Fallliste gefälscht?
Moderator: Verwaltung
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Fallliste gefälscht?
Hallo, ich bin selbst keine Anwältin, sondern als Juristin in der Verwaltung tätig. Ich habe jetzt aber über unsere für die Verwaltung tätigen Anwälte gehört, dass es üblich sei, dass angehende Fachanwälte fremde Beiträge in ihre Falllisten stellen, die sie also selbst nicht bearbeitet haben. Mir wurde das gegenüber als völlig unproblematisch dargestellt. Ist dem tatsächlich so? Da kann man dann ja nicht mehr viel drauf geben, ob jemand Fachanwalt ist oder nicht? Überprüft das nicht die Rechtsanwltskammer? Ich war ehrlich gesagt etwas schockiert.
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Zobel
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- Tibor
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Re: Fallliste gefälscht?
Ob eine rechtswidrige Tat problemlos möglich ist, hat doch nichts mit der Rechtswidrigkeit zu tun. Ein Blick in die FAO sollte genügen:
https://www.brak.de/w/files/02_fuer_anw ... 090615.pdf
„Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen setzt voraus, dass der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung im Fachgebiet als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat: ...“
https://www.brak.de/w/files/02_fuer_anw ... 090615.pdf
„Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen setzt voraus, dass der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung im Fachgebiet als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat: ...“
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Re: Fallliste gefälscht?
Jedenfalls bei Fachanwälten für Strafrecht ist die Bedeutung der Bezeichnung überschaubar. Es gibt sowohl hervorragende Verteidiger mit auch überdurchschnittlichen juristischen Fachkenntnissen ohne den Fachanwalt - und vor allem auch umgekehrt.
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Re: Fallliste gefälscht?
Die Anforderungen sind ohnehin so niedrig, dass der Fachanwalt kaum mehr als eine halbwegs vernünftige Absicherung dagegen ist an einen Anwalt zu geraten der ohne jede Ahnung völlig fachgebietsfremd "wildert".
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Re: Fallliste gefälscht?
Ist eigentlich üblich, dass man alle passenden Fälle der Kanzlei unterschreibt, um schnell die Fälle zu kriegen. Überprüfen kann man das nicht.
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Re: Fallliste gefälscht?
Ich kenne das so, dass der Antragsteller auch versichern muss, die - z.B. durch gerichtliche Aktenzeichen - identifizierbaren Fälle selbst bearbeitet zu haben. Die Kammer überprüft das auch stichprobenweise, so dass fiktive Fälle wohl selten sind.
Schwieriger aufzudecken sind die von gola genannten Fälle, dass der Antragsteller in passenden Mandaten des Kollegen derselben Kanzlei nur die Unterzeichnung übernimmt und den Fall für sich reklamiert. Verboten bleibt es natürlich.
Zumindest im Verwaltungsrecht finde ich anders als Theopa die Anforderungen auch nicht so niedrig. Das betrifft nicht den Nachweis der theoretischen Kenntnisse oder die Zahl der Fälle insgesamt, sondern die notwendige Zahl der Gerichtsverfahren, die für einen primär beratenden Anwalt wie mich eine echte Hürde darstellen. Auf einem Lebenssachverhalt fussenden Fälle, Eilrechtsschutz und Hauptsache sowie Instanzenzug werden als ein einziger Fall zusammengefasst. Wer z.B. eine Kommune bei 20 Kommunalabgabenbescheiden über zwei Instanzen sowohl im Eilverfahren als auch in der Hauptsache vertritt, hat zwar 80 gerichtliche Verfahren geführt, aber nur einen Fall in der Liste.
Schwieriger aufzudecken sind die von gola genannten Fälle, dass der Antragsteller in passenden Mandaten des Kollegen derselben Kanzlei nur die Unterzeichnung übernimmt und den Fall für sich reklamiert. Verboten bleibt es natürlich.
Zumindest im Verwaltungsrecht finde ich anders als Theopa die Anforderungen auch nicht so niedrig. Das betrifft nicht den Nachweis der theoretischen Kenntnisse oder die Zahl der Fälle insgesamt, sondern die notwendige Zahl der Gerichtsverfahren, die für einen primär beratenden Anwalt wie mich eine echte Hürde darstellen. Auf einem Lebenssachverhalt fussenden Fälle, Eilrechtsschutz und Hauptsache sowie Instanzenzug werden als ein einziger Fall zusammengefasst. Wer z.B. eine Kommune bei 20 Kommunalabgabenbescheiden über zwei Instanzen sowohl im Eilverfahren als auch in der Hauptsache vertritt, hat zwar 80 gerichtliche Verfahren geführt, aber nur einen Fall in der Liste.
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Re: Fallliste gefälscht?
Ich bin mir allerdings nicht sicher, inwieweit die bloße Teilnehmer an Gerichtsverfahren eine besondere fachliche Qualifikation belegt.Herr Schraeg hat geschrieben: ↑Mittwoch 29. Juli 2020, 08:53Das betrifft nicht den Nachweis der theoretischen Kenntnisse oder die Zahl der Fälle insgesamt, sondern die notwendige Zahl der Gerichtsverfahren, die für einen primär beratenden Anwalt wie mich eine echte Hürde darstellen.
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Re: Fallliste gefälscht?
Daran sieht man aber auch gerade eines der Probleme: Die Auswahl was genau nachzuweisen ist sagt wenig über umfassende Fähigkeiten in diesem Gebiet aus, sondern stellt vielmehr relativ willkürliche Anforderungen auf. Es gibt Bereiche in welchen man praktisch alle komplexeren und wirklich "besonderen" Themen weitgehend umschiffen kann.Herr Schraeg hat geschrieben: ↑Mittwoch 29. Juli 2020, 08:53 Zumindest im Verwaltungsrecht finde ich anders als Theopa die Anforderungen auch nicht so niedrig. Das betrifft nicht den Nachweis der theoretischen Kenntnisse oder die Zahl der Fälle insgesamt, sondern die notwendige Zahl der Gerichtsverfahren, die für einen primär beratenden Anwalt wie mich eine echte Hürde darstellen.
Viel problematischer ist aber ohnehin, dass man zum Erhalt der Bezeichnung einfach nur ca. zwei Tage im Jahr irgendwo im Halbschlaf herumsitzen muss: "Sie hatten seit 17 Jahren keinen arbeitsrechtlichen Fall mehr? Kein Problem, Sie sind weiter Fachanwalt für Arbeitsrecht."
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Re: Fallliste gefälscht?
Das Schlimme ist, dass die Mandanten auf die Fachanwaltstitel trotzdem voll abfahren. Dann hat man das gute Henne Ei Problem. Wie kriegt man die Fälle zusammen, wenn alle zum Fachanwalt rennen.
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Re: Fallliste gefälscht?
Ich würde nicht sagen, dass die Vorgabe einer Mindestanzahl gerichtlicher Vertretungen - ggf. je nach Rechtsgebiet - an sich überflüssig sei; das gehört dazu, und dort sammelt man wichtige Erfahrung, in Rechtsgebieten wie dem Strafrecht mehr, in anderen Gebieten vielleicht weniger. Das ist aber sicher nicht der entscheidende Punkt; nur davon, dass man etwas tut (Verfahren bearbeitet, vor Gericht auftritt), lernt man nicht zwingend, es auch gut zu tun. Man kann etwas auch jahrelang betreiben und nach 20 Jahren immer noch keine Ahnung von dem haben, was man tut, weil man schlicht daraus nicht lernt.Theopa hat geschrieben: ↑Mittwoch 29. Juli 2020, 15:09Daran sieht man aber auch gerade eines der Probleme: Die Auswahl was genau nachzuweisen ist sagt wenig über umfassende Fähigkeiten in diesem Gebiet aus, sondern stellt vielmehr relativ willkürliche Anforderungen auf.Herr Schraeg hat geschrieben: ↑Mittwoch 29. Juli 2020, 08:53 Zumindest im Verwaltungsrecht finde ich anders als Theopa die Anforderungen auch nicht so niedrig. Das betrifft nicht den Nachweis der theoretischen Kenntnisse oder die Zahl der Fälle insgesamt, sondern die notwendige Zahl der Gerichtsverfahren, die für einen primär beratenden Anwalt wie mich eine echte Hürde darstellen.
Das ist das Problem aller Prüfungen - auch der ja nun mit viel Aufwand betriebenen juristischen Prüfungen, die auch keine Befähigung garantieren, erst recht nicht für die praktische juristische Tätigkeit. Umso weniger gilt das für Lehrgänge mit weniger strengen Lernzielkontrollen, und die bloße Bearbeitung von Fällen einschließlich der Vertretung vor Gericht ist eben erst recht keine hinreichende (aber eine notwendige) Bedingung für die Beherrschung des Metiers. Insofern: nichts gegen Fachanwaltsbezeichnungen; man sollte ihnen aber keinen übersteigerten Wert beimessen. Sie belegen, dass jemand Aufwand für das Thema betrieben hat und sich in der Regel besser damit auskennt, garantieren das aber keineswegs.
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Re: Fallliste gefälscht?
Alles richtig. Die Folgefrage wird eben sein, ob wir künftig nicht doch einmal über einen Fachanwalt nach dem Vorbild des Facharztes nachdenken sollten. Also eine umfassende Weiterbildung und echte Spezialisierung über mehrere Jahre, die einer anschließenden Ausübung der gesamten anwaltlichen Tätigkeit dennoch nicht entgegensteht.
Natürlich unterscheiden sich die Berufsbilder und Ausbildungsmöglichkeiten weiterhin stark, da der Trend aber ohnehin weg von der Einzelkanzlei und hin zu größeren Einheiten bzw. weg vom FWW hin zur Spezialisierung geht wäre das schon eine Möglichkeit für die kommenden Jahrzehnte.
Natürlich unterscheiden sich die Berufsbilder und Ausbildungsmöglichkeiten weiterhin stark, da der Trend aber ohnehin weg von der Einzelkanzlei und hin zu größeren Einheiten bzw. weg vom FWW hin zur Spezialisierung geht wäre das schon eine Möglichkeit für die kommenden Jahrzehnte.
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Re: Fallliste gefälscht?
Bei Lichte betrachtet sagt der Facharzt auch nicht mehr aus, als dass jemand 5 bis 6 Jahre in einem bestimmten Gebiet unterwegs war, die erforderlichen Fallzahlen "gesammelt" hat (dort wird in erheblichem Umfang gemauschelt, weil praktisch jeder Fortbildungskatalog einige Vorgaben enthält, die praktisch unerreichbar sind und man ansonsten nicht selten 10/15+ Jahre bräuchte) und dann eine mündliche Prüfung, die 99% der Teilnehmer bestehen, bestanden hat.
Grundsätzlich glaube ich, dass eine quantitative Bestimmung zumindest pareto-optimal ist, eine hinreichend häufige Beschäftigung mit einem Themenkomplex ist in der Regel eben doch ein recht verlässlicher Indikator für eine Expertise in diesem Bereich. Wie Herr Schraeg schon implizierte, scheint auch mir das Problem eher in den gravierenden Unterschieden bei der Erreichbarkeit der Fallzahlen für unterschiedliche FA-Titel zu liegen.
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Re: Fallliste gefälscht?
Natürlich tun sie das.
Wie möchte man sonst verhindern als Laie an einen Rechtsanwalt zu geraten, der im Öffentlichen Recht berät und nicht einmal weiß, wer richtiger Klagegegner und was richtiger Klagegegenstand ist? (siehe oberhalb dieses Threadds)
Daher ist die Praxis, dass die Fachanwälte die Aufträge "ranholen" und diese an die jüngeren Anwälte - unter mehr oder weniger intensiver Betreuung - abgeben doch auch legitim.
- Tibor
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Re: Fallliste gefälscht?
Dafür müsste man aber mit den Begriffen VA, WSB, Beschwer und Behörde was anfangen können.
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