Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

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Jannina
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Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Jannina »

Würdet ihr während Corona ins Referendariat starten oder lieber noch ein halbes Jahr warten?

Ein Berliner Richter gibt an, die Leistung seiner Rechtsreferendare sei während Corona in der virtuellen Lehre deutlich gesunken. André Lietzmann leitet nebenberuflich Arbeitsgemeinschaften und prüft seit achtzehn Jahren in beide Examina. Er meint: “Das Niveau sinkt, die Noten werden schlechter”. Als Grund vermutet er die digitale Lehre, hervorgerufen durch die Corona-Beschränkungen. „Im Präsenzunterricht schaue ich in fünfzehn Gesichter, und wenn mich dann zweifelnde Augenpaare ansehen, erkläre ich das Gesagte noch einmal anders. Diese non-verbale Kommunikation fehlt bei einer Teilnahme über ein Online-Tool. Auf meinem Bildschirm sehe ich nie alle fünfzehn Referendare, sondern nur einen Teil davon, weil ich ja auch meine eigenen Folien auf dem Bildschirm anschauen muss. Ich kann also nicht erkennen, was verstanden wurde, und was nicht“.

Ganzer Artikel: https://jurios.de/2020/10/12/notenabfal ... nd-corona/

Denkt Ihr, das liegt wirklich am virtuellen Unterricht? oder nicht eher am zusätzlichen psychischen Druck und Stress?
Gelöschter Nutzer

Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Die konkrete Entscheidung, ob du ins Ref gehen solltest, kann ich dir nicht abnehmen. Du solltest aber jedenfalls folgende Fakten bedenken: Du weißt nicht, ob der Corona-Ausnahmezustand überhaupt absehbar beendet wird - was nützt es dir, 6 Monate zu warten, wenn sich bis dahin kaum etwas geändert hat? Hast du eine sinnvolle Alternative? 6 Monate herumzusitzen macht eher wenig Spaß, gerade wenn kaum Freizeit- oder Reiseoptionen bestehen, ganz zu schweigen von allen finanziellen Fragen.

Natürlich erschwert Corona die Vorbereitung auf das Examen. Es mangelt vielerorts schon an hinreichenden Bib-Plätzen. Allerdings hängt es m.E. auch sehr stark von dir ab. Am Ende kommt es nicht in erster Linie auf eine ideale AG oder den besten Arbeitsplatz an, sondern auf deine eigene Motivation. Wenn du also einen privaten Arbeitsplatz hast und dir die nötige Literatur beschaffen kannst, dann liegt es primär an dir, dich effektiv auf das Examen vorzubereiten.

Ideal ist die Lage sicher nicht, aber ändern können wir sie alle leider nicht. Allein wegen Corona und einer ungewissen Angst vor möglicherweise erschwerten Lernbedingungen würde ich persönlich allerdings den Refbeginn nicht verschieben.
Zuletzt geändert von Gelöschter Nutzer am Montag 12. Oktober 2020, 20:30, insgesamt 2-mal geändert.
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Tibor
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Tibor »

Jannina hat geschrieben: Denkt Ihr, das liegt wirklich am virtuellen Unterricht? oder nicht eher am zusätzlichen psychischen Druck und Stress?
Welcher Druck? Welcher Stress? Natürlich ist online-Lehre suboptimal, weil es in beide Richtungen kein Feedback gibt.
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Freedom
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Freedom »

Schwer zu sagen. Kommt ne Menge zusammen. Als Dozent geht man natürlich immer davon aus, dass man selbst der heilige Gral ist und nur wenn man selbst die Lernenden vor Augen hat dann nehmen die auch das Beste mit. Das mag manchmal so sein, genauso dürfte es aber auch jede Menge grottige Dozenten geben bei denen die Leute theoretisch profitieren müssten, wenn sie keine Anwesenheitspflichten haben. Das nur zu der isolierten Aussage.

Auf der anderen Seite muss man halt auch einfach mal festhalten, es gibt wahrscheinlich ziemlich viele Leute die einfach dringend externen Druck brauchen. Habe gerade wieder so eine kennengelernt, schreibt in Kürze erstes Examen, will dann demnächst (ca. 4 Wochen vorher) anfangen mit Examsklausuren schreiben - jeden Tag eine, Problem sei das Strafrecht, da sei es nicht so gut gelaufen. Wo? Richtig, im Studium. Aaaargh! Ich glaube solche Leute mit mäßiger Motivation oder Selbstplanung versauern komplett wenn sie kein strukturiertes Programm und Druck von außen haben. Oder schau dir Zoom-Vorträge an wo die Leute alle den Bildschirm aus haben. Was soll der Sinn davon sein? Ich stelle mal eine gewagte These in den Raum - Der PC läuft und man macht nebenher was anderes.
Digiwas?
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Muirne
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Muirne »

Tibor hat geschrieben: Montag 12. Oktober 2020, 20:30
Jannina hat geschrieben: Denkt Ihr, das liegt wirklich am virtuellen Unterricht? oder nicht eher am zusätzlichen psychischen Druck und Stress?
Welcher Druck? Welcher Stress?
+1
solange man nicht Kontakt unbedingt vermeiden will gibt es auch keinen coronabedingten Stress. Coronabedingten Sress hat man, wenn man Sorge hat, sich anzustecken und es KEINEN Online Unterricht gibt. Da du Sorge VOR online Unterricht hast, dürfest du nicht zu diesen Leuten gehören.
Eine Prüfung, die verschoben werden könnte, liegt für Leute, die jetzt Ref anfangen, noch in weiter Ferne.
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Liz »

Ich denke auch, es ist eine Disziplinfrage. Präcorona ging man ein- bis zweimal die Woche zur AG, hat dort seine AG-Kollegen getroffen und vielleicht auch ein bisschen was gelernt, jedenfalls hat es einem verdeutlicht, dass man was tun sollte. Es würde mich nicht wundern, wenn viele Referendare die Online-AG nur so nebenher laufen lassen und parallel ganz andere Dinge tun. Ansonsten sollte man ja eigentlich meinen, dass man gerade besonders gut lernen kann, weil man eigentlich wesentlich weniger Ablenkung hat. Mein subjektiver Eindruck von unseren letzten Referendare war tendentiell, dass es weniger an den coronabedingten Einschränkungen als an falsch gesetzten Prioritäten scheitert.
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Sektnase »

Naja. Keine Bibliotheksplätze, keine (analoge) Fachliteratur, abgespeckte Onlinekurse - einfacher wird's nicht. Am Ende dürfte aber relativ korrigiert werden. Der Anfang des Refs ist das entspannteste, das geht auch gut "mit Corona". Wie lange die Sache geht, weiss eh keiner. Im Ref kommt wenigstens Geld rein, wenn es hart auf hart kommt auch ohne was dafür zu tun.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Liz »

Nunja, man kann auch zu Hause lernen, die Online-Zugänge für Referendare sind heutzutage auch nicht schlecht und (analoge) Fachliteratur kann man auch gebraucht günstig kaufen. Außerdem ist es doch seit Jahrzehnten das Klagelied von Referendaren, dass Präsenz-AG eine absolute Zeitverschwendung und Zumutung seien...

Und wie gesagt: bei meinen letzten Referendaren war Corona sicherlich nicht der Grund für eine streckenweise wenig zufriedenstellende Performance.
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Muirne »

Liz hat geschrieben: Montag 12. Oktober 2020, 22:35 Nunja, man kann auch zu Hause lernen, die Online-Zugänge für Referendare sind heutzutage auch nicht schlecht und (analoge) Fachliteratur kann man auch gebraucht günstig kaufen. Außerdem ist es doch seit Jahrzehnten das Klagelied von Referendaren, dass Präsenz-AG eine absolute Zeitverschwendung und Zumutung seien...
Genau. Und über 200 Leute und die Klima überm Kopf,die Halsschmerzen verursacht oder schlechte Raumluft etc. Man jammerte doch immer und es gab stets kleine Skandale wie im Winter die gesperrte Bahnstrecke. Ich finde auch, dass es ja wohl keine bessere Zeit gibt, um zu lernen als diese Monate. Es gibt ja nicht mal Serien, die man sonst schauen könnte, da wurde kaum gutes nachproduziert. Durch das viele HO spart man auch massig Zeit.
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von gola20 »

AG sind vllt 5% vom Examen. Das meiste muss man trotzdem in Eigenregie lernen
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von thh »

Freedom hat geschrieben: Montag 12. Oktober 2020, 20:38Oder schau dir Zoom-Vorträge an wo die Leute alle den Bildschirm aus haben. Was soll der Sinn davon sein? Ich stelle mal eine gewagte These in den Raum - Der PC läuft und man macht nebenher was anderes.
Das ist eine Möglichkeit. Die andere ist die, dass man sein Wohnzimmer nicht der Welt (oder dem Ausbilder) zeigen möchte, je nach räumlichen Möglichkeiten und Ordnungszustand, oder auch ganz allgemein.
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von QuantumScio »

Ich habe im Oktober in Bayern mein Ref angefangen und haben sowohl Präsenz- als auch Onlineunterricht und ich bin damit ziemlich zufrieden. Im Online Unterricht hat man den Vorteil, dass man die Powerpoint Präsentation direkt vor einem sieht, man bekommt während der AG die Fälle per Mail geschickt, sodass man sie ausdrücken kann und auch mit dem Fall arbeiten kann, während man die Fälle bei Präsenzag häufig nur an die Wand geworfen bekommt. Ich bevorzuge es schon, wenn der Fall vor mir liegt, auch wenn es nur ein kurzer ist.
Die Kameras müssen wir auch aushaben, weil sonst das Intranet des Gerichts, über das sich der AG Leiter einwählen muss, überlastet wird. Ob die Kamera an ist oder nicht würde an meinem Arbeitsverhalten nichts ändern, außer dass ich mir in der Früh meine Haare machen müsste. Auch die Mitarbeit während der AG funktioniert gut. Man kann Fragen entweder per Chat stellen oder sich dazu schalten, sodass ich nicht das Gefühl habe, dass ich durch die Online AG in irgendeiner Form benachteiligt werde. Das einzige was nervig ist, weil mein Drucker nicht funktioniert hat, ist dass man die Übungsklausuren einscannen muss, dann als PDF umwandeln muss um sie dann per Mail an den AG Leiter zu schicken.
Was mir mehr fehlt ist der soziale Aspekt, dass man schwerer die anderen Referendare kennen lernt, mit denen man die AG besucht, und die man noch nicht aus dem Studium kennt. Aber dann trifft man eben häufiger seine Studienfreunde, weil es geht ja jedem so. Davon würde ich den Ref Beginn nicht abhängig machen.
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Kroate »

thh hat geschrieben:
Freedom hat geschrieben: Montag 12. Oktober 2020, 20:38Oder schau dir Zoom-Vorträge an wo die Leute alle den Bildschirm aus haben. Was soll der Sinn davon sein? Ich stelle mal eine gewagte These in den Raum - Der PC läuft und man macht nebenher was anderes.
Das ist eine Möglichkeit. Die andere ist die, dass man sein Wohnzimmer nicht der Welt (oder dem Ausbilder) zeigen möchte, je nach räumlichen Möglichkeiten und Ordnungszustand, oder auch ganz allgemein.
Wobei für dieses Problem die meisten Videokonferenzprogramme mit der Möglichkeit einen digitalen Hintergrund einzublenden eine ganz passable Lösung anbieten.

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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von thh »

Kroate hat geschrieben: Dienstag 13. Oktober 2020, 09:39
thh hat geschrieben:Das ist eine Möglichkeit. Die andere ist die, dass man sein Wohnzimmer nicht der Welt (oder dem Ausbilder) zeigen möchte, je nach räumlichen Möglichkeiten und Ordnungszustand, oder auch ganz allgemein.
Wobei für dieses Problem die meisten Videokonferenzprogramme mit der Möglichkeit einen digitalen Hintergrund einzublenden eine ganz passable Lösung anbieten.
Mittlerweile möglicherweise schon; vor einem halben Jahr scheint mir das die Ausnahme gewesen zu sein (vor allem bei Zoom). Webex konnte es da jedenfalls - in der genutzten Version - nicht; Jitsi auch nicht. Auch heute funktioniert das nicht fehlerfrei; ich kenne Beispiele von Bartträgern, bei denen der Bart als Hintergrund erkannt und ersetzt wurde, und Beispiele von Hintergründen, die nicht korrekt erfasst wurden.
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Re: Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Beitrag von Sektnase »

Homeoffice ist halt in der typischen Referendarsbude auch weniger toll als in der typischen Richter-/Anwaltsbude. Während Corona zudem mit Kindern daheim, die durchgehend bespaßt werden wollen. 5h Klausur am Stück ist da nicht.
Zugänge, naja, Juris halt. Am gewichtigsten ist natürlich die Sache mit der Disziplin: außer Haus zwischen 100 Lernenden schafft es sich halt besser als daheim 2m neben dem Bett. Das macht es aber trotzdem schwerer für die Referendare als für die des letzten Jahres, die eben weniger Disziplin aufbringen mussten. Psychischer Faktor ist auch der (weitgehend) fehlende Vergleich und Austausch mit Kollegen. Alleine zu Hause kann man sich schnell in was versteigen (die können das, ich kann das nicht/ ich kann alles besser als die anderen).

Letztlich alles kein Beinbruch und nichts, wofür man sein Ref verschieben sollte. Aber trotzdem nicht nichts ;)
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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