Der Begriff Unrechtsstaat
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Aha, im Protokoll des Abgeordnetenhauses (hier, S. 39) gibt es eine "Erklärung" von Behrendt. Weshalb er im Rahmen der Diskussion Hessen als von Nazis unterwanderten Unrechtsstaat kritisiert hat, vermag man da allerdings nicht so recht nachzuvollziehen...
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Naja man kann sich das ja schon zusammenreimen... Vermutlich hat er das Vorgehen auch gegenüber der Justizministerin entsprechend kritisiert und dann wurde es halt persönlich. Es ist danach ja in der Presse etwas durchgesickert, dass es wohl sehr unter der Gürtellinie gewesen sein soll (Behrendt hat sich afaik später sogar bei ihr entschuldigt). Die Enthaltung der Länder war aber gerade nicht, weil man mit der Bezeichnung "Unrechtsstaat" grundsätzlich ein Problem hatte. Wie es mit Brandenburg war (die haben ja dagegen gestimmt) weiß ich nicht.Liz hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Mai 2020, 16:58 Aha, im Protokoll des Abgeordnetenhauses (hier, S. 39) gibt es eine "Erklärung" von Behrendt. Weshalb er im Rahmen der Diskussion Hessen als von Nazis unterwanderten Unrechtsstaat kritisiert hat, vermag man da allerdings nicht so recht nachzuvollziehen...
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Die echte Diskussion ist doch gerade wann man von Unrechtsstaat sprechen kann, wobei ich bisher folgende möglichen Ansichten sehe:Freedom hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Mai 2020, 15:30 Und ihr diskutiert hier darüber, ob die DDR kein Unrechtsstaat war, weil es bei den nazis ja noch schlimmer war? Ihr wollt die Verbrechen in der DDR relativieren, weil es ja auch schlimmere Staaten gegeben hat?
Wahnsinn. Was für ein Schlag ins Gesicht all der Menschen, die in Angst in der DDR gelebt haben, die eingesperrt wurden weil sie ihre Meinung gesagt haben oder die an der Grenze gestorben sind.
a)Sobald ein Kriterium der Rechtsstaatlichkeit fehlt. Der Begriff wäre damit sehr weit und würde praktisch alle Staaten der Vergangenheit erfassen, damit natürlich auch die DDR.
b)Sobald ein bestimmter Anteil der Elemente der Rechtsstaatlichkeit fehlt. Damit gäbe es kaum eine "richtige" Antwort bis man klarstellt wie viele Elemente in der DDR vorlagen und ab wie vielen/wenigen der Unrechtsstaat beginnt.
c) Sobald mehr als die Hälfte der Elemente fehlen, das "Unrecht" also überwiegt. Wäre wohl bei der DDR der Fall.
d) Sobald alle Elemente der Rechtsstaatlichkeit fehlen. Das wäre wiederum eindeutig zu beantworten, dann müsste man eben subsumieren.
Persönlich wäre ich bei b) und würde bereits bei ca. 3-5 langfristig fehlenden Elementen vom Unrechtsstaat sprechen. Die DDR würde diese Voraussetzungen natürlich leicht erfüllen, Länder wie Saudi-Arabien aber ebenfalls und selbst beim oben genannten Vatikan würde es schon extrem eng.
Am Ende muss man sich fragen, ob solche Begriffe nicht vielleicht einfach sinnfreier Blödsinn sind.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Das führt dann wieder zu dem Ergebnis, dass es eine Bandbreite geben muss. Wenn man bspw ein Punktesystem einführen würde
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dann wird es eine Bandbreite in positiver und negativer Hinsicht geben. Und dazwischen (!) gibt es dann einfach „Staaten“, die - Graubereich bspw von 30-70 Punkten - weder sicher als Noch-Rechtsstaat (71) bis Gerade-Unrechtsstaat (29) einzuordnen sind.
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dann wird es eine Bandbreite in positiver und negativer Hinsicht geben. Und dazwischen (!) gibt es dann einfach „Staaten“, die - Graubereich bspw von 30-70 Punkten - weder sicher als Noch-Rechtsstaat (71) bis Gerade-Unrechtsstaat (29) einzuordnen sind.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Welche Elemente eines Rechtsstaats hatte die DDR denn? Freie Ein- und Ausreise? Freie Wahlen? Versammlungsfreiheit? Freie Meinungsäußerung? Freie Berufswahl? (man hatte nach der Schule Gespräche mit Mitarbeitern der Partei, die dann maßgeblich Einfluss darauf hatten, welchen beruf man ausüben darf. Ach, der Vater ist Pfarrer? Tja, dann wirds leider nichts mit dem Studium. Aber wie wärs denn als Krankenschwester?) Religionsfreiheit, freies Predigen, auch regimkritisch? Eigentumsfreiheit? Menschenwürde, also kein erniedrigendes Verhalten in Gefängnissen? Willkürfreiheit? Recht auf ein faires Verfahren? Freie Bildung von Vereinigungen? Unverletzlichkeit der Wohnung? Pressefreiheit?Theopa hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Mai 2020, 19:29Die echte Diskussion ist doch gerade wann man von Unrechtsstaat sprechen kann, wobei ich bisher folgende möglichen Ansichten sehe:Freedom hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Mai 2020, 15:30 Und ihr diskutiert hier darüber, ob die DDR kein Unrechtsstaat war, weil es bei den nazis ja noch schlimmer war? Ihr wollt die Verbrechen in der DDR relativieren, weil es ja auch schlimmere Staaten gegeben hat?
Wahnsinn. Was für ein Schlag ins Gesicht all der Menschen, die in Angst in der DDR gelebt haben, die eingesperrt wurden weil sie ihre Meinung gesagt haben oder die an der Grenze gestorben sind.
a)Sobald ein Kriterium der Rechtsstaatlichkeit fehlt. Der Begriff wäre damit sehr weit und würde praktisch alle Staaten der Vergangenheit erfassen, damit natürlich auch die DDR.
b)Sobald ein bestimmter Anteil der Elemente der Rechtsstaatlichkeit fehlt. Damit gäbe es kaum eine "richtige" Antwort bis man klarstellt wie viele Elemente in der DDR vorlagen und ab wie vielen/wenigen der Unrechtsstaat beginnt.
c) Sobald mehr als die Hälfte der Elemente fehlen, das "Unrecht" also überwiegt. Wäre wohl bei der DDR der Fall.
d) Sobald alle Elemente der Rechtsstaatlichkeit fehlen. Das wäre wiederum eindeutig zu beantworten, dann müsste man eben subsumieren.
Persönlich wäre ich bei b) und würde bereits bei ca. 3-5 langfristig fehlenden Elementen vom Unrechtsstaat sprechen. Die DDR würde diese Voraussetzungen natürlich leicht erfüllen, Länder wie Saudi-Arabien aber ebenfalls und selbst beim oben genannten Vatikan würde es schon extrem eng.
Am Ende muss man sich fragen, ob solche Begriffe nicht vielleicht einfach sinnfreier Blödsinn sind.
Es gab NICHTS Davon! Das einzig demokratische an der DDR war der Name!
Und wenn hier ausgerechnet solche, die ersichtlich dem linken Spektrum zuzuordnen sind, meinen, den Begriff Unrechtsstaat anzuzweifeln, versuchen das mit Nazi-Deutschland zu vergleichen, versuchen den Begriff zu entkräften, dann verstehe ich das einfach nicht! Was steckt dahinter? juristische haarspalterei? Oder doch klare antikapitalistische Tendenzen? Gute alte Zeit? So viel Sympathie für den Sozialismus - das man meint, diesen Staat verteidigen zu müssen? Ideologische Verblendung? Oder doch Angst vor der Aufarbeitung? Es macht einfach keinen Sinn! Wir fordern eine ehrliche und schonungslose Erinnerung an die Verbrechen im dritten Reich, und das zu Recht!
Dieser Teil der deutschen Geschichte darf niemals vergessen werden, darf nicht verharmlost werden. Und nichts anderes gilt für die DDR! Es ist 30 Jahre her, wir müssen jetzt nicht anfangen irgendwas neu aufzurollen oder Menschen zu beschuldigen wegen Fehlverhaltens damals jenseits der strafrechtlichen Aufarbeitung.
Aber wir dürfen nicht vergessen! Wir dürfen nicht verharmlosen!
Was der Sinn des Begriffs Unrechtsstaat ist? Eine Bedeutungsdimension fällt mir da ein. Stell dir vor, du bist Opfer des Systems, saßt im Gefängnis weil du deine Meinung gesagt hast, wurdest bespitzelt. Und jetzt kommen irgendwelche Zeitgenossen aus der heutigen Zeit und sagen dir: Ach, der Begriff Unrechtsstaat, das ist doch alles wage. Das verwenden wir jetzt nicht mehr. Der Sinn eines solchen Begriffes ist: Der Respekt vor den Opfern. Und das Brandmarken dieser Zeit, um zu verhindern, dass es sich wiederholt.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Du hast jetzt aber nicht munter Grundrechte, Rechtsstaatsbegriff und Demokratie durcheinander gebracht, oder?Freedom hat geschrieben:...
Welche Elemente eines Rechtsstaats hatte die DDR denn? ...
Es gab NICHTS Davon! Das einzig demokratische an der DDR war der Name!
...
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Klar, gibt doch auch allerhand Indizes, die versuchen, genau das zu messen. "Menschenrechte, "Freiheit" usw.Tibor hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Mai 2020, 19:36 Das führt dann wieder zu dem Ergebnis, dass es eine Bandbreite geben muss. Wenn man bspw ein Punktesystem einführen würde
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dann wird es eine Bandbreite in positiver und negativer Hinsicht geben. Und dazwischen (!) gibt es dann einfach „Staaten“, die - Graubereich bspw von 30-70 Punkten - weder sicher als Noch-Rechtsstaat (71) bis Gerade-Unrechtsstaat (29) einzuordnen sind.
Nun kann man da je nach politischer Tendenz sicherlich Feintuning betrieben, so dass die Dikatur/gelenkte Demokratie des Vertrauens die Anforderungen gerade so noch erfüllt oder eben nicht. Dann ist Putins Russland oder Erdogans Türkei eben gerade so noch ein Rechtsstaat oder eben nicht.
Im Falle der DDR und ihren realsozialistischen Bruderstaaten springt einem jedoch das systematische Unrecht (Missachtung der Menschenrechte, Gewaltherrschaft, willkürliche Missachtung der eigenen Gesetze) dermaßen ins Auge, dass man entweder Apologet oder ahnungslos sein muss, um zu leugnen, dass es eine Antithese zu dem ist, was wir in der modernen deutschen Juristerei als freiheitlichen Rechtsstaat bezeichnen.
Den Apologeten, den Kommunisten und ihren nützlichen Idioten, kommt trotz all ihrer scheinheiligen Bekenntnisse zur Demokratie nicht über die Lippen, dass in ihrem Staat systematisch Verbrechen gegen das eigene Volk begangen wurden. Und genau deswegen bleibt die frischgebackene Landesverfassungsrichterin sitzen, wenn es um die Berliner Mauer und ihre Toten geht.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich dir mal inhaltlich zugestimmt habe ... aber jetzt.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Ich auch.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Wenn es um die DDR geht, ist es schwachsinnig sich dieser Erklärung nicht anzuschließen. Im Übrigen eine merkwürdige Diskussion, was soll es bitte zwischen Rechts- und Unrechtsstaat sonst geben? Natürlich ist das eine binäre Kategorie und alles was kein Rechtsstaat ist, ist automatisch ein Unrechtsstaat.famulus hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Mai 2020, 14:55 Bei all dem offensichtlichen Diskussionsbedarf können wir uns doch sicherlich darauf verständigen, dass es hirnrissig ist, jemanden ohne Weiteres dafür zu kritisieren, dass er sich einer pauschalen Erklärung, ein Staat sei ein Unrechtsstaat, nicht anschließt.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Schön, dass du uns abschließend aufgeklärt hast. Danke.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Ich hätte auch #2 an Tibor schreiben können, aber man muss doch was für den Postcounter tun
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Re: Der Begriff Unrechtsstaat
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Re: Der Begriff Unrechtsstaat
Diese Diskussion ist so beispielhaft sinnlos, wie die Frage, ob die BRD (#triggertibor) eine parlamentarische Demokratie ist. Außer, dass man sich an Begriffen hochzieht, gewinnt man nichts mit der Diskussion. Und ich habe sie auch noch komplett gelesen -.-
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Der Begriff Unrechtsstaat
Doch, die Diskussion bringt etwas: Sie schafft Wissen bei den Akteuren über die Art und Auffüllung von Begriffen, der Reichweite von Äußerungen im Politbetrieb, die Erkenntnis, dass gesellschaftlich vorgeprägten Begriffen schwer ein anderes Verständnis beigelegt werden kann bzw. dies außerhalb "interessierter Kreise" niemanden interessiert, das private geschichtliche Erfahrungen Unterschiede in der Beurteilungen erzeugen und das Konzept des veil of ignorance gar nicht so dumm ist und - last but not least - manche User nicht zu einer sachlichen Diskussion in der Lage sind, obgleich deren Bildungsstand dies hat erwarten lassen.Strich hat geschrieben: ↑Montag 25. Mai 2020, 18:36 Diese Diskussion ist so beispielhaft sinnlos, wie die Frage, ob die BRD (#triggertibor) eine parlamentarische Demokratie ist. Außer, dass man sich an Begriffen hochzieht, gewinnt man nichts mit der Diskussion. Und ich habe sie auch noch komplett gelesen -.-
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