Gedanken über anwaltlichen Neustart

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Django17
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Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von Django17 »

Moin Leude,

meine Liebe galt seit jeher auch immer dem Strafrecht. Ich bin aber seit 7 Jahren Anwalt in einer auf Unternehmensrecht ausgerichteten 7-Mann-Bude im ländlichen Bereich. Delinquenten werden hier aber ungern gesehen, sodass sich meine strafrechtliche Praxiserfahrung auf einige Nebenklagen beschränkt. Ich mochte aber immer die Geschichten und die Beteiligten dazu.

Ich würde gerne mein eigenes Ding machen und mich (gerne auch in Bürogemeinschaft) ausschließlich dem Strafrecht und seiner Klientel widmen. Die Standardverteidiger hier in der Gegend haben altersbedingt ihren Zenit bald überschritten.

Meint jemand, es erscheint unsinnig, wenn ich trotz Topmotivation nochmal umsattel?! Achja, werde bald 38 und lebe am Rande einer großen Meteopolregion im Norden.
Herr Schraeg
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Re: Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von Herr Schraeg »

Ich bin immer dafür, dass man das tut, was man liebt. Du bist auch lange genug Anwalt, um die Chancen und Risiken der Neuorientierung selbst am besten einschätzen zu können. Mach Dir vielleicht einen 5- Jahres- Plan mit konkreten Zwischenzielen, wie Du die Durststrecke am Anfang überwindest und wann Du wo stehen willst, verbunden mit einer Rückfallüberlegung, was Du machst, wenn es nicht klappt.
Django17
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Re: Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von Django17 »

Die Rückfallüberlegung würde ich am liebsten weglassen!
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Ara
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Re: Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von Ara »

Die Akquise im Strafrecht ist halt mörderisch, das muss dir bewusst sein. Die ganzen typischen Akquisekanäle, die es im Zivilrecht gibt, gibt es im Strafrecht nicht. Einen Strafverteidiger brauchen die meisten Menschen nur in einem sehr kurzem Zeitraum und genau in diesem Moment muss deine Akquise greifen. Bei Zivilrecht kannst du dich in entsprechenden Kreisen einen Namen machen (n Miet- oder Arbeitsrechler braucht im Zweifel jeder mal, nen Strafverteidiger nicht), das fällt im Strafrecht weg. Auch hast du keinen Mandantenstamm, da die meisten Mandanten nur einmal im Leben mit den Strafverfolgungsbehörden in Kontakt geraten. Am Anfang kann es natürlich helfen in einer Bürogemeinschaft mit Zivilrechtler zu sein und die dort anfallenden Strafverfahren im Tausch gegen die bei dir anfallenden Zivilverfahren zu tauschen.

Das ist imo die wichtigste Entscheidung, ob man den Neustart wagt oder nicht. Es kann am Anfang halt hart werden ausreichend Mandate zu bekommen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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thh
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Re: Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben: Montag 13. Januar 2020, 23:12Bei Zivilrecht kannst du dich in entsprechenden Kreisen einen Namen machen (n Miet- oder Arbeitsrechler braucht im Zweifel jeder mal, nen Strafverteidiger nicht), das fällt im Strafrecht weg.
Kommt auf die Kreise an - auch da gibt es solche, die durchaus regelmäßig Strafverteidiger benötigen. (Ob man das will, ist eine ganz andere Frage.)
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Ara
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Re: Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von Ara »

thh hat geschrieben: Dienstag 14. Januar 2020, 00:06
Ara hat geschrieben: Montag 13. Januar 2020, 23:12Bei Zivilrecht kannst du dich in entsprechenden Kreisen einen Namen machen (n Miet- oder Arbeitsrechler braucht im Zweifel jeder mal, nen Strafverteidiger nicht), das fällt im Strafrecht weg.
Kommt auf die Kreise an - auch da gibt es solche, die durchaus regelmäßig Strafverteidiger benötigen. (Ob man das will, ist eine ganz andere Frage.)
Da gibts aber spätestes ab der 2. Runde ohne Rechnung keine Bezahlung mehr, sondern man bietet dir an dich nicht ans Messer zu liefern ;p
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Blaumann
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Re: Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von Blaumann »

Ara hat geschrieben: Montag 13. Januar 2020, 23:12 Die Akquise im Strafrecht ist halt mörderisch, das muss dir bewusst sein.
Ich vermute, dass das auf den Standort ankommt. In meiner Zeit als Strafrichter in einem sehr großen, wenn auch spärlich besiedelten Amtsgerichtsbezirk gab es genau 2 Rechtsanwälte, die überhaupt im Strafrecht aktiv waren (einer kurz vor der Rente). Wenn ich einen anderen RA als Pflichtverteidiger brauchte, musste ich einen aus einer der 30-40 km entfernten Städte bestellen.

Um Akquise mussten die sich vermutlich wenig Gedanken machen.

Der TE schreibt ja selbst, dass die Verteidiger in seiner Gegend einen ziemlich hohen Altersschnitt aufweisen. Wenn die Mehrheit tatsächlich in absehbarer Zeit in Rente geht, könnte sich da ein gutes Zeitfenster ergeben. Wobei man da mit den Prognosen vorsichtig sein muss, gibt bekanntlich nicht wenige selbstständige Anwälte, die weit über das Renteneintrittsalter hinaus aktiv sind.

@TE

Hast Du mal über strafrechtliche Compliance nachgedacht? Für einen Wirtschaftsrechtler absolut kein 'anrüchiges' Gebiet und Du könntest deine Praxis möglicherweise langsam in Richtung Strafrecht ausbauen, ohne einen scharfen Schnitt machen zu müssen. Überhaupt könnte die Ausrichtung auf 'White Collar Crime' langfristig deutlich lukrativer sein, als bis ans Lebensende Hühnerdiebe auf RVG-Basis zu verteidigen. ;)
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Strich
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Re: Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von Strich »

Auch hast du keinen Mandantenstamm, da die meisten Mandanten nur einmal im Leben mit den Strafverfolgungsbehörden in Kontakt geraten.
Hahahahahahahahahahaha. Der Angeklagte ohne Eintragungen war doch eher die seltene Ausnahme.

Aber gut, vermutlich ist das aus Anwaltssicht anders, ich habe damals kein Strarecht gemacht. Da vergleicht man ja möglichst bei den nicht vorbestraften alles weg.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

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Blaumann
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Re: Gedanken über anwaltlichen Neustart

Beitrag von Blaumann »

Strich hat geschrieben: Dienstag 14. Januar 2020, 18:11
Auch hast du keinen Mandantenstamm, da die meisten Mandanten nur einmal im Leben mit den Strafverfolgungsbehörden in Kontakt geraten.
Hahahahahahahahahahaha. Der Angeklagte ohne Eintragungen war doch eher die seltene Ausnahme.
Einen großen Teil der Ersttäter kriegst Du als Strafrichter gar nicht zu Gesicht, weil die StA den Pillepallekram vorher einstellt.
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