Habt ihr einen Rat für mich?

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Liz
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von Liz »

Ich glaube, mit dem Vorgehen läufst Du Gefahr, Dich zu verzetteln, insbesondere wenn Du dann darauf angewiesen bist, dass Du Dich in der Klausursituation an die richtigen Karteikarten erinnerst.

Unbenannte Sachverhalte kann man, wie bereits geschrieben worden ist, nur mit systematischem Wissen lösen. Dh man muss wissen, in welche Teilabschnitte man einen Sachverhalt aufteilen muss (im Strafrecht nach Tatkomplexen und Beteiligten; im Zivilrecht anhand von "wer will was von wem woraus") und welche Anspruchsgrundlagen / Delikte man in welcher Reihenfolge prüfen muss und wie man ein rechtliches Problem ausfindig macht und wie man damit argumentativ umgeht. Wenn man das kann, hat man auch in einer Klausur, mit der man gefühlt gar nichts anfangen kann, noch eine reelle Chance mit einer annehmbaren Note zu bestehen. Wenn man dann zusätzlich einige Probleme der Klausur tatsächlich kennt und gelernt hat, steht einer ordentlichen bis guten Note nichts entgegen.

Dh Du solltest Dir zunächst die entsprechenden Grundschemata nochmals vergegenwärtigen. Anschließend kannst Du versuchen, alte Klausuren mithilfe des Schemata zu strukturieren und eine Lösungsskizze zu erstellen; dem Impuls "das Problem kenne ich doch" solltest Du widerstehen. Deine Lösungsskizze gleichst Du dann mit der Musterlösung ab und schaust Dir an, an welchen Stellen Du aus welchen Gründen "falsch" abgebogen bist. Vielleicht passte der Fall nicht ins übliche Schema, vielleicht warst Du aber auch nicht konsequent. Positiver Nebeneffekt: Du kannst nebenbei nochmals die bereits bekannten Probleme wiederholen. Im Laufe der Zeit solltest Du auch lernen, neue Klausuren systematisch und nicht nach dem reinen Wiedererkennungseffekt zu lösen.
MarianneSchmitz
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von MarianneSchmitz »

Huhu,

Erstmal möchte ich euch für eure Tipps danken.
Ich muss aber sagen, dass ich damit leider nicht so viel anfangen kann.
Ich Erkläre mal wieso.
Klar kann " viel Quatsch schreibt der Bearbeiter" und " Wer will was von wem woraus" eine Klausur retten.
Ich bin eigentlich auch immer bemüht so an eine zivilrechtklausur ranzugehen.
Ich hatte damals im Examen aber das Problem, dass Themen kamen von denen ich nicht einmal wusste, dass das existiert.
Was soll ich da noch tun?

Ich hatte zum Beispiel eine örechtklausur, welche in zwei Teile aufgeteilt war.
Teil 2 wäre öffentlich rechtliche goa gewesen.
Das Problem: Zum damaligen Zeitpunkt wusste ich nicht mal, dass sowas existiert.
In einer anderen Örechtklausur ging es um die Föderalismusreform, von der ich vorher auch noch nie etwas gehört hatte.
Gegen sowas hab ich dann das Gefühl Machtlos zu sein.
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scndbesthand
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von scndbesthand »

Ich übertreibe mal: Wenn man nur Kaufrechtsklausuren macht und auch nur Kaufrechtsbücher liest, findet man im Sachenrecht keinen Einstieg, wenn der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch geprüft wird. Das ist dann nicht weiter verwunderlich, sondern normal.

Vielleicht Grundrisse zu jedem Rechtsgebiet noch mal lesen, um einen schnellen Überblick zu erhalten?
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MarianneSchmitz
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von MarianneSchmitz »

Aber sind solche Themen wie öffentlich rechtliche goa wirklich noch Grundriss?

Mir persönlich ist das nämlich weder in den Univorlesungen, in den empfohlenen Lehrbüchern oder im Rep mal untergekommen.

Im Prinzip ist das ja auch egal...was ich damit sagen wollte ist folgendes: es kann ja immer wieder passieren, dass ausgerechnet etwas kommt, wovon man noch nie gehört hat.
Und wie du schon sagtest, dann einen Einstieg zu finden und da was brauchbares runterzuschreiben ist fast unmöglich.

Und das ist eben meine größte Angst, eben dass wieder etwas völlig unbekanntes kommt und ich da Machtlos gegen bin.

Unbekanntes kommt immer mal vor.
Ich hatte z.B auch eine unbekannte Norm aus dem Tierschutzgesetz als Anfechtungsklage zu prüfen.
Dann muss man halt die Norm genau lesen und sich Tatbestandsvoraussetzungen zusammenbauen.
Das ist nicht unbedingt angenehm aber mit sowas ist zu rechnen und da kann man ja lernen halbwegs mit umzugehen.
Aber wenn ein Thema kommt von dessen Existenz man nix weiß kommt man da mit juristischem Handwerkszeug halt auch nicht weiter.
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Tibor
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von Tibor »

MarianneSchmitz hat geschrieben:Aber sind solche Themen wie öffentlich rechtliche goa wirklich noch Grundriss?

Mir persönlich ist das nämlich weder in den Univorlesungen, in den empfohlenen Lehrbüchern oder im Rep mal untergekommen.
Die ÖffR GoA wird im AS Skript VerwR AT 2 auf den Seiten 176-188 behandelt.

https://beckassets.blob.core.windows.ne ... 526883.pdf
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von Sebast1an »

MarianneSchmitz hat geschrieben: Montag 14. September 2020, 17:53 Aber wenn ein Thema kommt von dessen Existenz man nix weiß kommt man da mit juristischem Handwerkszeug halt auch nicht weiter.
Gerade dann kommt man mit dem juristischen Handwerkskoffer weiter. Und deshalb sind solche Fälle im Examen auch nicht unbeliebt. Es soll schließlich nicht geprüft werden, ob der Prüfling zufällig schon mal von dem Thema gehört hat und deshalb ihm bekannte Lösungen einfach nur wiedergeben kann. Für ein zweistelliges Ergebnis wird es natürlich trotzdem selten reichen, wenn die Themen alle völlig unbekannt sind.
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MarianneSchmitz
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von MarianneSchmitz »

@Sebast1an wie soll das denn jetzt an dem Beispiel der öffentlich rechtlichen goa gehen?
Was hätte man da mit seinem juristischen Handwerkskoffer prüfen sollen, wenn du dich mal in die Lage hereinvesetzt, dass du nix von einer öffentlich rechtlichen goa wüsstest?
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Tibor
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von Tibor »

Erkennen, dass es im ZR eine GoA gibt, fragen ob ausdrückliche Normen des ÖffR existieren oder ggf. eine Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des ZR-Instituts erlaubt?
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von MarianneSchmitz »

Dafür wäre ich glaube ich in 10 Jahren noch nicht kompetent genug.
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Tibor
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von Tibor »

Dann solltest du auch Methodenlehre und Falllösungstechnik wiederholen.
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von gola20 »

Die Chance etwas noch nie gehört zu haben, ist sehr gering. Die Klausuren sind eher breit und gehen weniger in die Tiefe. Wenn du 9 von 10 Probleme bearbeitest ist noch immer Zweistellig drin.
Sektnase
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von Sektnase »

Puhh, das kommt ganz auf die Klausur an. Gibt genug Klausuren, die einen bewusst vor unbekannte Probleme stellen.

Zur GoA: Im Zweifel lehnst es dann halt ab, weil im Öff-Gesetz nichts von GoA steht und es eines Rechtsstaats nicht würdig ist, zivilrechtliche Normen als Eingriffsnormen a.k.a. Gebühr durch die Hintertür zu nutzen ;) Damit ist immer noch alles drin.

Ich fand solche Klausuren immer besser. Man verzweifelt zwar beim Schreiben etwas, weil man sich unsicher fühlt und sich alles aus den Fingern saugen muss. In der Standard-Kaufrechtklausur fühlt man sich dagegen wie daheim und zitiert dann einen Absatz einer Norm nicht, den alle anderen haben und kriegt dafür 5 Punkte abgezogen..
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von Liz »

MarianneSchmitz hat geschrieben: Montag 14. September 2020, 19:27 @Sebast1an wie soll das denn jetzt an dem Beispiel der öffentlich rechtlichen goa gehen?
Was hätte man da mit seinem juristischen Handwerkskoffer prüfen sollen, wenn du dich mal in die Lage hereinvesetzt, dass du nix von einer öffentlich rechtlichen goa wüsstest?
Die öffentlich-rechtliche GoA im Examen nicht zu kennen, ist keine Lapalie, aber selbst wenn man sie nicht kennt, sollte man feststellen, dass man auf Anhieb keine Anspruchsgrundlage findet. Das wirft die Folgefrage auf, ob es gar keine gibt und damit die Klausur zu Ende ist (wenig wahrscheinlich) oder man sich die Anspruchsgrundlage selbst basteln muss. Ein Rechtsgebiet mit zahlreichen Anspruchsgrundlagen ist das Zivilrecht, auch könnte man z. B. was von öffentlich-rechtlichen Unterlassungsansprüchen gehört haben oder sich vage daran erinnern, dass im Staatshaftungsrecht auch irgendwie so komische Konstruktionen zur Anwendung kommen. Jetzt muss man nur noch im Zivilrecht eine passende Anspruchsgrundlage finden und sollte dann auf die GoA kommen. In seiner Klausurlösung stellt man dann dar, dass es keine andere Anspruchsgrundlage gibt und dass man deshalb die §§ 677 ff. BGB analog oder "entsprechend" anwendet, weil nicht sein kann, was nicht sein darf (keine Anspruchsgrundlage) und dann prüft man die §§ 677 ff. BGB durch. Vielleicht bekommt man für die Begründung der öffentlich-rechtlichen GoA keine Höchstpunkte, aber man ist wenigstens in der Klausur drin und kann die weiteren Probleme erörtern.


gola20 hat geschrieben: Montag 14. September 2020, 20:35 Die Chance etwas noch nie gehört zu haben, ist sehr gering.
Das hilft nichts, wenn man eine Klausur bekommt, die bewusst exotisch angelegt ist oder eine abwegige Gerichtsentscheidung abprüft oder einfach ein Thema zum Gegenstand hat, mit dem man erstmal nichts anfangen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass man nur Klausuren bekommt, in denen man nur seine Karteikarten in der richtigen Reihenfolge auswendig niederschreiben muss, dürfte eher gering sein.
gola20
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von gola20 »

Also in über 100 Probeklausuren und 3 Examensdurchgängen insgesamt, hatte ich noch nie eine Klausur, mit der ich komplett nichts anfangen konnte. Meistens (immer?) sind die Klausuren sehr breit und man kennt nur einzelne Aspekte nicht. Wenn 50% der Teilnehmer den Einstieg nicht schaffen, dann taugt die Klausur zur Notendifferenzierung nicht. Exotisches Zeug kommt nur am Ende oder so, dass man sich nicht die ganze Klausur abschneidet.

edit: reines Staatshaftungsrecht zähle ich als exotisch. Da würden ja 30% ein leeres Blatt abgeben. Das Prüfungsamt wäre mutig sowas zu bringen.
OJ1988
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Re: Habt ihr einen Rat für mich?

Beitrag von OJ1988 »

Es dürfte ziemlich sportlich sein, ein Rechtsinstitut wie die öff.r. GoA ad hoc nur mit dem Methodenkanon in der Klausursituation zu entwickeln (wenngleich nicht unmöglich). Von manchem muss man einfach mal gehört haben (vergisst es dann aber auch nicht wieder, wenn man nur verstanden hat, wozu es gut ist und warum es das gibt). Es ist aber auch nicht so, dass die Bandbreite dessen, was a) im Examen drankommen kann und b) von dem man vorher mal gehört haben muss und anderenfalls realistischerweise aufgeschmissen ist, soooo unendlich groß wäre.

Etwas völlig anderes ist es, das bekannte Schema einer verwaltungsrechtlichen AK auf eine unbekannte EGL anzulegen. Diese Klausursituation ist im VerwR doch Standard und sollte nicht überfordern.
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