Die Praxis der richterlichen Freiheit

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Liz
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Liz »

@Tibor: Es gibt sicherlich Unterschiede zwischen den einzelnen Gerichtsbarkeiten, inwieweit (semi)inhaltliche Gespräche vom Gericht nur mit einer Partei geführt werden können, aber auch dort wo der Grundsatz der Amtsermittlung gilt und weitergehende Hinweispflichten gegenüber einer Partei bestehen, ist vieles sicherlich besser in einem offiziellen schriftlichen Hinweis aufgehoben als in einem gar nicht oder allenfalls rudimentär dokumentierten Telefonat nur mit einer Partei (siehe Aras Beispiel der "Verschwörung" von Gericht und Verteidigung gegen die StA).
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j_laurentius
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von j_laurentius »

Ich bin im Leben noch nicht auf die Idee gekommen, einen Richter anzurufen, um mit ihm Inhalte eines Rechtsstreits zu erörtern, umgekehrt werde ich aber relativ häufig von Richtern angerufen, um eben das zu tun (also nicht täglich, aber so ein- bis zweimal im Monat kommt das vor, VG-Richter scheinen da wenig Berührungsängste zu haben). Ehrlich gesagt bin ich gerade etwas irritiert darüber, dass sich hier die versammelte Richterschaft über Anrufe von Anwälten echauffiert.
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Muirne
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Muirne »

Ich hab bisher wenig gefunden, was es sinnvoll erscheinen ließe, sich die ganze Zeit von Parteien anrufen zu lassen. Am Besten lässt man wohl echt nicht durchstellen bzw stellt das Telefon aus.

Und zur Ausgangsfrage: ich finde das ist ein vollkommen legitimes und auch sinnvolles Anliegen.
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Urs Blank
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Urs Blank »

Muirne hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 20:03 Ich hab bisher wenig gefunden, was es sinnvoll erscheinen ließe, sich die ganze Zeit von Parteien anrufen zu lassen. Am Besten lässt man wohl echt nicht durchstellen bzw stellt das Telefon aus.
Kommunikation wird insgesamt überschätzt. Ich schließe zusätzlich die Bürotür von innen ab und lasse an den Fenstern die Rollos runter.
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von stilzchenrumpel »

Urs Blank hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 20:44
Muirne hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 20:03 Ich hab bisher wenig gefunden, was es sinnvoll erscheinen ließe, sich die ganze Zeit von Parteien anrufen zu lassen. Am Besten lässt man wohl echt nicht durchstellen bzw stellt das Telefon aus.
Kommunikation wird insgesamt überschätzt. Ich schließe zusätzlich die Bürotür von innen ab und lasse an den Fenstern die Rollos runter.
Ich schließe immer den Sitzungssaal von innen ab und lasse die Rollos runter. Dann setze ich mich, gucke die Rechtsanwälte an und warte einfach, bis sie auf Toilette müssen und sich vergleichen. Ist ausschließlich Non-verbale Kommunikation meinerseits =D>
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
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Muirne
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Muirne »

Urs Blank hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 20:44
Muirne hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 20:03 Ich hab bisher wenig gefunden, was es sinnvoll erscheinen ließe, sich die ganze Zeit von Parteien anrufen zu lassen. Am Besten lässt man wohl echt nicht durchstellen bzw stellt das Telefon aus.
Kommunikation wird insgesamt überschätzt. Ich schließe zusätzlich die Bürotür von innen ab und lasse an den Fenstern die Rollos runter.
Mag sich ja lächerlich anhören, aber hab nun schon öfter gehört, dass die Leute gern abends arbeiten, weil man da eben nicht ständig am Telefon mit Sachen gestört wird, die sich zu 95% besser schriftlich regeln lassen.
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Urs Blank
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Urs Blank »

Muirne hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 20:56 Mag sich ja lächerlich anhören, aber hab nun schon öfter gehört, dass die Leute gern abends arbeiten, weil man da eben nicht ständig am Telefon mit Sachen gestört wird, die sich zu 95% besser schriftlich regeln lassen.
Klar, aber wo rufen denn Anwälte derart oft an, dass man sich ernsthaft gestört fühlen müsste? Ich meine, dass man gerade organisatorische Fragen (Terminsabstimmung u. ä.) viel rascher telefonisch klären kann als schriftlich. Außerdem ist es oft interessant, was Anwälte zu sagen haben. So lassen sie sich (im Strafrecht vor der Hauptverhandlung) nicht selten das zu erwartende Einlassungsverhalten des Mandanten oder beabsichtigte Anträge entlocken u. v. m. So manche Verständigung habe ich auch schon telefonisch hingekriegt. Mündliche Kommunikation (bisschen Small-Talk) verbessert außerdem das Klima. Ich meine auch nicht, dass man es mit der schriftlichen Dokumentation übertreiben muss. Wenn überhaupt, reichen oft stichwortartige Vermerke.
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Muirne
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Muirne »

Im Strafrecht kann ich das total nachvollziehen, im Zivilrecht fällt mir außer Terminklärung (die ich doodlen würde ;)) aber wirklich nicht viel ein. Und du hast ja Recht, wenn das selten ist, stört es einen natürlich auch nicht, aber hab wirklich schon von Richtern gehört, wo dann ständig das Telefon bimmelt und sie aus der Akte reißt bzw. sie anspruchsvollere Aufgaben schon von vornherein gar nicht um die Zeit machen können.
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Liz »

j_laurentius hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 17:31 Ich bin im Leben noch nicht auf die Idee gekommen, einen Richter anzurufen, um mit ihm Inhalte eines Rechtsstreits zu erörtern, umgekehrt werde ich aber relativ häufig von Richtern angerufen, um eben das zu tun (also nicht täglich, aber so ein- bis zweimal im Monat kommt das vor, VG-Richter scheinen da wenig Berührungsängste zu haben). Ehrlich gesagt bin ich gerade etwas irritiert darüber, dass sich hier die versammelte Richterschaft über Anrufe von Anwälten echauffiert.
Nun ja, es ehrt Dich, aber gibt doch durchaus den ein oder anderen Anwalt, der gerne mal versucht, mit dem Richter vorab inhaltliche Fragen zu erörtern, was ich als Zivilrichterin für schwierig halte. Und Anrufe wie "Muss der Geschäftsführer wirklich persönlich erscheinen?" oder "Hätte mein 2.-5. Antrag auf Fristverlängerung Aussicht auf Erfolg?" sind m. E. eher überflüssig (allzu häufig sind sie hier zum Glück allerdings auch nicht), jedenfalls aber nicht so dringend wie Kasimir meint.

@Terminsabsprachen: Das lohnt sich für mich im Zivilrecht (= ohne große Aussicht auf wertvollen "Beifang") vom Aufwand her eigentlich nur, wenn ich nur mit einer Seite telefonieren muss, also z. B. die eine Seite einen kurzfristigen Terminsverlegungsantrag mit einer Auswahl an alternativ möglichen Terminen stellt, über den ich mit der Gegenseite kurz telefonisch "beraten" kann oder mich - wie letztens - ein Anwalt in versicherter Absprache mit dem anderen Anwalt anruft, um in Erfahrung zu bringen, ob ich kurzfristig einen Alternativtermin anbieten könnte, auf den sich die Parteien einigen könnten.
Kasimir
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Kasimir »

Liz hat geschrieben:
j_laurentius hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 17:31 Ich bin im Leben noch nicht auf die Idee gekommen, einen Richter anzurufen, um mit ihm Inhalte eines Rechtsstreits zu erörtern, umgekehrt werde ich aber relativ häufig von Richtern angerufen, um eben das zu tun (also nicht täglich, aber so ein- bis zweimal im Monat kommt das vor, VG-Richter scheinen da wenig Berührungsängste zu haben). Ehrlich gesagt bin ich gerade etwas irritiert darüber, dass sich hier die versammelte Richterschaft über Anrufe von Anwälten echauffiert.
Nun ja, es ehrt Dich, aber gibt doch durchaus den ein oder anderen Anwalt, der gerne mal versucht, mit dem Richter vorab inhaltliche Fragen zu erörtern, was ich als Zivilrichterin für schwierig halte. Und Anrufe wie "Muss der Geschäftsführer wirklich persönlich erscheinen?" oder "Hätte mein 2.-5. Antrag auf Fristverlängerung Aussicht auf Erfolg?" sind m. E. eher überflüssig (allzu häufig sind sie hier zum Glück allerdings auch nicht), jedenfalls aber nicht so dringend wie Kasimir meint.

@Terminsabsprachen: Das lohnt sich für mich im Zivilrecht (= ohne große Aussicht auf wertvollen "Beifang") vom Aufwand her eigentlich nur, wenn ich nur mit einer Seite telefonieren muss, also z. B. die eine Seite einen kurzfristigen Terminsverlegungsantrag mit einer Auswahl an alternativ möglichen Terminen stellt, über den ich mit der Gegenseite kurz telefonisch "beraten" kann oder mich - wie letztens - ein Anwalt in versicherter Absprache mit dem anderen Anwalt anruft, um in Erfahrung zu bringen, ob ich kurzfristig einen Alternativtermin anbieten könnte, auf den sich die Parteien einigen könnten.
Ich würde in der Tat niemals auf die Idee kommen, mit einem Richter im Vorfeld einer Entscheidung über Rechtsansichten diskutieren zu wollen. Sofern dies Anwälte machen, ist das natürlich eine Unart.

Wenn ich aber mal eine(n) Richter(in) anrufe, dann mache ich mir Gedanken dazu. So z.B. wenn ein Richter gedankenlos Aufsichtsratsmitglieder persönlich lädt, was in Gesellschafterstreitigkeiten zu eigenwilligen Dynamiken führt.

Ich habe in letzter Zeit auch einige Male Registerrichter/Rechtspfleger angerufen, wenn sie Zwischenverfügungen erlassen haben, die offensichtlich entgegen (neuer) BGH-Rechtsprechung erfolgten. Das lief auch immer total kollegial und die Richter waren nett und einsichtig ohne irgendwelchen Vorwürfe meinerseits oder Arroganz seitens der Richter. Ich wusste dann nach dem Telefonat, dass ein kurzer Hinweis auf die entsprechende Entscheidung genügt und meine Eingabe nicht das Beschwerverfahren „vorbereiten“ muss. Und das meine ich: Oft lassen sich im persönlichen Gespräch viele Dinge klären, die schriftlich für alle Seiten einen erheblichen Mehraufwand bedeutet hätten.
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Liz »

Kasimir hat geschrieben: Sonntag 17. November 2019, 22:42 Wenn ich aber mal eine(n) Richter(in) anrufe, dann mache ich mir Gedanken dazu. So z.B. wenn ein Richter gedankenlos Aufsichtsratsmitglieder persönlich lädt, was in Gesellschafterstreitigkeiten zu eigenwilligen Dynamiken führt.
Aber die objektive Dringlichkeit dieser Frage dürfte es wohl in aller Regel nicht erfordern, dass der Richter immer umgehend telefonisch verfügbar ist, oder?
Ich habe in letzter Zeit auch einige Male Registerrichter/Rechtspfleger angerufen, wenn sie Zwischenverfügungen erlassen haben, die offensichtlich entgegen (neuer) BGH-Rechtsprechung erfolgten. Das lief auch immer total kollegial und die Richter waren nett und einsichtig ohne irgendwelchen Vorwürfe meinerseits oder Arroganz seitens der Richter. Ich wusste dann nach dem Telefonat, dass ein kurzer Hinweis auf die entsprechende Entscheidung genügt und meine Eingabe nicht das Beschwerverfahren „vorbereiten“ muss.
Das dürften allerdings auch keine streitigen Verfahren gewesen sein, in denen die kurze Diskussion am Telefon über die neuste BGH-Entscheidung irgendwie verfänglich sein könnte oder Du versucht hast, die Schreibarbeit an das Gericht zu delegieren, oder?
Und das meine ich: Oft lassen sich im persönlichen Gespräch viele Dinge klären, die schriftlich für alle Seiten einen erheblichen Mehraufwand bedeutet hätten.
Das stimmt auf Seiten des Gerichts eben nur, wenn es keine andere Partei gibt, die über den Verlauf des Gesprächs in Kenntnis gesetzt werden muss bzw. der Gesprächsinhalt nicht mit wenigen Sätzen notiert werden kann. Wenn mir der Anwalt dagegen erstmal 10 Minuten lang quasi ungeordnet das Problem schildert und mir lauter Dinge erzählt, die noch gar nicht aktenkundig sind, dann muss ich wahrscheinlich mehr schreiben, als wenn mir der Anwalt gleich einen richtigen Schriftsatz geschickt hätte.
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Kasimir »

Die Information der anderen Parteien könnte man ja technisch einfach lösen, indem Gespräche (mit Wissen aller Beteiligten) aufgezeichnet und dann per Software transkribiert werden. Das funktioniert in Schiedsverfahren ja auch gut. Es ist in der Tat absurd und antiquiert, wenn der Richter nach jedem Telefonat einen "Aktenvermerk" anfertigen muss.

Zum Thema der "objektiven Dringlichkeit". Ich meine, dass es so etwas nicht gibt. Ja, es kann durchaus für eine Partei in einem Streitkomplex sehr dringlich sein, etwas über irgendwelche prozessualen Schritte zu verfahren und davon kann taktisch (z.B. wie verhält man sich in einer kurzfristig anberaumten Gesellschafterversammlung, in der die Beteiligten auch alle zugegen sind) oder erwirkt man in einem anderen Teil des Komplexes ggf. eine einstweilige Verfügung. Dass ein Richter "umgehend" verfügbar ist, ist auch ohnehin selten.

Ich versuche vielleicht vier Mal im Jahr jemanden bei Gericht zu erreichen. Typischerweise rufe ich dann auf den jeweiligen Geschäftsstellen an. Oft benötigt es 5-10 Versuche, bis überhaupt jemand ans Telefon geht. In der Hälfte der Fälle geht dann eine Sachbearbeiterin ran, die mit dem Fall nichts zu tun hat. Die Sachbearbeiterin ist wahlweise "heute nicht mehr im Haus" (meist bereits um 15 Uhr), "krank" oder "im Urlaub".

Man könnte ja mal zukunftsgerichtet denken. E-Mail und Slack-Kommunikation würde die Unterbrechung durch Telefonate erheblich senken. Nach meiner Erfahrung sind Richter(innen) dafür aber noch weniger aufgeschlossen, was sicherlich auch an Restriktionen und Dokumentationspflichten geht.

Wir können uns vielleicht darauf einigen, dass

1. Anwälte Richter offensichtlich zu oft anrufen und mit irgendwelchem Mist behelligen;
2. Richter (ggf. auch deshalb) nicht gerne telefonieren oder E-Mails schreiben;
3. es effizienter ginge, wenn alle Beteiligten sich an bestimmte "Kommunikationsregeln" halten;
4. die richterliche Freiheit nicht dadurch beschränkt wird, dass der Richter per Telefon/Diensthandy etc. erreichbar sein muss.
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Liz »

Die Frage der "objektiven Dringlichkeit" hat m. E. eine zweifache Bedeutung, nämlich einerseits bei der Frage, ob es so eilig ist, dass sich der Richter "sofort" damit beschäftigen muss (und zwar - nochmals - mit einem größeren Arbeitsaufwand), und andererseits bei der Frage, ob die Justiz eine Infrastruktur schaffen muss, die gewährleistet, dass der Richter auch im Home-Office immer für die Parteien erreichbar ist (unterscheide: Erreichbarkeit für die Geschäftsstelle; meine Geschäftsstelle kann mich immer erreichen, aber sie würde mich nur anrufen, wenn es wirklich wichtig ist).
Und die richterliche Freiheit schränkt eine beständige telefonische Erreichbarkeit für die Parteien eben dort ein, wo der Richter frei in seiner Arbeitsorganisation ist - wenn ich am besten von 12-22 Uhr arbeite, dann ist es vielleicht doch ein Problem, wenn erwartet wird, dass ich um 9 Uhr für potentielle Anrufe der Parteien zur Verfügung stehe.

Und aktuell gilt, dass Telefonate und E-Mails mehr Aufwand machen, weil entweder ein Vermerk gefertigt oder die E-Mail erstmal der Akte zugeordnet werden muss, sofern man nicht ohnehin etwas nur in Vertretung gemacht hat und quasi Poststelle für den Kollegen spielt. Ich glaube auch nicht, dass da Tonbandaufzeichnungen die Lösung sind. Wer will sich das denn in normalen Gerichtsverfahren alles anhören? Zumal das ja (bei den entsprechenden Kollegen) erst einen Anreiz schaffen würde, dem Richter am Telefon alles ungeordnet zu erzählen, um es dann nicht nochmal selbst schreiben zu müssen, weil es ja bereits aktenkundig ist. Das halte ich nicht ernsthaft für unterstützenswert.

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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von Sektnase »

Sein Vorschlag war, dass es automatisch transkribiert wird. Auch da ist die Frage, ob das nicht unbedarft die Akte vollmüllt, ob es einen großen Unterschied macht ob das der Richter durch Vermerke oder die Software macht bezweifle ich aber 😏
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Die Praxis der richterlichen Freiheit

Beitrag von j_laurentius »

Wenn ich bei einem Richter anrufe(n muss), ist es in den allerseltensten Fällen dringend, aber es ist halt nervig, wenn ich stets die Mitteilung der Geschäftsstelle (wenn dort der Hörer denn abgenommen wird..) erhalte, dass der Richter nicht im Haus sei und ich es zum Zeitpunkt x nochmal versuchen könne, dann sei er vielleicht zu erreichen. Das passt dann vielleicht nicht mit meiner Zeitplanung zusammen und überhaupt muss ich dann daran denken, zu dieser Zeit anzurufen, und die Akte bis dahin weglegen und mich dann erst wieder gedanklich reinfuchsen. Es ist mit mehr Arbeit verbunden.

Mir geht es wirklich nicht darum, einen Richter stets und ständig anrufen zu können, das erwarte ich nicht und das kann ich als Anwältin selbst auch nicht leisten (auch wenn manche Mandanten, vor allem die, die eh nicht verstehen, wofür Anwälte überhaupt Geld kriegen, der Auffassung zu sein scheinen, dass das zu meiner Jobbeschreibung gehört), aber man kann als Richter vielleicht etwas Verständnis dafür haben, dass es für Anwälte durchaus doof sein kann, wenn man dem Richter hinterhertelefonieren muss. Und manchmal "muss" man das durchaus; ich hatte letztes Jahr eine Situation, da war eine richterliche Verfügung mir unvollständig bzw. unrichtig übersandt worden und das Gericht warf mir dann vor, dass ich seine Verfügung nicht korrekt beachtet hätte - da ich nicht verstand, wo überhaupt das Problem lag, habe ich zum Telefon gegriffen und die Situation mit dem Richter fernmündlich geklärt. Das hätte ich zwar auch schriftlich erledigen können, aber das hätte einen umfangreichen Schriftwechsel zur Folge gehabt, telefonisch konnte das Problem ad hoc erkannt und für den Richter und für mich verständlich gelöst werden. Auch da musste ich allerdings mehrmals bei Gericht anrufen, bis dieses Telefonat mit dem Richter geführt werden konnte. Wie gesagt, ich weiß und kann nachvollziehen, dass Richter nicht immer erreichbar sind, aber das darf ich als Anwältin schon schade und nervig finden, ohne dass ich mir vom Richter sagen lassen muss, seine richterliche Freiheit erlaube es ihm aber, nur montags, mittwochs und donnerstags zwischen 9:15 und 9:30 Uhr telefonisch erreichbar sein zu müssen, und ich solle mich da doch nicht so anstellen (mal überspitzt formuliert).
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