Ausbildungsqualität des Referendariats

Alle Themen rund um das Referendariat (Organisation, Ablauf, Wahlstation im Ausland etc.)

Moderator: Verwaltung

Liz
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Re: Coronavirus

Beitrag von Liz »

Kasimir hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 09:55
Habt ihr alle die Ausbildung in den Stationen und der AG tatsächlich als gut und sachgerecht empfunden? Ich habe das noch nie von einem Juristen gehört.
Stationsausbildung bei Gericht (Zivil- und Wahlstation) und StA: Definitiv ja. Ich habe jede Menge gelernt, habe (weit überwiegend) interessante Akten bekommen und einen guten Einblick in die jeweilige Tätigkeit bekommen. Über die übrigen Stationen kann ich mich auch nicht direkt beschweren, habe aber etwa in der Anwaltsstation das Bemühen um „Ausbildung“ ein wenig vermisst.
AGs waren gemischt: Gut waren ZivilR (staatliche Sicht), StrafR (anwaltliche Sicht) sowie das Probeexamen und der Aktenvortragslehrgang. Speziell, aber lehrreich VerwaltungsR (staatliche Sicht). Völlige Zeitverschwendung war StrafR (staatliche Sicht) und wirklich absolut unterirdisch waren die AnwaltsAG zum VerwaltungsR und ZivilR. Hier habe ich allenfalls gelernt, stundenlang mit geheucheltem Interesse völlig unfähigen Leuten zuzuhören, anstatt ihnen in wenigen Minuten klarzumachen, dass sie es besser bleiben lassen sollten.
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Tibor
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Re: Coronavirus

Beitrag von Tibor »

Kasimir hat geschrieben: Habt ihr alle die Ausbildung in den Stationen und der AG tatsächlich als gut und sachgerecht empfunden? Ich habe das noch nie von einem Juristen gehört.
Also hier: Stationen alle super; freilich auch alle aktiv ausgesucht. AG waren nur für StrafR (staatlich und anwaltlich) und Zivil-Anwalt großer Mist. Einführung-AG waren gut. Schlecht war nur die Klausurbesprechung im Pflichtklausurenkurs. Wenn ich das in Worte fassen müsste, würde ich sagen „ganz überwiegend lehrreich“.
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Swann
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Re: Coronavirus

Beitrag von Swann »

Kasimir hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 08:14 Die Stationsarbeit besteht bei Gerichten und Staatsanwaltschaften (oft auch bei sonstigen Behörden) darin, dass der Referendar einmal pro Woche eine neue Akte abholt, auf die der Ausbilder keinen Bock hatte und die Akte zurückgibt. Ggf muss der Referendar dann noch einen halben Tag bei Sitzungen sich Fälle anhören, deren Inhalt er vorher nicht kennt und in deren Nachbereitung er nicht involviert ist.

Der einzige Trost ist, dass die Referendare nur neun Monate aushalten müssen, bevor sie das rettende Ufer der Anwaltsstation erreichen. Dort werden sie von den Koryphäen ihres Fachs engagiert, kenntnisreich und mit der nötigen sozialen Kompetenz in die Geheimnisse des Rechts eingeweiht. Every dusk has its dawn.
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Re: Coronavirus

Beitrag von Happier »

Happier hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 10:25 Also ich beziehe mich vor allem auf die AG´s in meiner jetzigen F-AG. Das sind die Ausbilder echt gut. Zuvor war das auch nicht immer der Fall. Was ich persönlich aktuell am meisten schätze ist neben dem fachlichen Können auch das Geschick uns Referendare mit Leidenschaft in Stück mitzureißen und die AG dadurch lebendig zu gestalten.

Ich habe aber auch schon Berichte gehört von Kollegen aus anderen AG´s wo die Erfahrungen andere sind.


Zusatz bzgl. der Praxisausbildung: ich persönlich hatte auch bei jeder Station Glück mit meinem/meiner jeweiligen Ausbilder (-in) und habe eine Menge lernen können und mich auch immer willkommen und vor allem unterstützt gefühlt. Nur die AGs waren dann eben nicht immer so gelungen.
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Re: Coronavirus

Beitrag von Sektnase »

Das ist ja ein Zufall, dass die, die selbst Referendare ausbilden, die Ausbildung für gut befinden..
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
Liz
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Re: Coronavirus

Beitrag von Liz »

Was ist daran komisch? Ich bin selbst auf gute Ausbilder getroffen und habe den Anspruch, meine Referendare auch gut auszubilden, was mir - dem Feedback meiner bisherigen Referendare zufolge - auch gelingt. Möglicherweise ist es auch umgekehrt, eine selbsterfüllende Prophezeiung, dass die Station nichts bringt, wenn man bei seinem Ausbilder mit einer Null-Bock-Einstellung aufschlägt, das alles unter seiner Würde empfindet und seine Energie vornehmlich darauf verschwendet, herauszufinden, bei welcher Kanzlei man seine künftige Karriere am besten startet?
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Tibor
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Re: Coronavirus

Beitrag von Tibor »

Das dürfte daran liegen, dass hier im
Forum nicht der Durchschnittsabsolvent aktiv ist, dieser bereits im Studium und dann auch im Referendariat mehr Engagement gezeigt hat, als für 4,x Punkte erforderlich war und zudem Spaß an der Sache hat. Ist man aber von Anfang an engagiert, werden das die meisten Ausbilder zur Kenntnis nehmen und positiv darauf reagieren, nämlich mit Lehrbereitschaft und Unterstützung. Im gegenteiligen Fall, also wo der Ref nur missmutig vorbeischlendert, Akten so lala aufbereitet und nicht proaktiv hinterfragt, wird auch der Ausbilder wenig begeistert sein. Am Ende berichten dann - im Regelfall - die ohnehin engagierten Referendare über eine gute Ausbildung und die anderen über eine miese Ausbildung.
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Freedom
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Re: Coronavirus

Beitrag von Freedom »

Tibor hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 10:45 Das dürfte daran liegen, dass hier im
Forum nicht der Durchschnittsabsolvent aktiv ist, dieser bereits im Studium und dann auch im Referendariat mehr Engagement gezeigt hat, als für 4,x Punkte erforderlich war und zudem Spaß an der Sache hat. Ist man aber von Anfang an engagiert, werden das die meisten Ausbilder zur Kenntnis nehmen und positiv darauf reagieren, nämlich mit Lehrbereitschaft und Unterstützung. Im gegenteiligen Fall, also wo der Ref nur missmutig vorbeischlendert, Akten so lala aufbereitet und nicht proaktiv hinterfragt, wird auch der Ausbilder wenig begeistert sein. Am Ende berichten dann - im Regelfall - die ohnehin engagierten Referendare über eine gute Ausbildung und die anderen über eine miese Ausbildung.
Hm, du relativierst deine eigene aussage ja auch schon etwas mit "die meisten", aber mal ausgehend von der Grundthese: Böse formuliert ist der Referendar, der keine gute Ausbildung bekommt, immer selbst schuld. Aber: Wenn der Ausbilder merkt, dass der Referendar keinen Bock hat und sich dann auch nicht bemüht, warum sollte das nicht auch umgekehrt gelten können?

Ich war noch nicht im Ref und vielleicht hast du recht. Wenn es unmotivierte Referendare gibt, warum sollte es nicht auch unmotivierte Richter und Staatsbedienstete geben? Ist nicht der Schluss viel näher, dass es wirklich engagierte und dann auch mittelmäßig engagierte Ausbilder gibt? Nehmen wir eine Skala von 1-10 bei der Motivation der Ausbilder und bei den Referendaren. Der Wert bei den Ausbildern gibt den höchstmöglichen abrufbaren Wert ab und der Wert bei den Referendaren den Wert, den er abrufen will. Nach oben wird das Engagement des Referendars also begrenzt durch das des Ausbilders.

Mit andere Worten: Der engagierte Referendar kann mit Sicherheit mehr abrufen als der unmotivierte, aber er hat es eben auch nicht komplett in der eigenen Hand.

Die Debatte hier ist mir daher zu einseitig, weil jeder jeweils nur seine eigene subjektive Erfahrung zu Grunde legt und dann behauptet, wenn es für mich so war, muss es auch für alle anderen so gewesen sein. Gilt freilich für beide Seiten.

Was mich inhaltlich noch interessieren würde, werden Staatsbedienstete dazu gezwungen, Referendare auszubilden bzw. haben sie finanzielle Anreize oder melden sich dafür nur die, die es auch machen wollen?
Digiwas?
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Re: Coronavirus

Beitrag von stilzchenrumpel »

Freedom hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 12:01 Was mich inhaltlich noch interessieren würde, werden Staatsbedienstete dazu gezwungen, Referendare auszubilden bzw. haben sie finanzielle Anreize oder melden sich dafür nur die, die es auch machen wollen?
:D Berlin stellt pro Quartal 160 Referendare ein. Es gibt glaube ich 350 Staatsanwälte in Berlin. Die Rechnung auf freiwilliger Basis kannst du selbst machen.

Ich (Zivilkammer) habe zB 4 Tage vorher erfahren, dass ich einen Referendar bekomme :D ich gebe mir Mühe, aber so richtig gut lässt sich das jetzt nicht machen.
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
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Re: Coronavirus

Beitrag von Liz »

@Freedom: Die Diskussion, wie nützlich die Stationsausbildung ist, ist zwangsläufig von den eigenen Erfahrungen geprägt, wobei hier keine Seite in Abrede stellt, dass es auch gute bzw. schlechte Ausbilder gibt. Strittig ist eher die Frage, was der Regelfall ist und inwieweit die Qualität der Stationsausbildung ggf. vom Referendar beeinflusst werden kann. Und da muss man klar sagen, es macht mehr Spaß, jemanden auszubilden, der einigermaßen motiviert und begeisterungsfähig ist, als wenn man jemanden da sitzen hat, der beständig eine Fresse zieht und alles für eine absolute Zumutung hält. Und umgekehrt entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Dinge, an die man von vorneherein negativ herangeht, meist auch besonders sch*** sind (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Im Übrigen zählt die Ausbildung von Referendaren zu den allgemeinen Dienstaufgaben, dh jeder Kammer / Abteilung werden regelmäßig Referendare zugewiesen, so dass man allenfalls innerhalb der Kammer entscheiden kann, wer wann einen Referendar nehmen kann / muss. In meiner Kammer ist es allerdings ein freundlicher Wettstreit, wer einen Referendar bekommt.
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Re: Coronavirus

Beitrag von David »

Swann hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 10:31
Kasimir hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 08:14 Die Stationsarbeit besteht bei Gerichten und Staatsanwaltschaften (oft auch bei sonstigen Behörden) darin, dass der Referendar einmal pro Woche eine neue Akte abholt, auf die der Ausbilder keinen Bock hatte und die Akte zurückgibt. Ggf muss der Referendar dann noch einen halben Tag bei Sitzungen sich Fälle anhören, deren Inhalt er vorher nicht kennt und in deren Nachbereitung er nicht involviert ist.

Der einzige Trost ist, dass die Referendare nur neun Monate aushalten müssen, bevor sie das rettende Ufer der Anwaltsstation erreichen. Dort werden sie von den Koryphäen ihres Fachs engagiert, kenntnisreich und mit der nötigen sozialen Kompetenz in die Geheimnisse des Rechts eingeweiht. Every dusk has its dawn.
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Re: Coronavirus

Beitrag von thh »

Blaumann hat geschrieben: Freitag 27. März 2020, 21:01Bei uns gab es eine Ausbildungsvorschrift, nach der die Stationsarbeit an 1-2 Arbeitstagen stattfinden sollte. Der Rest war AGs und Selbststudium vorbehalten. Hatte auch mit genug Assessoren aus anderen Ländern zu tun, war nirgendwo anders.
1 Tag Selbststudium, ggf. 1 (halber) Tag AG. - Das schließt nicht aus, dass die praktische Arbeit am Fall zu erheblichen Anteilen im Home-Office geleistet wird.
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Re: Coronavirus

Beitrag von thh »

Sektnase hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 10:33Das ist ja ein Zufall, dass die, die selbst Referendare ausbilden, die Ausbildung für gut befinden..
Nachdem die Referendarausbildung - in der Station - regelmäßig Dienstaufgabe ist, wird es wohl kaum Juristen im Staatsdienst geben, die nicht (ab und an) selbst Referendare ausbilden.
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Re: Coronavirus

Beitrag von PerryManson »

Freedom hat geschrieben: Samstag 28. März 2020, 12:01 Was mich inhaltlich noch interessieren würde, werden Staatsbedienstete dazu gezwungen, Referendare auszubilden bzw. haben sie finanzielle Anreize oder melden sich dafür nur die, die es auch machen wollen?
Bei uns werden Referendare von der Verwaltung zugeteilt. Ich bilde sehr gerne aus. Die meisten meiner bisherigen Referendare waren sehr engagiert und ein Gewinn für die Abteilung (ergo Arbeitserleichterung für mich :D )
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David
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Re: Coronavirus

Beitrag von David »

Ich habe extrem von der praktischen arbeit als Ref im Examen profitiert! In allen rechtsgebieten konnte ich auf das in der Praxis erlernte zurückgreifen. Ich war aber auch überdurchschnittlich leistungsbereit. Gegen Ende blieb kaum Zeit zum eigenstudium. Für mich war es im Nachhinein betrachtet dennoch der richtige Weg
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