Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

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Gelöschter Nutzer

Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich habe den Eindruck, dass der Umfang des Obersatzes samt Definition im 2. Examen deutlich größer und wichtiger als im 1. Examen ist. Würdet ihr mir zustimmen? Damit meine ich klassische "Floskeln", welche die Rechtsprechung typischerweise als ausführlichen Maßstab voranstellt, bevor sie zum Einzelfall kommt.

Bsp.: Quotenbildung nach § 17 I, II StVG (ungeachtet von Besonderheiten, die sich daraus ergeben, dass im 2. Examen ggf. eine Beweiswürdigung/Beweislastentscheidung usw. vorzunehmen ist und der Tatsache, dass StraßenverkehrsR im 2. viel wichtiger ist)

Im 1. Examen hätte ich einfach etwa geschrieben:

"... Die Haftungsquote ist nach dem Verursachungsbeitrag beider Parteien unter umfassender aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Verschuldens, zu bilden.

Vorliegend (...)"

Weitere Aspekte, wie die Betriebsgefahr, Verschulden usw. hätte ich dann im Rahmen der Einzelfallwürdigung/Subsumtion erstmals erwähnt und mit einfließen lassen (sie sind ja von den "Umständen des Einzelfalles" schon erfasst).

Im 2. Examen (egal ob RA- oder Urteilsklausur) hätte ich dagegen einen weitaus ausführlicheren OS gebildet:

"Die Haftungsquote ist gem. § 17 I, II StVG anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu bilden. Hierbei ist insbesondere der jeweilige Verursachungsbeitrag zu berücksichtigen. Fahrzeugführer und -halter bilden insoweit eine Zurechungseinheit [natürlich nur bei Auseinanderfallen hier ansprechen]. Lediglich erwiesene oder unstreitige Beiträge können Berücksichtigung finden. Daneben ist auch das Verschulden der Beteiligten miteinzubeziehen, wobei maßgeblich auf Verstöße gegen die Verhaltensregeln der StVO abzustellen ist. Auch die allgemeine Betriebsgefahr - d.h. die Gefährlichkeit des Fahrzeugs anhand seiner Größe, Geschwindigkeit, seines Gewichts usw. - sowie die besondere Betriebsgefahr - also das konkrete Verkehrsverhalten - sind zu würdigen.

Gemessen hieran (...)"

Was meint ihr? Haltet ihr diese Beobachtung für zutreffend? Wie ist sie zu erklären?
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Justitian
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Re: Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

Beitrag von Justitian »

Das zweite ist einfach nur aus dem Kommentar abgeschrieben, das geht halt im 1. Examen nicht
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
Gelöschter Nutzer

Re: Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Auch im 1. Examen weiß man ja, dass gewisse Faktoren bei einer Abwägung relevant sind. Dennoch macht man es idR nicht so, dass man bereits alle oder die meisten davon in einen langen Obersatz steckt und dann darunter subsumiert. Stattdessen wählt man eher eine kurze, griffige Definition, sagt etwas von "allen Umständen des Einzelfalles", und beginnt dann sogleich mit "Vorliegend..., zwar... einerseits...andererseits", wobei man eben die wichtigen Kriterien erst im Rahmen der Subsumtion erwähnt.
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batman
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Re: Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

Beitrag von batman »

In einer Assessorklausur erwartet niemand derartige Obersätze, die der BGH aus Textbausteinen und Selbstzitaten generiert. Wichtiger ist, dass der Kandidat den Urteilsstil als solchen beherrscht.
gola20
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Re: Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

Beitrag von gola20 »

Ich hab lange Definitionen gemacht bei den Schwerpunkten in den Klausuren. Waren natürlich alle abgeschrieben. Wurde sehr positiv bewertet.
Urteilsstil als solcher muss natürlich sitzen. Den braucht man für die 4 Punkte Schwelle.
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Ara
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Re: Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

Beitrag von Ara »

Ich denke man kann nicht pauschal sagen, ob Obersatz und Definitionen nun im 1. oder im 2. Examen wichtiger ist. Im 2. Examen ist es halt noch wichtiger, dass man das Wichtiges vom Unwichtigen trennt. Was im Zweifel dann auch bedeutet, dass man Definitionen so zusammenstutzt, dass nur das problematische definiert wird.

Die Schwierigkeit im 2. Examen ist, dass es unendlich viele Stile gibt und je nachdem wie dein Korrektor es macht, er es anders gewichtet. Der gemeine Amtsrichter schreibt seine Urteile ja nicht so, wie man es im Examen erwartet. Wenn du nun aber gerade nen "Fehler" machst, den der Richter am AG in seinen Urteilen auch immer so macht, dann wird er dir das kaum anstreichen (Ich hatte Richter im Klausurenkurs, die wussten nicht mal wie es korrekt laut Lehrbüchern geht). Hast du da aber den Leiter der Personalstelle der Referendare der nur noch eine 1/8-Stelle am OLG hat, der erwartet von dir dann schon einen Aufbau wie er im Lehrbuch steht. Das hab ich am schwersten Empfunden im 2. Examen.

Ich würde im Zweifel aber alles so knapp wie möglich halten und nur dort, wo es problematisch wird mit Definitionen in die Tiefe gehen. Denn machen wir uns nichts vor: Der größte Teil der Note im 2. Examen hängt nicht davon ab, ob man nun den Urteilstil perfekt beherrscht (von daher widerspreche ich hier gola20) oder Rechtsstreit Y anständig gelöst hat, sondern ob der Gesamteindruck der Leistung erwarten lässt, dass der Bearbeiter in der Praxis eine akzeptable Leistung erbringen wird.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Gelöschter Nutzer

Re: Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ara hat geschrieben: Sonntag 9. Februar 2020, 10:51 ob der Gesamteindruck der Leistung erwarten lässt, dass der Bearbeiter in der Praxis eine akzeptable Leistung erbringen wird.
Im Übrigen würde ich dir zustimmen, aber bzgl dieses Punktes frage ich mich, was das bedeuten soll.

Was macht eine Leistung dem Gesamteindruck nach praxistauglich, abgesehen von Formalien, Urteilsstil und fertig werden? Diese Grundvoraussetzungen dürften für sich genommen noch keine gute Note ausmachen.
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Ara
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Re: Obersatz/Definition im 1. vs 2. Examen?

Beitrag von Ara »

Suchender_ hat geschrieben: Montag 10. Februar 2020, 21:45
Ara hat geschrieben: Sonntag 9. Februar 2020, 10:51 ob der Gesamteindruck der Leistung erwarten lässt, dass der Bearbeiter in der Praxis eine akzeptable Leistung erbringen wird.
Im Übrigen würde ich dir zustimmen, aber bzgl dieses Punktes frage ich mich, was das bedeuten soll.

Was macht eine Leistung dem Gesamteindruck nach praxistauglich, abgesehen von Formalien, Urteilsstil und fertig werden? Diese Grundvoraussetzungen dürften für sich genommen noch keine gute Note ausmachen.
Damit meine ich, dass es relativ egal ist, ob Formalia X oder Y "falsch" ist, solange insgesamt erkennbar ist, dass jemand es grundsätzlich verstanden hat. Wenn zB ein Tatbestand aufgebaut wird. Da ist es meiner Erfahrung nach wichtiger, dass man erkennt, dass du weißt wie man streitig von unstreitigen trennt, als die Frage, ob man nun wirklich immer den richtigen Tempus verwendet hat.

Aber auch da hängt es letztendlich vom Korrektor ab. Wir hatten, insbesondere jüngere, Ausbilder die tatsächlich der Meinung gewesen sind, dass der Tatbestand in bestimmte Zeitformen zu fassen sei. Eine Begründung außer "So habe ich das auch gelernt" gab es nicht. Richtigerweise, und so auch von doch den meisten Ausbildern gelehrt, gibt es keine vorgeschriebene Zeitform. Auch im Oberheim gibt es nach meiner Erinnerung eine recht umfangreiche Erklärung, warum die Zeitform egal ist. Im Zweifel ist natürlich trotzdem zu empfehlen, sich an die "übliche Zeitform" zu halten, falls man einen Korrektor erwischt, der meint, dass es da feste Regeln gibt.

Trotzdem zählt mE das Gesamtbild der Arbeit noch mehr als im ersten Examen. Einzelne Fehler werden verziehen, sofern erkennbar ist, dass du n Urteil schreiben kannst. Ein Formalkorrektes Urteil, welches sich irgendwie "schräg" liest, wird im Zweifel schlechter abschneiden.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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