Mit dem 1.Staatsexamen auswandern

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WorldWideLaw
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Mit dem 1.Staatsexamen auswandern

Beitrag von WorldWideLaw »

Hallo liebe Mitjuristen,

Das hier ist mein erster Beitrag in einem Jura-Forum, von daher würde ich mich über hilfreiche und wertungsfreie Antworten sehr freuen.
Vor allem im Hinblick darauf, dass ich zu meinem persönlichen Anliegen kaum Informationen finde.

Erstmal zu Situation:
Ich werde demnächst mein 1.Staatsexamenzeugnis in der Hand halten.
Nun wird natürlich die Karriereplanung umso relevanter und realer. Natürlich ging stromlinienförmig erstmal die Bewerbung für die Wunsch-Ref. Stelle raus, die zu bekommen wird auch wohl kein Problem werden.

Was das Problem jedoch ist, das mich die klassischen juristischen Berufe nicht reizen.
Ich möchte kein Anwalt, kein Richter, kein klassischer Jurist werden, sodass ich einerseits den Mehrwert eines Refs nicht sehe.
Auf der anderen Seite werde ich auswandern, das steht bei entsprechenden Jobmöglichkleiten fest. Nun zu dem Dilemma.
Einerseits sagt "Jeder", ich soll mein zweites Examen machen um bessere Chancen zu haben, ernstgenommen zu werden etc.
Nun andererseits weiß ich wirklich nicht was ich mit einem 2.Staatsexamen anfangen soll, da ich niemals vor habe in Deutschland als Jurist zu arbeiten, geschweige denn überhaupt jemals in einem klassisch juristischen Bereich tätig zu werden.
Dies sei mal als Frage 1 dahingestellt.

Weiterhin finde ich kaum Informationen was ich im Ausland überhaupt für Berufe ausüben kann.
Mein Ziel ist eine Tätigkeit bei den Vereinten Nationen in den Bereichen "Good Governance", "Climate Law", "Human Rights" etc.
Den Berufseinstieg würde ich gerne über die Arbeit für NGO's erreichen oder notfalls auch deutschen Institute im Ausland, wobei mich dort der Beamtenapparat abschreckt.
Nun leider finde ich keinerlei Stellenangebote die auch nur annähernd zu meiner Qualifikation passen!
Ich spreche 5 Sprachen, davon 3 Fließend (wobei ich Letzebuergisch mal nicht mitzähle), mein Schwerpunkt habe ich in EU-Recht, Völkerrecht mit Schwerpunkt im int. Klimarecht abgelegt. Ich habe bereits in vier verschiedenen Ländern in und ausserhalb der EU gelebt/gearbeitet/studiert, wobei ich leider keinerlei "nützliche Berufserfahrung" gesammelt habe. Mir ist es wirklich egal wo ich lebe und wie lange, solange der Job interessant ist, grade die Arbeit in/über Ländern wie Israel, Palästina, Afghanistan oder der Iran reizen mich.
Ich hab mein ganzen Leben auf eine internationale Tätigkeit ausgelegt und habe jetzt das Gefühl, mir mit meinem Studienabschluss Jura alles selbst vernichtet zu haben und unvermittelbar für das In- und Ausland zu sein.

Von daher würde ich mich sehr freuen, falls ihr persönliche Erfahrungen oder Tipps mit mir teilt.
Danke schon einmal im Voraus!

Chris
Zuletzt geändert von WorldWideLaw am Mittwoch 19. Februar 2020, 11:13, insgesamt 2-mal geändert.
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WorldWideLaw
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Re: Mit dem 1.Staatsexamen auswandern

Beitrag von WorldWideLaw »

Ach und natürlich habe ich schon drüber nachgedacht einen Master als L.L.M. oder einen Regulären im Ausland drauf zu setzen, da ist aber auch die Frage: Was macht da wirklich Sinn?
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Tibor
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Re: Mit dem 1.Staatsexamen auswandern

Beitrag von Tibor »

Das Ref hat zwar den Volljuristen (deutsch) zum Ziel und setzt am Ende auch ein Staatsexamen voraus, die Ausbildungsstationen können aber auch für eine im Ausland angestrebte Tätigkeit wertvoll sein. Ggf besteht die Möglichkeit auch die Zivil- und Strafstation „international“ auszurichten. Es gibt spezielle Kammern / StA Abteilungen für ganz viel Kram. Die Verwaltungsstation bspw beim BMZ könnte Sinn machen, genauso wie Anwaltsstation bei entsprechend tätigen Anwälten. In der Wahlstation kann es dann auch richtig international werden.

Deshalb ist das Ref nicht nur sinnvoll, falls es mit der Auswanderung nicht klappt bzw. in 30 Jahren dann doch alles anders aussieht. Es ist auch gerade für die angestrebte Karriere sinnvoll.

BTW: Schon an Attaché gedacht? https://www.auswaertiges-amt.de/de/karriere/auswaertiges-amt/hoeherer-dienst/auswahlverfahren (Verwaister Link automatisch entfernt)
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Kasimir
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Re: Mit dem 1.Staatsexamen auswandern

Beitrag von Kasimir »

Nach meiner Kenntnis erfordern (juristische) Stellen in internationalen Organisationen (UN, EU) häufig, dass man man nationalem Recht die Anwaltszulassung erhalten könnte, also "fully qualified" ist; unabhängig davon, ob man diese Zulassung auch hat.

Unabhängig davon solltest du dir ansehen, welche Stellen/Laufbahnen dich konkret interessieren und welche Qualifikationen du dafür benötigst. Klar, kann ein 2. Examen dir ggf. nicht helfen, aber d.h. eben auch nicht, dass es klug ist, darauf zu verzichten. Die Idee mit einem Master im entsprechenden Bereich ist vielleicht keine schlechte Idee. Die LSE in London und auch Oxford haben entsprechende Programme. In den USA gibt es (u.a. in Georgetown) solche Programme.

Generell gilt: Der Markt für NGSos und internationale Organisationen ist extrem hart umkämpft. Dagegen ist der juristische Arbeitsmarkt, wo man "nur" zwei gute Examina braucht, ein Paradies. Es kommt darauf an, dass du an einer renommierten Uni warst und entsprechende Praktika vorweisen kannst.

Den Vorschlag von Tibor finde ich gut, wobei man wissen muss, dass der Job beim AA letztlich ein Verwaltungsjob ist, auch wenn er im Ausland stattfindet. Man verhandelt dort keine Human Rights-Abkommen, sondern stellt Reisepässe für Auslandsrentner aus bzw. besucht deutsche Drogendealer, die in Manila im Knast sitzen. Zudem ist man immer mal wieder in der Berliner-Zentrale eingesetzt.
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Muirne
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Re: Mit dem 1.Staatsexamen auswandern

Beitrag von Muirne »

WorldWideLaw hat geschrieben: Mittwoch 19. Februar 2020, 11:04 Ach und natürlich habe ich schon drüber nachgedacht einen Master als L.L.M. oder einen Regulären im Ausland drauf zu setzen, da ist aber auch die Frage: Was macht da wirklich Sinn?
Wenn überhaupt, dann mE eher einen weiteren Abschluss dort machen, wo du dann auch dauerhaft leben willst - je nachdem, was du dort machen möchtest. Ein LL.M. in UK macht zum Beispiel nur bedingt Sinn, das ist dort eher für die Leute, die Wissenschaft anstreben. Ich kenne ein paar Leute, die erfolgreich ohne 2. Examen sind, aber dafür ggfs. einen Abschluss, mit dem sie Anwalt sein können, im Ausland drauf gesattelt haben. Jedenfalls solltest du dir sicher sein, dass du das 2. wirklich nicht brauchst, wenn du es sein lässt.

Werdegang von NGO u.ä Menschen aus Deutschland kann ich dir insofern aus Nahbereichsempirie helfen: 1. Examen und Promotion. Nicht zwingend 2. Ob die da ewig bleiben können steht aber auch auf einem anderen Blatt.

Ich würde mir zum einen im Netz Kontakt zu Juristen suchen, die bei NGO's arbeiten und die einfach fragen, wie sie reingekommen sind. So kriegst du am Ehesten ein Gefühl für das Anforderungsprofil. Außerdem würde ich dir empfehlen, ein Praktikum, Nebenjob oder derartiges in dem Bereich zu machen, bevor du alles darauf auslegst. Nicht nur kriegst du darüber vermutlich die gewünschten Infos (und erfährst gleich mal, wie schwer es ist, ohne Vit B ein unbezahltes Praktikum zu bekommen), eventuell wird dir auch klar, dass das alles doch gar nicht so toll ist. So ging es jedenfalls mir bei den Ausflügen zur UN und bei Gesprächen mit teils offen desillusionierten Leuten, die da gearbeitet haben ("Wenn Sie das hier aus Idealismus in Betracht ziehen, rennen Sie!"). ;)
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Tibor
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Re: Mit dem 1.Staatsexamen auswandern

Beitrag von Tibor »

Kasimir hat geschrieben: Mittwoch 19. Februar 2020, 12:50 ... sondern stellt Reisepässe für Auslandsrentner aus bzw. besucht deutsche Drogendealer, die in Manila im Knast sitzen.
Das übernimmt wohl eher ein Konsulatssekretär, nicht aber ein Legations- oder Botschaftsrat.
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Muirne
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Re: Mit dem 1.Staatsexamen auswandern

Beitrag von Muirne »

Und ja, ob du das 2. Examen wirklich nie mehr brauchst ist eben die Frage. Das kommt ganz stark darauf an, ob du dir 100% sicher bist, nie eine Zulassung in Deutschland zu brauchen und bereit bist, deshalb auch Gehaltseinbußen hinzunehmen. Schwierig 20 Jahre in die Zukunft zu schauen. Ich sag nur Brexit. Gehaltsnachteile hängen auch nicht unbedingt mit dem Anforderungsprofil zusammen, sondern die hat man beinahe zwingend ohne zweites, jedenfalls in Deutschland. Dazu kommt, dass in D jedenfalls der Volljurist bei der Bewerbung immer die Nase vorn haben wird. Das lässt sich kaum vermeiden.
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