Verhältnis § 69 Abs. 4 SGB X zu § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X

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Ant-Man
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Verhältnis § 69 Abs. 4 SGB X zu § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X

Beitrag von Ant-Man »

Die für den Arbeitgeber bestimmte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weist - anders als beispielsweise die für den Arbeitnehmer bestimmte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - keine Diagnosedaten aus. Arbeitgeber können jedoch bei den Krankenkassen nachfragen, ob die Fortdauer einer bereits bestehenden Arbeitsunfähigkeit oder eine erneute Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers auf derselben Krankheit wie die bereits bestehende Arbeitsunfähigkeit. Die Krankenkassen sind gemäß § 69 IV SGB X berechtigt, derartige Anfragen zu beantworten, allerdings ist die Übermittlung von Diagnosedaten an den Arbeitgeber nicht zulässig. Ist jedoch die Krankenkasse berechtigt, die Diagnosedaten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nach § 69 I Nr. 2 SGB X zwischen ihr und dem Arbeitgeber (z.B. aufgrund eines Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X) offenzulegen? Aus meiner Sicht müsste das ohne weiteres zulässig sein.
olm379
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Re: Verhältnis § 69 Abs. 4 SGB X zu § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X

Beitrag von olm379 »

Hi,

Falls die Frage noch aktuell ist:

Ich würde das spontan nicht so unproblematisch einschätzen. § 69 IV dürfte m.E. lex speciales zu § 69 I Nr. 2 sein. Aufgrund der ausdrücklichen Aussage, dass die Übermittlung der Diagnosedaten selbst unzulässig ist, dürfte sich auch die Frage stellen, wieso diese gesetzgeberische Entscheidung in einem Klageverfahren nicht mehr gelten soll.
Nach kurzem Blick in den SGB X-Standardkommentar (von Wulffen/Schütze, dort § 69 Rn. 38) scheint dieser das ebenso so zu sehen. Dies dürfe der Krankenkasse aber im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht zum Nachteil gereichen (Hinweis auf LAG Köln v 22.8.2002 – 11 Sa 1097/01; im Hinblick auf einen Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: vgl LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 8.6.2016 – 4 Sa 70/15).
Ant-Man
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Re: Verhältnis § 69 Abs. 4 SGB X zu § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X

Beitrag von Ant-Man »

olm379 hat geschrieben: Montag 17. Februar 2020, 18:51Ich würde das spontan nicht so unproblematisch einschätzen. § 69 IV dürfte m.E. lex speciales zu § 69 I Nr. 2 sein. Aufgrund der ausdrücklichen Aussage, dass die Übermittlung der Diagnosedaten selbst unzulässig ist, dürfte sich auch die Frage stellen, wieso diese gesetzgeberische Entscheidung in einem Klageverfahren nicht mehr gelten soll.
Der § 69 Abs. 4 SGB X bezieht sich auf das Verhältnis Krankenkasse-Arbeitgeber. Im Falle eines Klageverfahrens der Krankenkasse gegen den Arbeitgeber erfolgt die Mitteilung aber nicht gegenüber dem Arbeitgeber, sondern gegenüber dem Gericht. Ferner zeigt gerade die von Dir genannte Entscheidung des LAG Köln v 22.8.2002 – 11 Sa 1097/01, dass der § 69 Abs. 4 SGB X im Klageverfahren der Krankenkasse gegen den Arbeitgeber nicht einschlägig ist. Denn laut dem Tatbestand des Urteils hat die Klägerin ein Sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein vorgelegt, demzufolge kein innerer Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen bestand.
olm379 hat geschrieben: Montag 17. Februar 2020, 18:51 Nach kurzem Blick in den SGB X-Standardkommentar (von Wulffen/Schütze, dort § 69 Rn. 38) scheint dieser das ebenso so zu sehen. Dies dürfe der Krankenkasse aber im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht zum Nachteil gereichen (Hinweis auf LAG Köln v 22.8.2002 – 11 Sa 1097/01; im Hinblick auf einen Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: vgl LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 8.6.2016 – 4 Sa 70/15).
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist mir bekannt und dort wird die Auffassung vertreten, dass die Übermittlung der Diagnosedaten durch die Krankenkasse in einem Klageverfahren gegen den Arbeitgeber gerade nicht möglich sei. Um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, wenn die Krankenkasse gegen den Arbeitgeber vorgeht, müsse daher auch der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Diagnosen nicht mitteilen, wenn dieser ohne das dies durch Tatsachen begründet sei eine Neuerkrankung bestreite. Diesen Wertungswiderspruch sehe ich aber nicht, wenn die Krankenkasse die Diagnosedaten im Rahmen des § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X offenlegen darf. In der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg wird der § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X gar nicht erwähnt.
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