StA Frust

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

McLawster
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StA Frust

Beitrag von McLawster »

Liebe Leute,

seit wenigen Monaten bin ich nun Staatsanwalt. Nach den Unregelmäßigkeiten wegen des Coronavirus sind wir nun mehr oder weniger im Normalbetrieb. Ich habe mich für den Dienst als StA entschieden, weil ich mir hier ein sinnstiftende Tätigkeit erhofft habe. Nun habe ich das Gefühl, einiges unterschätzt zu haben. Dass es Erledigungsdruck geben würde, war klar. Dass dieser so weit geht, dass mir von manchen erfahrenen Kolleginnen und Kollegen von "zu genauen Prüfungen" erschüttert mich aber doch, wenn es um die Frage meiner Zuständigkeit geht. Dass Verfahren zwischen den Staatsanwaltschaften hin und her geschickt werden in der Hoffnung, jemand anderes möge es machen, finde ich angesichts des Umstands, dass die Ermittlungen dadurch mitunter verzögert werden, auch sehr unglücklich.
Ich hatte tatsächlich erwartet, dass dies mit den Jahren besser werden würde, aber wenn ich mit älteren Leuten aus der Behörde spreche, klingt es so, als sei dies der Alltag auf Jahrzehnte. Daher bin ich nach dieser sehr kurzen Zeit schon am zweifeln, ob es das richtige ist. Es geht ganz klar nicht um die Arbeitszeiten, sondern um die Dichte der Arbeit. Nicht selten ertappe ich mich bei der Frage, ob ich meinem geleisteten Eid langfristig gerecht werden kann.

Ich würde mich freuen, von Euch zu hören, ob meine Eindrücke hinsichtlich der künftig zu erwartenden Umstände zutreffen, oder ob doch alles besser wird.
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thh
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Re: StA Frust

Beitrag von thh »

McLawster hat geschrieben: Montag 1. Juni 2020, 13:22Dass dieser so weit geht, dass mir von manchen erfahrenen Kolleginnen und Kollegen von "zu genauen Prüfungen" erschüttert mich aber doch, wenn es um die Frage meiner Zuständigkeit geht. Dass Verfahren zwischen den Staatsanwaltschaften hin und her geschickt werden in der Hoffnung, jemand anderes möge es machen, finde ich angesichts des Umstands, dass die Ermittlungen dadurch mitunter verzögert werden, auch sehr unglücklich.
Ja, das ist eine Unsitte, zumal (wenn denn überhaupt eine wie auch immer geartete denkbare Zuständigkeit besteht) die Erledigung oft schneller wäre als sich ständig darüber zu streiten, wer sich damit beschäftigt. Diese Unsitte ist aber glücklicherweise nicht überall verbreitet.
McLawster hat geschrieben: Montag 1. Juni 2020, 13:22Ich hatte tatsächlich erwartet, dass dies mit den Jahren besser werden würde, aber wenn ich mit älteren Leuten aus der Behörde spreche, klingt es so, als sei dies der Alltag auf Jahrzehnte. Daher bin ich nach dieser sehr kurzen Zeit schon am zweifeln, ob es das richtige ist. Es geht ganz klar nicht um die Arbeitszeiten, sondern um die Dichte der Arbeit. Nicht selten ertappe ich mich bei der Frage, ob ich meinem geleisteten Eid langfristig gerecht werden kann.
Das hängt wohl in erster Linie vom Tätigkeitsgebiet ab. Im Bereich der Massenkriminalität - das betrifft in erster Linie Allgemeindelikte, aber durchaus auch Verkehrssachen, Betäubungsmittelsachen und ggf. Jugendkriminalität - wird man sich daran gewöhnen muss, dass die Tiefe der Ermittlungen überschaubar ist; das betrifft regelmäßig aber auch bereits die polizeiliche Bearbeitung und ist letztlich unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache auch nicht unangemessen. Mit etwas Erfahrung wird regelmäßig dennoch eine Schwerpunktsetzung gelingen, so dass die umfangreicheren oder bedeutsameren Fälle dann auch mit der nötigen Tiefe bearbeitet werden können. Insoweit liegt es wiederum in der Natur der Sache, dass diese in der Regel erfahreneren Dezernenten zugeteilt werden.
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Re: StA Frust

Beitrag von Liz »

Die "Dichte der Arbeit" ist allerdings auch ein Stück weit subjektiv. Es hängt einerseits von der Erfahrung / Routine ab, ob man mit der Masse der Verfahren klarkommt, ohne das Gefühl zu haben, die Verfahren nur noch erschlagen zu müssen. Andererseits hängt es auch davon ab, ob man alles bis ins letzte Detail durchdenken muss oder auch in der Lage ist, pragmatische Entscheidungen zu treffen (zB ein Delikt, über das man tagelang nachdenken könnte, nach § 154/154a StPO einzustellen, wenn es vertretbar ist, anstatt nach tagelanger Grübelei etwas ans Gericht zu schicken, bei dem der Richter denkt: "Interessant. Können wir das nicht einstellen?").
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Re: StA Frust

Beitrag von Omnimodofacturus »

Dabei muss man natürlich davon ausgehen, dass die StA mehr sogar noch als ein amtsrichterliches Dezernat im Kern Massenbetrieb ist und bleiben wird.

Das entspricht aber in gewisser Hinsicht gerade dem gesetzgeberischen Gedanken eines (notwendig etwas grobmaschigeren) Vorfilters für Strafsachen.
Spencer
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Re: StA Frust

Beitrag von Spencer »

Omnimodofacturus hat geschrieben: Montag 1. Juni 2020, 21:12 Dabei muss man natürlich davon ausgehen, dass die StA mehr sogar noch als ein amtsrichterliches Dezernat im Kern Massenbetrieb ist und bleiben wird.
Genau das war auch mein Eindruck während des Referendariats, weshalb für mich damals nach kurzer Zeit klar war, dass ich so nicht arbeiten möchte.

Andere, die ich kenne, gehen allerdings gerade in dieser Arbeitsweise auf und genießen das Gefühl, „heute wieder ordentlich was weggeschafft zu haben.“
Liz
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Re: StA Frust

Beitrag von Liz »

Spencer hat geschrieben: Mittwoch 3. Juni 2020, 12:11 Andere, die ich kenne, gehen allerdings gerade in dieser Arbeitsweise auf und genießen das Gefühl, „heute wieder ordentlich was weggeschafft zu haben.“
Die Kehrseite sind dann allerdings die Tage, an denen die Geschäftsstelle unzählige neue Verfahren einträgt (bevorzugt am Monatsende), und man sich völlig erschlagen fühlt.

Richtig ist sicherlich, dass man als Staatsanwalt kein Problem damit haben sollte, an einem Vormittag 5-20 kleinere Verfahren zu erledigen oder substantiell zu fördern.
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Re: StA Frust

Beitrag von McLawster »

Ich danke für die Rückmeldungen! Was ich damit nun mache, ist die weitere Frage :D
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Re: StA Frust

Beitrag von T0bi »

Ein bisschen Ernüchterung zum Berufseinstieg ist völlig normal, auch wenn ein guter Ausbilder im Ref allzu großen Überraschungen eigentlich vorbeugen sollte. In der Sache wirst du dir einfach etwas Zeit geben müssen. Nach ein paar Monaten arbeitet man das Gros der Verfahren routiniert ab und erkennt schnell pragmatische Lösungsmöglichkeiten, die einem Zeit für andere Verfahren geben. Da kann man auch mal eine Fahrerflucht-UJs zum zweiten mal der Polizei zum nachermitteln schicken, obwohl es nur um einen abgefahrenen Seitenspiegel geht. Und das nachdem man rund zehn Seiten KBA-Halterauskunft selbst durchforstet hat. Zugegebenermaßen: Das geht ohne überobligatorischen Arbeitseinsatz nur, wenn der Dezernatszustand ok ist und man pragmatische Lösungsmöglichkeiten, da wo sie sich bieten und opportun sind, konsequent nutzt.

Was man nicht missverstehen sollte: § 154f, obwohl man konkrete Anhaltspunkte für den Aufenthaltsort hat, ist keine pragmatische Lösungsmöglichkeit, sondern Todsünde. Ebenso § 154 ohne erstmalige BV-Anordnung, wenn die Tat vor Abschluss des Bezugsverfahrens absehbar verjährt. Was ich damit sagen will: Lieber in die Berichtspflicht laufen, als schlampig zu werden. Und das muss man auch nicht, aber wie gesagt: etwas Zeit muss man sich beim Dezernatseinstieg schon geben.

Zudem werden sich auch Möglichkeiten ergeben, von den Massenverfahren wegzukommen und etwa im Bereich OK-, Wirtschafts- oder Kapitaldelikte weitaus mehr Zeit für die einzelnen Verfahren zu haben, wobei man das gegenüber BL zu gegebener Zeit klar kommunizieren kann. Auch dort sind die Zustände zwar nicht himmlisch, da üblicherweise mehr Kammersachen und damit eine höhere Sitzungsdienstbelastung eintritt, zudem gerade in OK und Kapital mehr Haftsachen, aber mit etwas Erfahrung kann man sich hier schon für seine Verfahren besser freischaufeln.

Zu Zuständigkeitsstreit ist schon ein bisschen was geschrieben worden. Ich erlebe hier eigentlich viel Kollegialität, wenn man Abgaben und Übernahmeablehnungen gut begründet, kommuniziert und vielleicht auch bei internen Zuständigkeitsfragen mal den Hörer in die Hand nimmt oder eine nette E-Mail schreibt, bevor man was in die Akte pinselt. Weit mehr Kollegialität übrigens als bei Gericht, wo ich mich regelmäßig sehr geärgert habe. Bei der StA ist das eher die Ausnahme.

Zu der Erfahrung älterer Kollegen: Hier ist eine gewisse Vorsicht geboten. Jeder dienstältere StA wird dich mit alten Kamellen und seiner angeblichen Überlastung demotivieren können, garniert gerne mit Geschichten von besseren Zeiten, als die Wiese noch saftig grün war. Halte dich insoweit lieber an die etwas jüngeren Kollegen und schalte bei älteren Kollegen im Zweifel mal auf Durchzug. Das ist nicht böse gemeint gegenüber den Älteren, von deren Erfahrung man regelmäßig profitiert, aber man muss sich schon davor hüten, sich von kollegialem Frust erschlagen zu lassen.
"die Bezeichnung Penner hat nicht...stets beleidigenden...Charakter. So werden etwa im Einzelhandel umgangssprachlich schlecht verkäufliche Artikel...im Gegensatz zum Renner auch als Penner bezeichnet (wikipedia.de)" (BayVGH NZA-RR 2012, 302)
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Re: StA Frust

Beitrag von TheEagle »

Du solltest dir gut überlegen und tust es offensichtlich ja auch, ob du das dein ganzes Berufsleben willst. Ich stand vor der gleichen Entscheidung (als Richter) und habe mich dann für den Exit entschieden. Ich hatte mir auch etwas komplett anderes unter dem Beruf vorgestellt und war überhaupt nicht glücklich damit.
Liz
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Re: StA Frust

Beitrag von Liz »

Sicherlich sollte man sich bei anhaltender Unzufriedenheit überlegen, ob man mit seiner Berufswahl dauerhaft glücklich wird oder inwieweit man sich gegebenenfalls verändert. Allerdings sollte man auch nicht vorschnell das Handtuch zu werfen, nur weil man mit den typischen Problemen eines Berufsanfänger zu kämpfen hat, die gelegentlich den Blick dafür verstellen können, dass einem die Tätigkeit eigentlich doch Spaß macht.
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Re: StA Frust

Beitrag von TheEagle »

So wie er es beschreibt, möchte er einigermaßen gründlich arbeiten und nicht nur die Dinge wegerledigen. In der Justiz musst du das aber, sonst säufst du irgendwann ab ("keine genauen Prüfungen").
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thh
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Re: StA Frust

Beitrag von thh »

TheEagle hat geschrieben: Mittwoch 3. Juni 2020, 22:59So wie er es beschreibt, möchte er einigermaßen gründlich arbeiten und nicht nur die Dinge wegerledigen. In der Justiz musst du das aber, sonst säufst du irgendwann ab ("keine genauen Prüfungen").
Das hängt durchaus davon ab, was man wo wie tut. Selbstverständlich gibt es auch in der Justiz die Möglichkeit, (ausreichend) gründlich zu arbeiten und nicht nur im Massengeschäft mit hoher Schlagzahl Verfahren zu erledigen. Das sind allerdings in der Regel nicht die Bereiche, in denen man - bei der StA - Berufsanfänger einsetzt.
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Re: StA Frust

Beitrag von Liz »

@TheEagle: Dann sollte man doch erstmal fragen, was der TE bzw. dessen Kollegen unter "keine genauen Prüfungen" verstehen und ob diese tatsächlich - bei einem einigermaßen effektiven, aber dennoch gründlichen Arbeitsstil - tatsächlich nicht möglich sind oder ob sich die Kollegen lieber einen schlanken Fuss machen. Mit einem halben Jahr oder Jahr Berufserfahrung sieht man die Arbeitsbelastung aber erfahrungsgemäß anders als nach wenigen Wochen bis Monaten, weil einem einfach mehr Fälle schnell von der Hand gehen, ohne dass man die Verfahren nur noch oberflächlich bearbeitet, und dann bleibt automatisch auch mehr Zeit für die vertiefte Bearbeitung der anderen Verfahren.
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Re: StA Frust

Beitrag von Toefting »

Ich fand die Arbeit bei der StA in Dezernaten mit großem Umlauf tatsächlich immer recht erfüllend.

Man muss halt tatsächlich zusehen dass man die einfach gelagerten Fälle schnell als solche erkennt und erledigt. Dazu gehört auch (ggf in Abstimmung mit der Geschäftsstelle bzw nicht deutlich zu Lasten dieser) die Arbeitsweise so zu gestalten, dass die Fälle nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Arbeitsweise meint dabei nicht nur Entscheidungsfindung sondern auch die Abläufe effizient zu gestalten, aktenstudium, Arbeit mit Web.sta (ladezeiten sinnvoll nutzen ^^), sinnvolle Verfügungen mit Vordruck, etc. Dann hat man (also ich hatte es, es mag auch ein stuckweit Bundesland oder StA abhängig sein, Stichwort Belastung) auch genug Zeit, die komplizierten Verfahren angemessen zu bearbeiten.
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Re: StA Frust

Beitrag von Volki »

Das wird noch. In der Regel kommt so nach 9 Monaten StA der dringende Kündigungswunsch, wenn die Gegenzeichnung eine Weile durch ist, die ersten ganz alleine verbockten Sachen wieder auf einen einprasseln und man voll in der Vertretung drinsteckt. Dann noch 5 Chilenen in Haft, eine unverschuldete Revisionsbegründung vor der Brust, einen 6-Monats-Bericht gefangen und der Berufswunsch Lokführer wird wieder akut.

Bei gefühlt der Hälfte der Leute geht das aber mit der Zeit vorbei. Die es nicht schaffen, müssen eben Richter werden.
Die Robe ist über der Kleidung zu tragen.
--
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