Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

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Moderator: Verwaltung

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CreepyCat
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Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von CreepyCat »

Hallo ihr Lieben,

ich bin relativ frisch ins Referendariat gestartet und habe - so scheint es jedenfalls - erhebliche Probleme mir meine Zeit vernünftig einzuteilen bzw. "am Ball" zu bleiben. Das liegt bestimmt hauptsächlich an der noch ungewohnten Situation - dennoch wäre ich sehr froh ein paar Erfahrungsberichte von eurer Seite zu lesen. Mein Eindruck speist sich vor allem daraus, dass viele andere in meiner AG bereits direkt Klausuren schreiben und an entsprechenden Klausurenkursen teilnehmen, während sich meine Wochen meist so gestalten, dass ich zunächst damit beschäftigt bin Voten bzw Urteile für meinen Ausbilder am Gericht zu schreiben. Dazu nutze ich auch das Wochenende. Dennoch habe ich danach höchstens noch Zeit die AG in groben Zügen nachzubereiten. Wenn ich ganz gut in der Zeit liege, schaffe ich es auch noch das ein oder andere zur Vorbereitung der nächsten AG-Stunde zu lesen. Nie könnte ich jedoch noch unter der Woche fünfstündige Probeklausuren anfertigen oder ähnliches :dontknow:
[Abgesehen davon, dass ich sämtliche Erzählungen, das Referendariat sei ja eine sooooo lockere Zeit absolut nicht nachvollziehen kann ... fake news?]
Jedenfalls würde es mich sehr interessieren, wie ihr diese Situation gehandhabt habt, ob das bei euch ähnlich war und vor allem worauf ihr den Fokus gelegt habt: Die praktische Ausbildung, die AG oder direkt in die vollen Starten mit den Klausuren ... ? Habt ihr euch zu Beginn einen Plan gemacht oder die Woche anderweitig strategisch geschickt eingeteilt? Habt ihr immer direkt mitgelernt etc?

Freue mich über jede Nachricht!

LG Jeanny
Gelöschter Nutzer

Re: Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Jeder ist natürlich unterschiedlich. Ich persönlich halte aber eine frühe Examensvorbereitung für sehr hilfreich, gerade da dann die Lernphase gegen Ende etwas weniger stressig wird. Dementsprechend würde ich an deiner Stelle versuchen, den Fokus etwas mehr auf das Lernen zu legen.

Bei mir war es dabei so, dass ich mit der Bearbeitung neuer Aufgaben von meinen Ausbildern meist nicht sofort begonnen habe, sondern erst wenige Tage vor Abgabe (Bsp.: man erhält eine Akte am Montag und hat bis zum folgenden Montag Zeit, dann würde ich erst so am Freitag oder Samstag mit der Bearbeitung beginnen). So zwingt man sich, nur eine relativ geringe Zeit in die Arbeit in der Station zu investieren, gerade wenn diese nur begrenzt examensrelevant ist.

Natürlich muss das nicht für jeden die richtige Strategie sein. Manche brauchen eben etwas länger für die Voten. Und man sollte sich schon Mühe geben, einigermaßen vollständige und richtige Arbeiten abzugeben, auch wenn die Stationsnoten nicht so wichtig sind (in gewissen Grenzen und mit gewissen Ausnahmen, etwa <10 Punkte in Gerichtsstationen, wenn man zum Staat will).

Dennoch würde ich sagen, dass man oft "so viel Zeit braucht, wie man sich nimmt". Man kann eine ordentliche Hausarbeit nicht nur in 4, sondern auch in 2 Wochen schreiben. Ähnliches gilt m.E. für Arbeiten in der Station. Bei mir hat das gut geklappt, meine Stationsnoten und Bewertungen waren trotzdem alle völlig iO.

Andere mögen das ganz anders sehen, für die mag die praktische Arbeit in der Station die ideale Examensvorbereitung sein. So ist ja auch die Idealvorstellung vom Ref. Ich würde aber behaupten, dass das für die meisten Referendare und Stationen eher nicht zutrifft.
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Tibor
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Re: Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von Tibor »

AG und Nachbearbeitung 2 Tage, ZPO Lehrbuch lesen 1 Tag und Aktenbearbeitung 2-2,5 Tage. Mit Klausuren habe ich - außer die Pflichtklausuren im Rahmen der AG - erst nach einem Jahr angefangen.
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Sektnase
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Re: Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von Sektnase »

Ich würde so früh wie möglich mit dem Klausurenschreiben anfangen.

Natürlich kann das Ref stressig sein. Manche kriegen von ihrem Ausbilder alle zwei Wochen mal was, andere 2-3 Sachen pro Woche, kann man also kaum vergleichen - über die Stationen hinweg gleicht es sicher aber bestimmt etwas aus. In der Zivilstation hat man eigentlich noch am ehesten Zeit, im Strafrecht kommt dann noch der Sitzungsdienst dazu. Meine Empfehlung wäre es, weniger Zeit in die Stationsarbeit zu stecken, das sehen hier aber auch einige Leute anders.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
CreepyCat
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Re: Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von CreepyCat »

Guten Morgen,

erst einmal vielen lieben Dank für eure hilfreichen Antworten!

Insbesondere:
Suchender_ hat geschrieben: Montag 9. November 2020, 19:18
Bei mir war es dabei so, dass ich mit der Bearbeitung neuer Aufgaben von meinen Ausbildern meist nicht sofort begonnen habe, sondern erst wenige Tage vor Abgabe (Bsp.: man erhält eine Akte am Montag und hat bis zum folgenden Montag Zeit, dann würde ich erst so am Freitag oder Samstag mit der Bearbeitung beginnen). So zwingt man sich, nur eine relativ geringe Zeit in die Arbeit in der Station zu investieren, gerade wenn diese nur begrenzt examensrelevant ist.
wäre für mich ein guter Ansatz, das werde ich mal ausprobieren. Danke! Besonders wenn nach der Stationsarbeit die AG schon wieder so weit weg ist, wird das doppelt mühsam, sich dort wieder reinzufinden.

Danke auch Tibor, für den guten Überblick. Da warst du aber von Beginn an sehr fleißig!

@Sektnase: Wann hast du denn mit dem Klausuren schreiben angefangen?

Uns wurde teilweise auch schon zu den ersten Einheiten einschlägiger Repetitorien geraten ... Da ist gerade nicht einfach, für sich zu sortieren, was jetzt im Moment wichtig wäre. Ich würde mir wahrscheinlich erstmal gerne ein gutes Grundwissen aufbauen wollen, eben mithilfe der AG-Inhalte.
Hab das Gefühl ich seh den Wald aufgrund der Bäume nicht mehr ::lol:
Gelöschter Nutzer

Re: Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Du solltest m.E. vor allem darauf achten, eine gute Balance zu finden. Sich gleich zu Beginn völlig kaputt zu machen, bringt nichts. Trotzdem sollte man darauf achten, den Stoff nicht zu sehr schleifen zu lassen. Ich habe leider am Anfang kein ZPO-Lehrbuch gelesen, sondern mich auf den Stoff aus der AG beschränkt, was am Ende dazu geführt hat, dass ich in der Examensvorbereitung bei den Grundlagen nachbessern musste. Das war etwas ärgerlich.

Zu Repetitorien: ich habe für das 2. keins besucht. Ob es allgemein für die meisten nützlich ist, kann ich nicht sagen. Ich würde aber jedenfalls versuchen, mir zuvor einen grundlegenden Überblick über die Materie zu verschaffen (also zumindest die AG-Unterlagen bearbeitet haben). Denn viele Sachen aus den Reps sind recht speziell, ohne Grundverständnis hilft das wenig.

Insgesamt sollte man aber auf jeden Fall darauf achten, frühzeitig einen gewissen Klausurbezug herzustellen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man sich in abstrakten Details aus AG oder Lehrbuch verliert. Man muss nicht an Tag1 Klausuren ausformulieren. Was man aber m.E. gut machen kann ist: sich ein paar Klausuren raussuchen (mit Lösungsskizze, gibt es z.B. bei JuS und JA, aber auch im Berliner Klausurenkurs online via google). Dann kann man diese erstmal nur so durchgehen (zu Beginn auch mit unzulässigen Hilfsmitteln und nur gliedern), nur um ein Gefühl für die Art der Klausurbearbeitung zu bekommen. Davon ausgehend kann man sich langsam steigern.

Man kann auch erst ein Jahr vor dem Examen die ersten Klausuren anschauen, aber ich finde die frühzeitige Verzahnung von Klausuren mit dem gelernten Wissen sehr sinnvoll.
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scndbesthand
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Re: Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von scndbesthand »

Man kann die Ergebnisse aus dem ersten Examen durchaus verbessern, wenn man kontinuierlich am Ball bleibt und früh (sprich: ab Tag 1) anfängt.

Richtig: man tanzt auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig und denkt oft, dass man keiner Anforderung so richtig gerecht wird. Damit muss man wohl umgehen.

Auch ich würde, wie üblich, dafür plädieren, früh Klausuren zu lösen. Ob man ausformuliert, bleibt dem persönlichen Geschmack überlassen, ich würde am Anfang aber schon dazu raten, mal die ein oder andere Aufgabe auszuformulieren, damit sich gewisse Formalia (Rubrum, Tenor, Grammatik in Tatbestand und Prozessgeschichte, Erwähnung von Aufrechnung, Hilfswiderklage, Erledigungserklärungen etc.) einschleifen. Persönliche Erfahrung (aber nicht zwingend auf andere übertragbar): im Monat vor den Klausuren 16 Klausuren unter Klausurbedingungen ausgeschrieben und nachbereitet, hat richtig was gebracht (vor allem, weil man am Ende auch rechtlich gut auf Scheibe ist).

Wir (TM) hatten ja auch noch eine Lerngruppe, in der wir uns Aktenvorträge gehalten haben. Kann man auch machen. Muss aber nicht.

Zum abstrakten Lernen mit Büchern: auch wichtig, um rein zu kommen, zur Relationstechnik sollte man schon was im Zusammenhang lesen, auch zum Urteilsstil und zur grundsätzlichen Herangehensweise, ansonsten eher problemorientiertes Nachlesen. Man tendiert sonst dazu, im Theoretischen zu sehr zu versumpfen. Durch Klausuren lernt man ja die dort berührten Themen en passant mit.

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Re: Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von CreepyCat »

Dann an der Stelle erneut danke, für eure Einwürfe! Das klingt alles sehr plausibel und hat sicherlich seine Berechtigung.
Ich persönlich suche für mich eben einen Weg, der sich über die zwei Jahre aufrecht erhalten lässt. Dass es äußerst wichtig ist, viele Klausuren zu schreiben, ist mir noch aus der EJP bekannt - allerdings habe ich die Zeit mit wöchentlich zwei oder mehr fünfstündigen Klausuren als sehr anstrengend empfunden und weiß eben nicht, ob ich das von Beginn an in dieser Weise durchziehen könnte.
Für mich geht es gerade darum, überhaupt einen Weg zu finden die Stationsarbeit mit dem Stoff für das Examen, welcher zunächst in der AG vermittelt wird bzw werden sollte, unter einen Hut zu bringen, die Zeit entsprechend einzuteilen. Ich bin derzeit bei 4 Tagen für die Station und 2 Tagen für die AG und merke, dass das wohl ziemlich defizitär ist. Daher versuche ich mich nun erstmal, an die neue Situation besser heranzutasten ohne ab Tag 1 direkt Klausuren zu lösen, auch wenn das sicherlich ratsam bzw best case szenario wäre :happy8:
Sektnase
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Re: Organisation / Zeiteinteilung / Lernen - leichte Überforderung am Anfang

Beitrag von Sektnase »

Tag 1 ist jetzt vielleicht auch etwas übertrieben, 2 Monate kann man sich sicher Zeit lassen, ohne dass sich das groß auswirkt. Grade beim Urteile schreiben in der Zivilstation hat man m.E. schon auch was fürs Examen gelernt, wenn auch nicht rechtlich, sondern eher Tatbestand schreiben etc.
scndbesthand hat geschrieben: Dienstag 10. November 2020, 16:59 Richtig: man tanzt auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig und denkt oft, dass man keiner Anforderung so richtig gerecht wird. Damit muss man wohl umgehen.
Das scheint mir eine der Haupt"aufgaben" im Referendariat zu sein. Man lernt halt nicht mehr - wie auf das Erste - jeden Tag schön seine 8 Stunden, wie alle anderen. Man muss einiges unter einen Hut bringen und ist - jetzt grade sowieso - auch öfter mal auf sich gestellt und hat weniger "Lerninfrastruktur" (richtige Bib, Kurse, ...).
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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