Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

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Enoch
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Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Enoch »

Hallo Welt!

Kann man eine Klausur als mangelhaft(3.P) mit der Begründung bewerten, die anderen Prüflingen seien viel besser gewesen.
Ich habe gehört, dass dieser" dynamische" Maßstab auch von den Gerichten gebilligt worden sei. Allerdings finde ich keine Fußnote zu dieser merkwürdigen Entscheidung

Danke im Voraus
Theopa
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Theopa »

Anfechten kann man sie aus diesem Grund. Es wird halt nichts bringen.

Genau genommen müsste es eher umgekehrt sein: Wenn alle wirklich gute Leistungen bringen wäre die Klausur mit 3 Punkten evtl. auf 2 oder 1 Punkt runterzustufen, da sie dann ja plötzlich noch viel weiter unter dem Durchschnitt liegt bzw. die Klausur offensichtlich viel zu leicht war.
Enoch
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Enoch »

Theopa hat geschrieben: Freitag 16. Oktober 2020, 21:45 Anfechten kann man sie aus diesem Grund. Es wird halt nichts bringen.

Genau genommen müsste es eher umgekehrt sein: Wenn alle wirklich gute Leistungen bringen wäre die Klausur mit 3 Punkten evtl. auf 2 oder 1 Punkt runterzustufen, da sie dann ja plötzlich noch viel weiter unter dem Durchschnitt liegt bzw. die Klausur offensichtlich viel zu leicht war.
Danach hätte die gleiche Klausur bei verschiedenen Durchgängen eine verschiedene Bewertung!!!
gola20
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von gola20 »

Eine Klausur von 1980 hätte heute auch einen anderen Erwartungshorizont und Bewertung als damals. Die Notendefinitionen orientieren sich sogar am "Durchschnitt". Damit kann ja nur der Durchschnitt des jeweiligen Durchgangs gemeint sein.
Sektnase
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Sektnase »

gola20 hat geschrieben: Samstag 17. Oktober 2020, 09:49 Eine Klausur von 1980 hätte heute auch einen anderen Erwartungshorizont und Bewertung als damals. Die Notendefinitionen orientieren sich sogar am "Durchschnitt". Damit kann ja nur der Durchschnitt des jeweiligen Durchgangs gemeint sein.
An durchschnittlichen Anforderungen, nicht an durchschnittlichen Leistungen.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von gola20 »

Das Wort Leistung kommt in meinem Beitrag halt gar nicht vor. Auch sonst ist die Aussage falsch. Durchschnittliche Leistung und durchschnittliche Anforderung hängen zusammen. Da kommt nur das Henne-Ei-Problem.
Praxiskommentar
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Praxiskommentar »

Mit "Anforderungen" dürfte doch das Anforderungsprofil der spezifischen Klausur (und nicht des entsprechenden Jahrgangs an Prüflingen) gemeint sein.
gola20
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von gola20 »

Das Anforderungsprofil ist nicht klausurspezifisch fest. Das ist ausgeschlossen, alleine weil sich Dinge wie Hilfsmittel und Prüfungsstoff ändern. Die Anforderung kann sich doch nur auf den jeweiligen Durchgang beziehen, insbesondere wenn etwaige Gerichtsentscheidungen oder Normen als bekannt vorausgesetzt wurden, die damals allen bekannt waren.

Beispiel: alte Klausur zur Rechtsfähigkeit der GbR. Musterlösung erwartet 5 Seiten Problembehandlung. Heute würde die Leute 2 Sätze schreiben. Wie soll man das überhaupt vergleichen können? Ebenso wenn früher keine Kommentare zugelassen waren.
Zuletzt geändert von gola20 am Samstag 17. Oktober 2020, 11:14, insgesamt 1-mal geändert.
Gelöschter Nutzer

Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

gola20 hat geschrieben: Samstag 17. Oktober 2020, 09:49 Eine Klausur von 1980 hätte heute auch einen anderen Erwartungshorizont und Bewertung als damals. Die Notendefinitionen orientieren sich sogar am "Durchschnitt". Damit kann ja nur der Durchschnitt des jeweiligen Durchgangs gemeint sein.
Das würde ich nun nicht unterschreiben. Ich meine, "durchschnittliche Anforderungen" sind die Leistungen, welche von einem durchschnittlichen Absolventen erwartet werden können oder sollen. Wenn sich dagegen in einem Durchgang im Verhältnis zu diesem "durchschnittlichen Absolventen" nur unterdurchschnittliche Kandidaten befinden (was sicherlich unwahrscheinlich ist), dann wird deren "Durchschnittsnote" deutlich unter der Note des "durchschnittlichen Absolventen" liegen.

Wie man nun den "durchschnittlichen Absolventen" definiert, ist eine andere Frage. Ich würde sagen, das ist ein normativ geprägter Begriff, im Sinne von: "wie viel soll ein Kandidat können müssen".
gola20
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von gola20 »

BVerfGE 84, 34 Rn.54 hat geschrieben: Schon in seinem ersten grundlegenden Urteil zum Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht (BVerwGE 8, 272 [273]) begründete das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung mit den prinzipiellen Voraussetzungen jeder Benotung: Prüfungsnoten könnten nicht isoliert für jeden Einzelfall BVerfGE 84, 34 (52)BVerfGE 84, 34 (53)gefunden werden, sondern ergäben sich aus dem fachkundigen Vergleich mit den Leistungen anderer, vergleichbarer Prüflinge; sie seien das Ergebnis von Erfahrungswerten auf der Grundlage von Leistungsvergleichen. Auch in späteren Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht hervorgehoben, daß die Notengebung eine "vernünftige und gerechte Relation" zur Bewertung der Arbeiten anderer Prüflinge herstellen muß
Kürzen wir die Diskussion doch einfach ab.
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famulus
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von famulus »

gola20 hat geschrieben: Samstag 17. Oktober 2020, 09:49 Die Notendefinitionen orientieren sich sogar am "Durchschnitt". Damit kann ja nur der Durchschnitt des jeweiligen Durchgangs gemeint sein.
Das stimmt deswegen trotzdem nicht. Die Notengebung muss natürlich innerhalb des Durchgangs konsistent und verhältnismäßig sein. Der Durchgang selbst kann aber nicht der alleinige Maßstab sein. Es liegt ja auf der Hand, dass in einem Durchgang, in dem sich alle absichtlich dumm stellen (oder zufälligerweise halt alle dumm sind), nicht der mitteldümmste 7 Punkte bekommen müsste usw. Da kann selbstverständlich nicht völlig ("...kann ja nur der...") ausgeblendet werden, was sich als "verobjektivierte" Standardanforderungen aus vorangegangenen Durchgängen erwiesen hat.
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von gola20 »

Das widerspricht dem ja nicht. Wenn in einem Durchgang alle ein Problem bearbeiten, aber einer nicht, dann wird der das zulässigerweise in der Note merken.
Praxiskommentar
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Praxiskommentar »

gola20 hat geschrieben: Samstag 17. Oktober 2020, 11:12 Das Anforderungsprofil ist nicht klausurspezifisch fest. Das ist ausgeschlossen, alleine weil sich Dinge wie Hilfsmittel und Prüfungsstoff ändern. Die Anforderung kann sich doch nur auf den jeweiligen Durchgang beziehen, insbesondere wenn etwaige Gerichtsentscheidungen oder Normen als bekannt vorausgesetzt wurden, die damals allen bekannt waren.

Beispiel: alte Klausur zur Rechtsfähigkeit der GbR. Musterlösung erwartet 5 Seiten Problembehandlung. Heute würde die Leute 2 Sätze schreiben. Wie soll man das überhaupt vergleichen können? Ebenso wenn früher keine Kommentare zugelassen waren.
Eine Klausur wird zu einem bestimmten Zeitpunkt erstellt mit einem entsprechenden Erwartungshorizont. Die Anforderungen ergeben sich aus diesem Erwartungshorizont, der Erwartungshorizont bemisst sich danach, was von den Prüflingen - objektiv-gesamthaft und nicht im Verhältnis einer zufällig gewählten sehr kleinen Vergleichsgruppe zueinander, die dem Prüfer bekannt werden - erwartet wird.

Ob die Klausur in dieser Form zwanzig Jahre später anders zu lösen wäre, spielt dafür keine Rolle.

Auch das von die angeführte Zitat stützt deine These, dass sich der Vergleich zwingend auf den jeweiligen Durchgang konzentrieren muss, nicht.
Im Übrigen führt die von dir aufgeführte Entscheidung gerade aus, dass bei berufsspezifischen Prüfungen ein allgemeiner Bewertungsgrundsatz anzulegen ist, dh "zutreffende und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen." Also gerade keine Bewertung nur am Maßstab der Leistung der anderen Prüflinge, insbesondere nicht nur im Vergleich der Prüflinge des jeweiligen Durchgangs.
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Sektnase »

gola20 hat geschrieben: Samstag 17. Oktober 2020, 10:51 Das Wort Leistung kommt in meinem Beitrag halt gar nicht vor. Auch sonst ist die Aussage falsch. Durchschnittliche Leistung und durchschnittliche Anforderung hängen zusammen. Da kommt nur das Henne-Ei-Problem.

Ach, was hattest du denn dann gemeint? Ich streite gar nicht ab, dass auch relativ korrigiert wird (zu recht), aber halt nicht nur. Die Anforderungen für eine schlechte/durchschnittliche/gute Klausur setzt erstmal der Klausurersteller. Wenn jetzt keiner auf die Lösung kommt, dann wird man halt mal drüber nachdenken, ob die Anforderungen nicht vielleicht zu hoch waren und deshalb gesenkt werden müssen. Das bedeutet aber nicht (nur) eine relative Korrektur. Sonst wäre der Schnitt ja auch immer gleich, das st er nicht.
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Re: Prüfungsanfechtung/ Jura / Schriftlicher Teil

Beitrag von Enoch »

gola20 hat geschrieben: Samstag 17. Oktober 2020, 11:22
BVerfGE 84, 34 Rn.54 hat geschrieben: Schon in seinem ersten grundlegenden Urteil zum Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht (BVerwGE 8, 272 [273]) begründete das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung mit den prinzipiellen Voraussetzungen jeder Benotung: Prüfungsnoten könnten nicht isoliert für jeden Einzelfall BVerfGE 84, 34 (52)BVerfGE 84, 34 (53)gefunden werden, sondern ergäben sich aus dem fachkundigen Vergleich mit den Leistungen anderer, vergleichbarer Prüflinge; sie seien das Ergebnis von Erfahrungswerten auf der Grundlage von Leistungsvergleichen. Auch in späteren Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht hervorgehoben, daß die Notengebung eine "vernünftige und gerechte Relation" zur Bewertung der Arbeiten anderer Prüflinge herstellen muß
Kürzen wir die Diskussion doch einfach ab.
Dementsprechend müsste man, bei einer Anfechtung, alle 200 Klausuren des Durchgangs mit der mangelhaften Klausur vergleichen, weil im Verwaltungsrecht der Amtsermittlungsgrundsatz herrscht. Zum einen werden die 200 Klausuren nicht von einem Prüfer bewertet, und zum anderem kennt der Prüfer im Zeitpunkt der Notenvergabe die Erfahrungswerte der restlichen 200 Klausuren nicht.
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