Nach Absage verbrannt?

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gola20
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Nach Absage verbrannt?

Beitrag von gola20 »

Guten Tag,

in einem neuen LTO Artikel ist ein Interview zu dem aktuellen Jobmarkt für Juristen. Dort wird folgendes behauptet:
Es gibt leider Arbeitgeber, bei denen gilt, wer sich einmal beworben hat und abgelehnt wurde, kann sich bei diesem Arbeitgeber nicht wieder bewerben. Unglücklich wäre es in diesen Fällen, wenn eine Absage allein aufgrund der aktuellen Einstellungspolicy wegen der Pandemie erfolgt ist und es also überhaupt nicht in der Sphäre des Kandidaten liegt.
Stimmt das? Hat da jemand Erfahrungen oder Einblicke? Ist das überhaupt DSGVO konform? Interessiert das überhaupt jemanden oder speichern die das einfach so?

Freue mich auf Antworten.
Sektnase
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Sektnase »

Das wäre schon sehr dumm, wenn man jetzt einen kompletten Einstellungsstop hat und die ganzen aktuellen Bewerber (mit guten Noten) dann später, wenn sich die Arbeitsmarktsituation für die Bewerber wieder entspannt hat, per se abzulehnen würde. Was nicht ausschliesst, dass es irgendwo so ist.
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Freedom
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Freedom »

Und ich dachte zuerst hier würde jemand fragen, ob es schonmal anderen passiert ist, dass sie sich beim Checken ihrer Mails gerade eine Zigarette anzünden wollten und sich dabei aus Schock die Finger verbrannt haben.

In dieser Pauschalität kann ich es mir nicht vorstellen, was soll der Beweggrund dafür sein? Spannend wäre übrigens zu wissen welcher Autor diese These in den Raum stellt. Im Übrigen ein paar Gedanken, Diskussion erwünscht. Und ja, alles theoretisch und ohne Insider-Einblicke.

- wie viele Bewerbungen gehen am Tag in einer großen Anwaltskanzlei ein? Wie viele davon entsprechen grds. den Anforderungen, wie viele sind aus der Kategorie "Man kanns ja mal versuchen"?
- ist es ein ernsthaftes Problem, dass sich Leute mehrfach bewerben, sodass es sich überhaupt lohnen würde, irgendein System einzurichten, das Mehrfachbewerbungen aufdeckt? eine Datenbank, in die die Personaler alle Namen mit Geburtsdatum eintragen, die sich jemals beworben haben? Stimmen da Kosten und Nutzen noch? Werden Mails die Absagen bekommen haben auf eine Ingnorier-Liste gesetzt, so wie viele Leute heute auf Whatsapp Leute blockieren, auf die sie keine Lust mehr haben? (Google-Suchvorschlag: Woher weiß ich, ob mich Kanzlei xy blockiert hat? ;) )
- Kann es dem Betriebsfrieden schaden, wenn jemand auf Arbeit erwähnt, dass er bei der ersten Bewerbung eine Absage bekommen hat? (Ich denke eher nein)
- Kommt man auf eine Blockliste wenn man selber abgesagt hat?
- Kommen Leute, die zum Vorstellungsgespräch da waren und die danach eine Absage bekommen haben auf eine schwarze Liste? Standortübergreifend? Will man in Düsseldorf einen Associate, der dann gegen einen Partner in Frankfurt Stimmung macht, weil der ihn abgelehnt hat? a.A: Was interessiert es mich, ob der Typ, der für mich billt,sich mal vorher an einem anderen Standort beworben hat?
- Was wäre mit den Referendaren von denen man nicht überzeugt war? Werden die auf einer Skala von 1 bis 10 in einem System bewertet?

Ich stelle mal eine eigene Vermutung an, so würde ich es jedenfalls machen: Es gibt irgendeine Art von zentraler Datenbank zu eigenen Mitarbeitern / Ex-Mitarbeitern. Dort steht drin, wer bei wem gearbeitet hat. ggf. auch mehr. Kommt es zu einem weiteren Kontakt verlässt man sich darauf, den zu kontaktieren und zu fragen, woran er sich erinnert. Wer nach einem Vorstellungsgespräch abgesagt hat oder wem abgesagt wurde ist dort wahrscheinlich auch drin. Aber setze ich da alle Leute rein, die sich schonmal beworben haben? Ich kann es mir, jedenfalls in den aktuellen Zeiten, nicht vorstellen.
Digiwas?
Sektnase
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Sektnase »

Die Frage ist ja, wieso die nicht genommen wurden. Beispiel: Bewerber schickt furchtbares Anschreiben mit 25 Rechtschreibfehlern. Will man den dann nehmen, weil er es beim zweiten Versuch ohne Fehler schafft? Wohl trotzdem nicht.

Im Vorstellungsgespräch natürlich noch krasser. Jedes Vorstellungsgespräch kostet Geld, wieso sollte man also einen Bewerber, der total unsympathisch war, nochmal einladen?

Bleibt die Frage, wie das DSGVO-rechtlich ist. Und v.a. die Frage, ob auch danach gehandelt wird..
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Liz
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Liz »

Die Frage dürfte ja auch sein, wie man die Existenz einer solchen Blacklist beweisen möchte. Spätestens wenn der Bewerber erst nach einem persönlichen Kennenlernen abgelehnt worden ist, wird man wohl niemandem verbieten können, sich noch lebhaft an den Bewerber und die Gründe seiner Ablehnung zu erinnern...
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von thh »

Sektnase hat geschrieben: Donnerstag 8. Oktober 2020, 17:06Bleibt die Frage, wie das DSGVO-rechtlich ist.
Kaum umsetzbar. Aber man kann ja das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO geltend machen ...
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Tibor
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Tibor »

thh hat geschrieben:
Sektnase hat geschrieben: Donnerstag 8. Oktober 2020, 17:06Bleibt die Frage, wie das DSGVO-rechtlich ist.
Kaum umsetzbar. Aber man kann ja das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO geltend machen ...
Direkt den Streisandeffekt auslösen, geile Sache. Man muss einfach auch erkennen, dass für manche Dinge der Datenschutz nicht geschaffen ist. Wenn Hansgeorg Schmitzlepp im Bewerbungsgespräch durchgefallen ist, dann wird sich ein fähiger Personalpartner den Namen merken; jedenfalls erinnert er sich, wenn ihm eine neuerliche Bewerbung vorgelegt wird. Da braucht es idR keine „Datensammlung“ außerhalb eines fähigen Gehirns. Und die DSGVO erfasst nicht ein gutes Gedächtnis.
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Kroate
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Kroate »


Tibor hat geschrieben: Da braucht es idR keine „Datensammlung“ außerhalb eines fähigen Gehirns. Und die DSGVO erfasst nicht ein gutes Gedächtnis.
Aber man hat doch ein Recht auf Vergessenwerden!

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thh
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben: Donnerstag 8. Oktober 2020, 19:43Wenn Hansgeorg Schmitzlepp im Bewerbungsgespräch durchgefallen ist, dann wird sich ein fähiger Personalpartner den Namen merken; jedenfalls erinnert er sich, wenn ihm eine neuerliche Bewerbung vorgelegt wird. Da braucht es idR keine „Datensammlung“ außerhalb eines fähigen Gehirns.
Da kommt dann der Busfaktor ins Spiel.
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Brainiac »

Kroate hat geschrieben: Donnerstag 8. Oktober 2020, 19:46
Tibor hat geschrieben: Da braucht es idR keine „Datensammlung“ außerhalb eines fähigen Gehirns. Und die DSGVO erfasst nicht ein gutes Gedächtnis.
Aber man hat doch ein Recht auf Vergessenwerden!

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Da kommt dann der Booze-Faktor ins Spiel. :drinking:
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gola20
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von gola20 »

Personaler haben in GKs doch gar keine Entscheidungsgewalt bzgl. Bewerber?! Die reichen nur die Unterlagen weiter an den Partner und filtern vllt die ganz bescheuerten Bewerber
Sektnase
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Sektnase »

Den Partner kannst du aber ganz easy umgehen, indem du ein anderes Rechtsgebiet nimmst..
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
Freedom
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Re: Nach Absage verbrannt?

Beitrag von Freedom »

Ich glaube man muss das mal rein wirtschaftlich betrachten. DSGVO und so ein Spaß - das kommt erst auf zweiter Ebene. Primär geht es erstmal darum, die besten Bewerber zu bekommen, Transaktionskosten zu reduzieren, den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen - und parallel um softe Faktoren wie Betriebsfrieden etc.

Ein Bewerber, der nach dem Vorstellungsgespräch absagt / dem abgesagt wurde und der gerade so passend ist - ein Jahr später, selber Standort, andere Praxisgruppe - nochmal 5 Anwälte mit Gesprächen Zeit stehlen, wenn er beim ersten Gespräch durchgefallen sein sollte / der es offensichtlich bei 10 Kanzleien probiert? Natürlich muss ich den irgendwo einspeichern, damit ich nicht nochmal Kosten verursache.

Als Bewerber hat man eine andere Perspektive. Ich habe mich als Student z.B. gefragt (und habe keine Ahnung) - du bewirbst dich bei Kanzlei X, bist der ruhige Typ - und sollst einen emotionalen, aufbrausenden Typen als Chef bekommen. Es passt irgendwie nicht. Du würdest auch an einem anderen Standort anfangen, in einer anderen Praxisgruppe, willst wirklich gerne in den Laden, - trotzdem glaube ich nicht, dass du sagen kannst "Mit dem Partner hats nicht gepasst, können eure Anwälte nochmal 3 Stunden entbehren, ich probiere es wo anders". Klar, kommt der 14 Punkte Jurist und gibt 3 Rechtsgebiete an, gibt man ihm vielleicht die Möglichkeit mehrere Anwälte kennenzulernen und sich zu entscheiden.

Ich schätze zu guten Zeiten aus Perspektive der Kanzlei greift die Fiktion "Wir sind komplett homogen, alle gleich, wer mit Partner X nicht klarkommt der passt nicht zu uns". Auch wenn das ein Partner ist, der womöglich nach innen bekannt eine hohe Fluktuation hat. Der Betriebsfrieden dürfte hier Vorrang haben. Bei Bewerbung und Absage und neuer Bewerbung nach einiger Zeit sehe ich das Argument aber nicht unbedingt.
Wiegesagt: Alles Mutmaßungen.
Digiwas?
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