesentlich realitätsnahere. Das war vor 30 Jahren vielleicht mal ne taugliche Prüfung, aber so arbeitet heute einfach kein Mensch mehr und es geht auch keiner so an den Fall heran. Natürlich müsste man bei einer Vielzahl von Kommentaren ein bisschen Recherche- und Organisationsskills zeigen. Aber genau das ist die anwaltliche Arbeit. 99% der Fälle sind Standardfälle, die allermeisten Anwälte betreiben eben kein Jura am Hochreck, sondern müssen schnell die richtige Antwort bei beck finden und sie dem Mandanten vernünftig kommunizieren.
In der Praxis zählt das Ergebnis, es ist völlig egal ob ich dahin durch ein perfektes Gutachten mit einer prägnanten und logischen Prüfung komme, oder die passende Gesetzeslage + Rechtsprechung des BGH kenne, kurz nachsehe ob der Sachverhalt genau dazu passt und im Ergebnis gar nichts gutachterlich prüfe sondern nur meinen aus prozessualer Sicht perfekten Schriftsatz abliefere.

Und da kommen wir auch wieder zur Zeitfrage: Es wäre wunderbar Zeit für die neuen Dinge die man zum Zweiten lernt, wenn man nicht im Hintergrund noch altes Wissen ständig, oft auf Erstexamensniveau, wiederholen - gerade für diejenigen die erst einmal promoviert hatten die Hölle - und sogar neues materielles Wissen zwingend lernen müsste.
Ganz genau, für mich war das Zweite aus genau diesem Grund auch viel nerviger. Erst den nutzlosen Kram aus dem Ersten während der Promotion vergessen, dann sich denselben nutzlosen Kram wieder draufschaffen, ihn auskotzen und wieder vergessen. Jetzt bin ich Anwalt und habe nichts davon jemals wieder gebraucht. Das ist einfach frustrierend. Die Studienjahre und sogar das Erste fand ich noch wirklich sinnvoll, weil es mich das juristische Handwerkszeug, Systematik, das logische Herangehen gelehrt hat. Das Zweite hat mich nichts gelehrt. Wirklich absolut gar nichts, es ist rein gar nichts an Wissen vorhanden, was nicht schon nach dem Ersten da war.

Und das mag ja gerne für jemanden anders sein, der zB. Staatsanwalt geworden ist. Dem wird die Station und die Arbeit dort geholfen haben. Aber ich wusste auch mit 24, dass ich nicht Staatsanwalt werden möchte. Warum musste ich mindestens ein halbes Jahr meines Lebens dieser für mich völlig sinnentleerten Beschäftigung widmen? Wer hat daraus welchen Mehrwert gezogen? Und welche Rolle spielt die Bewertung meiner Leistungen als "Staatsanwalt" für meine Qualifikation als (Wirtschafts-)Anwalt?
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Sektnase »

Das spricht ja dann doch eher gegen die Gewichtung. Fürs zweite Examen ist zeitlich gesehen ja auch weniger Lernzeit möglich.

Ich glaube allerdings, dass das System so schlecht gar nicht ist. Recherchearbeit etc macht man doch in der Station, welche auch bewertet wird. Wenn man da wert drauf legt, kann man sich ja die Stationszeugnisse anschauen. Solche Arbeit dürfte aber (als Examen) noch schwerer zu bewerten sein, als es die Klausuren jetzt schon sind..
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von Liz »

Theopa hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 18:52 Und da kommen wir auch wieder zur Zeitfrage: Es wäre wunderbar Zeit für die neuen Dinge die man zum Zweiten lernt, wenn man nicht im Hintergrund noch altes Wissen ständig, oft auf Erstexamensniveau, wiederholen - gerade für diejenigen die erst einmal promoviert hatten die Hölle - und sogar neues materielles Wissen zwingend lernen müsste.
Das scheint mir jetzt allerdings ein selbstgeschaffenes, aber gut zu bewältigendes Problem zu sein. Ich musste aber zugegebenermaßen auch kein bayrisches Wasserrecht und Steuerrecht fürs Examen lernen ;)
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Re: Bewerbung GStA Düsseldorf

Beitrag von famulus »

Fyrion hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 18:55 Ganz genau, für mich war das Zweite aus genau diesem Grund auch viel nerviger. Erst den nutzlosen Kram aus dem Ersten während der Promotion vergessen, dann sich denselben nutzlosen Kram wieder draufschaffen, ihn auskotzen und wieder vergessen. Jetzt bin ich Anwalt und habe nichts davon jemals wieder gebraucht. Das ist einfach frustrierend.
Das habe ich mir spätestens in der Oberstufe auch immer wieder gesagt: "Wozu muss ich die zweite oder dritte Ableitung von etwas bilden können? Wenn ich nicht gerade Mathematiklehrer werden will, brauche ich das nie wieder!" Heute ärgere ich mich über diese dumme Kurzsichtigkeit, die zu einer Blockadehaltung und dementsprechend zu miesen Noten geführt hat.

Es geht nicht immer unbedingt darum, "irgend etwas davon jemals wieder zu brauchen", sondern oft einfach um Vergleichbarkeit, die Dokumentation der Adaptionsfähigkeit, m. a. W.: "Inwiefern ist der Schüler/Student in der Lage, sich mit neuen/ungewöhnlichen/komplizierten Aufgabenstellungen auseinanderzusetzen?" Es muss eben eine Differenzierung nach oben geben, also einen Punkt, bei dem einige abschalten und andere noch dranbleiben. Natürlich hat das mit Praxisrelevanz nicht unbedingt etwas zu tun, sondern mit Prüfung und Bewertung - aber es ist m. E. ein taugliches Mittel zur vergleichenden Wertung des Intellekts. (Auf der anderen Seite hilft mir die Durchdringung eines Problems, das mir so nie wieder begegnet, mittelbar aber vielleicht bei einem ganz anders gelagerten.)

Das ist bei Jura aus meiner Sicht nur abgeschwächt der Fall, weil sowohl das System-, aber auch jegliches Randverständnis den Juristen an sich "besser" macht - aber es ist (m. M. n. zu Recht) schon ein Aspekt der Juristenprüfungen. Außerdem muss ich als Anwalt eben schon ganz genau wissen, wie ein Richter oder ein Staatsanwalt "funktioniert", wenn ich erfolgreich beraten/vertreten will.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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