Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

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Theopa
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Theopa »

Die Frage ist: Was wäre die Alternative zur regelmäßigen Einführung neuer Klausurtypen?

Nur Standard-Klausuren mit normaler Stoffmenge, bei welchen sich jeder prozessual auskennt und wo dann jeder kleine Fehler direkt massive Abzüge zur Folge hat, da man anderenfalls nicht mehr differenzieren kann?

Alternativ der bayrische Ansatz, wonach Formalia und prozessuales weitgehend ausgeblendet werden und man teilweise "Erstexamens-Klausuren mit Urteilsstil" im Zweiten schreibt (gerade im Ö-Recht aber auch im Zivilrecht)?

Oder weiter nach diesem fürchterlichen Trend der "Rennfahrer-Klausur", bei der drei Schriftsätze und zwei Gutachten zu schreiben sind und bei der man eigentlich schon zu spät dran ist, wenn man nach 30 Minuten Gliederung die Reinschrift startet?
Seeker
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Seeker »

Theopa hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 17:19 Die Frage ist: Was wäre die Alternative zur regelmäßigen Einführung neuer Klausurtypen?

Nur Standard-Klausuren mit normaler Stoffmenge, bei welchen sich jeder prozessual auskennt und wo dann jeder kleine Fehler direkt massive Abzüge zur Folge hat, da man anderenfalls nicht mehr differenzieren kann?

Alternativ der bayrische Ansatz, wonach Formalia und prozessuales weitgehend ausgeblendet werden und man teilweise "Erstexamens-Klausuren mit Urteilsstil" im Zweiten schreibt (gerade im Ö-Recht aber auch im Zivilrecht)?

Oder weiter nach diesem fürchterlichen Trend der "Rennfahrer-Klausur", bei der drei Schriftsätze und zwei Gutachten zu schreiben sind und bei der man eigentlich schon zu spät dran ist, wenn man nach 30 Minuten Gliederung die Reinschrift startet?
Es gibt ja auch heutzutage ordentliche Klausuren, die allenfalls etwas zu lang sind. Die kann man ja ohne Weiteres verwenden.

Man kombiniere 2-3 nicht veröffentlichte, einigermaßen spannende erstinstanzliche Urteile, etwa mit einem eher unbekannten (typengemischten) Vertragstyp, dem sich mit Auslegung beikommen lässt, füge 2-3 bekannte und 2-3 eher unbekannte prozessuale und/oder materiell-rechtliche Probleme und/oder eine Beweiswürdigung hinzu, und gut ist.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von gola20 »

Seeker hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 17:06 Das ist in höchstem Maße unredlich. Die Prüfungsordnungen sind extrem vage, dennoch hat sich der faktische Prüfungsstoff schon seit Jahren immer vergrößert. Ich habe 60+ Klausuren aus vielen verschiedenen Jahren ausformuliert und Hunderte gegliedert und es wird auch von allen anderen Ausbildungsexperten (AG-Leitern usw) bestätigt.
Wo hast du bitte hunderte alte original Examensklausuren her?
Das Gesetz gibt den Prüfungsstoff vor. Das Prüfungsamt ist nicht verpflichtet sich an den kleinen Teilbereich zu orientieren, den die Reps lehren. Da alte Klausuren nicht veröffentlicht werden und als unbekannt gelten, können und sollen die Prüfungsämter auch den gesamten Prüfungsstoff prüfen.
Seeker hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 17:06 Dein wiederholtes Argument mit den Noten und Schnitten hat keine Relevanz für die Fragen, ob es eine sinnvolle und faire Klausur ist und weshalb die Klausuren im Schnitt immer länger und schwieriger werden. Ein gleichbleibender Schnitt kommt zB auch einfach dadurch zustande, dass die Klausuren schwieriger werden, die Kandidaten aber immer mehr lernen. Oder schlicht durch eine relative Korrektur. Diese ändert aber nichts an schlecht gestellten oder unfairen Klausuren, welche das Zufallselement noch stärker betonen. Oder anders: je größer das Zufallselement, desto wahrscheinlicher, dass zwar insgesamt eine Normalverteilung erfolgt, aber diese nicht das (angebliche) Anforderungsprofil gut widerspiegelt.
Das sind nur Unterstellungen. Die Klausuren sind länger, weil die Kandidaten dümmer wurden und mehr Hinweise im Sachverhalt brauchen. Was soll eine schwere Klausur sein? Wie misst man die Schwierigkeit? Ich kenne keine Klausurwaage, die das misst. Du reihst halt nur Buzzwords aneinander, ohne sie zu definieren oder zu sagen, wie man sie misst.
Schwierigkeit? Zufallselemente? Unfair? Schlecht gestellt?
Seeker hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 17:06 Die Klausuren werden im Schnitt nachweislich immer länger und die faktische Stoffmenge nimmt immer mehr zu. Vor ca 2010 gab es keine Kautelarklausuren, vor ca 2015 keine Berufungsklausuren im GPA im Zivilrecht, vor ca 2015 (oder so) keine strafrechtliche Revision auf ein Berufungsurteil usw. Und all das seither nicht jeweils ein Mal, sondern recht häufig.
Neue Probleme und Aufgaben kommen, andere gehen. Immerhin muss keiner mehr den Streit abspulen, ob die GbR rechtsfähig ist.
Seeker
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Seeker »

Das was du behauptest, kann man nicht ernst nehmen. Du bezweifelt die zunehmende Schwierigkeit der Klausuren und behauptest, ihr größerer Umfang sei auf dumme Kandidaten zurückzuführen. Dafür gibt es nicht nur keinerlei Evidenz, es widerspricht auch allem, was AG-Leiter und Korrektoren erzählen.

Die Klausuren werden übrigens nicht nur seitenmäßig länger, sondern enthalten auch deutlich mehr Probleme. Das zeigt jede Studie von Originalklausuren, die eben doch verfügbar sind, etwa via Berliner Klausurenkurs online oder OLG-Kurs. Diese Probleme sind häufig inhaltlich schwieriger, was man unter anderem daran sieht, dass man Klausuren und verfügbare Materialien vergleicht. In älteren Klausuren werden häufig nur absolute Grundlagen aus obergerichtlichen Urteilen die damals schon veröffentlicht waren und breit rezipiert wurden, abgefragt, in neueren dagegen nicht selten Probleme, zu denen du auch nach 5h Recherche online kaum was findest.

Aber wie gesagt, ich habe nicht den Eindruck, dass du redlich argumentierst. Ich habe sehr viele Originalklausuren gesehen und verglichen, der Trend zu mehr Problemen, mehr Seiten und mehr Spezialproblemen ist unverkennbar.

Ach ja, der Vergleich mit dem GbR-Streit ist doch ein schlechter Scherz. Vergleiche mal den Aufwand und die Schwierigkeit, dieses Pillepalle-Problem zu lernen, mit dem gesamten Problemkreis Kautelarklausur.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Sprrvsnsnstnz »

Seeker hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 13:49
[...]

Vor allem aber ist nicht im Ansatz ersichtlich, weshalb man im Jahr 2005 mit acht Standardkonstellationen(ja, auch schon aus damaliger Sicht) samt einfacher Widerklage und dergleichen Volljurist wurde, 2020 aber nur mit Revisionsrecht.

Schade, dass du auf keinen dieser Punkte eingehst.
Die Frage hab ich mir auch schon gestellt. Hatten in der AG vor Kurzem ein böses Erwachen: Nachdem wir in den AGs meist Altklausuren aus Examensterminen zwischen 1990 und 2010 geschrieben haben, fühlten wir uns eigentlich relativ gut vorbereitet. Bis dann gegen des Ende des Refs und insbesondere in Intensivklausurenwoche aktuelle Klausuren (aus dem Vorjahr) geschrieben wurden. Der AG-Schnitt ist um 2-3 Notenpunkte gefallen. Das mag einerseits natürlich damit zusammenhängen, dass Probleme, die vor 20 Jahren neu und exotisch waren, mittlerweile Standardprobleme sind, die in jedem Rep hoch und runter laufen. Trotzdem bin ich andererseits der Ansicht, dass der bloße Umfang der Klausuren massiv angezogen hat.

Meiner Ansicht nach ist dieses Aufrüsten bzgl. der Klausuren seitens der Prüfungsämter die Antwort auf die Digitalisierung der Examensvorbereitung. Früher hatte jeder Examenskandidat ein, maximal zwei Lehrbücher zu Hause, in denen nur eine begrenzte Menge an Standardproblemen und aktueller Rspr. untergebracht werden konnte. In den Kommentaren steht zwar mehr drin, oft aber nur das Ergebnis mit Fundstellenverweis, ohne jede Angabe von Argumenten.
Heute kann ich kostenlos, ohne Aufwand auf praktisch alles zugreifen, was irgendwie auch nur ansatzweise examensrelevant ist und kann mir jede Entscheidung auf die im Kommentar verwiesen wird oder die sonst irgendwie interessant ist durchlesen. Und wenn mal was nicht schon direkt auf Google steht, dann gibts ja auch noch (zumindest in Bayern) den Ref-Zugang für Beck-online.
Entsprechend "müssen" die LJPAs eben immer mehr auffahren. Ob das tatsächlich so ist, keine Ahnung. Aber wenn ich mich in die LJPA-Sicht reinversetze macht es schon Sinn immer exotischer und umfangreicher zu werden, wenn jeder Examenskandidat zumindest die theoretische Möglichkeit hat, deutlich mehr und aktuelleres Wissen anzusammeln, als noch die Kandidaten vor einigen Jahren.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Theopa »

Sprrvsnsnstnz hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 22:19 Früher hatte jeder Examenskandidat ein, maximal zwei Lehrbücher zu Hause, in denen nur eine begrenzte Menge an Standardproblemen und aktueller Rspr. untergebracht werden konnte. In den Kommentaren steht zwar mehr drin, oft aber nur das Ergebnis mit Fundstellenverweis, ohne jede Angabe von Argumenten. Heute kann ich kostenlos, ohne Aufwand auf praktisch alles zugreifen, was irgendwie auch nur ansatzweise examensrelevant ist und kann mir jede Entscheidung auf die im Kommentar verwiesen wird oder die sonst irgendwie interessant ist durchlesen.
Ich wusste gar nicht, dass es Examina schon vor Bibliotheken gab ;)
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Sprrvsnsnstnz »

Theopa hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 22:21
Sprrvsnsnstnz hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 22:19 Früher hatte jeder Examenskandidat ein, maximal zwei Lehrbücher zu Hause, in denen nur eine begrenzte Menge an Standardproblemen und aktueller Rspr. untergebracht werden konnte. In den Kommentaren steht zwar mehr drin, oft aber nur das Ergebnis mit Fundstellenverweis, ohne jede Angabe von Argumenten. Heute kann ich kostenlos, ohne Aufwand auf praktisch alles zugreifen, was irgendwie auch nur ansatzweise examensrelevant ist und kann mir jede Entscheidung auf die im Kommentar verwiesen wird oder die sonst irgendwie interessant ist durchlesen.
Ich wusste gar nicht, dass es Examina schon vor Bibliotheken gab ;)
Denke nicht, dass der durchschnittliche Examenskandidat damals eine Bib in der Wohnung stehen hatte. Und wer in der Bib gelernt hat, wird auch garantiert nicht jede Fundstelle in irgendwelchen verstaubten Wälzern gesucht haben, um dort dann 15 Seiten Entscheidungsgründe zu lesen, um dann die wesentlichen 3 Argumente rauszuschreiben.
Heute: Skript oder Lehrbuch fühlt sich zu einer bestimmten Thematik nicht ausführlich genug an? Stichwort oder Fundstelle in Google, meistens ist der Streitstand dann aufs Wesentliche reduziert auf irgendeiner der gängigen Seiten bereits übersichtlich dargestellt. Und wenn nicht: entsprechende Entscheidung abrufen, Strg + F. Nach maximal 5 Minuten ist die Karteikarte um 3 Arguemente erweitert und weiter gehts.

Ich weiß, Lerntypen sind unterschiedlich, aber wenn ich ein Kapitel im Skipt durchgearbeitet habe, hab ich dazu mind. ein halbes Dutzend Tabs offen.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Theopa »

Man darf eben nicht vergessen, dass auch damals selten Urteile des LG Aurich, sondern im Regelfall bekannte Entscheidungen der Obergerichte thematisiert wurden. Zeitschriften wie die JuS (abs 1960) und die JA (ab 1968) sowie die Klassiker NJW und Konsorten gab es damals schon, da blättert man eben im Verlauf der Examensvorbereitung zwei bis fünf Jahrgänge durch und sieht sich alles was halbwegs passend ist mal genauer an.

Zudem gilt: Damals wie heute ist es völlig unwichtig irgendwelche Details aus Entscheidungen zu kennen, sofern man keine Noten im ordentlich zweistelligen Bereich anpeilt (was eben >90% nicht machen, da es unrealistisch wäre). Die Klausur fordert eine vollständige und handwerklich saubere Prüfung von Anspruchsgrundlagen oder anderen Schemata. Wer dann noch die Problemstellen erkennt und merkt, dass diese wohl nicht ganz ohne Diskussion gelöst werden können ist sowieso schon im VB.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von gola20 »

Seeker hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 18:14 Das was du behauptest, kann man nicht ernst nehmen. Du bezweifelt die zunehmende Schwierigkeit der Klausuren und behauptest, ihr größerer Umfang sei auf dumme Kandidaten zurückzuführen. Dafür gibt es nicht nur keinerlei Evidenz, es widerspricht auch allem, was AG-Leiter und Korrektoren erzählen.

Die Klausuren werden übrigens nicht nur seitenmäßig länger, sondern enthalten auch deutlich mehr Probleme. Das zeigt jede Studie von Originalklausuren, die eben doch verfügbar sind, etwa via Berliner Klausurenkurs online oder OLG-Kurs. Diese Probleme sind häufig inhaltlich schwieriger, was man unter anderem daran sieht, dass man Klausuren und verfügbare Materialien vergleicht. In älteren Klausuren werden häufig nur absolute Grundlagen aus obergerichtlichen Urteilen die damals schon veröffentlicht waren und breit rezipiert wurden, abgefragt, in neueren dagegen nicht selten Probleme, zu denen du auch nach 5h Recherche online kaum was findest.
Die Behauptungen stellst doch du auf?! Die Klausuren werden wohl länger und haben mehr Probleme. Die Schlussfolgerung daraus ist aber alles andere als klar. Du behauptest aber, dass die Länge und Anzahl der Probleme zu einer schwierigeren Klausur führt.
Das ist eine These, die du nicht belegen kannst. Es kann genau so gut umgekehrt sein. Du hast ja nicht einmal definiert was eine schwere und eine leichte Klausur sein soll. Wie misst man das überhaupt? Was soll das überhaupt bedeuten? Was sagt die Schwere überhaupt aus? Wieso soll die Schwere überhaupt relevant sein? Die Kandidaten interessiert am Ende nur die Note.

Ein subjektives Gefühl von "ja, das ist eine schwere Klausur" bringt halt absolut gar nichts. Das ist keine taugliche Diskussionsgrundlage.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Liz »

Seeker hat geschrieben: Freitag 8. Januar 2021, 18:14 Die Klausuren werden übrigens nicht nur seitenmäßig länger, sondern enthalten auch deutlich mehr Probleme. Das zeigt jede Studie von Originalklausuren, die eben doch verfügbar sind, etwa via Berliner Klausurenkurs online oder OLG-Kurs. Diese Probleme sind häufig inhaltlich schwieriger, was man unter anderem daran sieht, dass man Klausuren und verfügbare Materialien vergleicht. In älteren Klausuren werden häufig nur absolute Grundlagen aus obergerichtlichen Urteilen die damals schon veröffentlicht waren und breit rezipiert wurden, abgefragt, in neueren dagegen nicht selten Probleme, zu denen du auch nach 5h Recherche online kaum was findest.
Mehr und schwierigere Probleme (letzteres ist ex post nur bedingt feststellbar) führen aber nicht zwingend zu schwereren Klausuren:
"Mehr Probleme" heißt letztlich, dass schwache Kandidaten mehr Chancen haben, zumindest ein, zwei Probleme zu erkennen und vernünftig zu lösen. Wenn eine Klausur hingegen nur auf ein großes Problem hinausläuft, hat man ein Problem, wenn man das Problem entweder nicht erkennt oder keinen Lösungsansatz hierzu entwickeln kann. Dann rettet es einen auch nicht mehr, wenn man irgendein Mini-Problem in der Zulässigkeit gefunden hat.
"Schwierigere Probleme" ermöglichen hingegen eine bessere Notendifferenzierung und gerade die Abprüfung des juristischen Handwerkszeugs, als wenn die Klausur nur absolute Standardprobleme abfragt, die eigentlich auch der 4 Punkte-Kandidat aus dem Ärmel schütteln können muss. Eine Freundin hat z. B. im 2. Examen eine Klausur über den Fußball-Wettskandal ein Jahr nach der BGH-Entscheidung geschrieben, die zu diesem Zeitpunkt auch schon in den Kommentar eingearbeitet war; sie war nicht sonderlich begeistert...

Im Übrigen: Natürlich müssen die JPAs auch darauf reagieren, dass die Klausuren und die aktuelle Rechtsprechung immer besser und schneller ausgewertet werden und manche "Standardprobleme" heute (!) schlichtweg derart gut bekannt sind, dass 99,9 % der Kandidaten sie erkennen und 95 % der Kandidaten sie zufriedenstellend bis sehr gut lösen können. Und wenn man davon ausgehen kann, dass die interessanten OLG-Entscheidungen zeitnah in den Rechtsprechungsübersichten von Kaiser & Co. auftauchen, ist man eben darauf angewiesen, unveröffentlichte erstinstanzliche Entscheidungen zu bekommen, die mehr oder weniger bekannte Probleme ggf. nochmals aus einem anderen Blickwinkel beleuchten.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Seeker »

Liz hat geschrieben: Samstag 9. Januar 2021, 15:15 Im Übrigen: Natürlich müssen die JPAs auch darauf reagieren, dass die Klausuren und die aktuelle Rechtsprechung immer besser und schneller ausgewertet werden und manche "Standardprobleme" heute (!) schlichtweg derart gut bekannt sind, dass 99,9 % der Kandidaten sie erkennen und 95 % der Kandidaten sie zufriedenstellend bis sehr gut lösen können. Und wenn man davon ausgehen kann, dass die interessanten OLG-Entscheidungen zeitnah in den Rechtsprechungsübersichten von Kaiser & Co. auftauchen, ist man eben darauf angewiesen, unveröffentlichte erstinstanzliche Entscheidungen zu bekommen, die mehr oder weniger bekannte Probleme ggf. nochmals aus einem anderen Blickwinkel beleuchten.
Wobei das meine Vermutung bestätigt, dass es bei den Klausuren teilweise weniger darum geht, einen bestimmten Leistungsstand abzufragen und ein gewisses Niveau der Absolventen sicherzustellen, und mehr darum, eine bestimmte Notenverteilung aufrecht zu erhalten. Das ist aber durchaus etwas fragwürdig.

Mir ist zum Beispiel ein vergleichbares "Wettrüsten" aus der Medizin nicht bekannt. Dort werden die Aufgaben im Laufe der Zeit meines Wissens nicht deutlich schwieriger oder umfangreicher. Vielmehr werden alte Übungsfragen gerade veröffentlicht und später wieder verwendet. Wenn dann viele Absolventen diesen Stoff beherrschen (übrigens auch nicht mehr als bei Jura, eher deutlich weniger), bekommen sie eben die entsprechenden Noten.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Liz »

Bei den Medizinern ging es aber schon immer darum, eine erhebliche Menge Stoff mehr oder weniger stur auswendig zu lernen, in der Hoffnung, davon in der Praxis dann noch ungefähr 10-20 % aktiv abrufen zu können. Da ist früher wie heute die menschliche Merkfähigkeit der limitierende Faktor. Und wenn ich mir diese Beispielaufgaben anschaue, gibt es sicherlich genügend Möglichkeiten, an der Schwierigkeit der einzelnen Aufgaben zu drehen, wenn man die Schwierigkeit nicht schon allein über die reine Masse an Fragen und Stoff hinbekommt: https://www.impp.de/pruefungen/medizin/ ... gaben.html.

Die juristischen Examina prüfen hingegen die Fähigkeit ab, die erworbenen Rechtskenntnisse auch praktisch anzuwenden, wobei eine wesentliche Fähigkeit die rechtliche Argumentation und das Lösen unbekannter Rechtsprobleme ist. Das kann man aber nur bedingt abprüfen, wenn man praktisch nur einen feststehenden Problemkanon hat, den man nur auswendig lernen muss, um dann mit einer guten Note zu bestehen. Im Übrigen ist eben die Frage, was man als "gute Leistung" definiert: Dass jemand Wissensstand x hat (so z. B. bei der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung) oder dass jemand auch unbekannte Probleme selbstständig lösen kann.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Seeker »

Na ja, aber schon die Aufgabenstellung, die Anforderung des Verfassens einer schriftlichen, ausformulierten Lösung, die stetig neuen Sachverhalte und neue/abgewandelte Probleme stellen ja sicher, dass man mit reinem Auswendiglernen nicht weit kommt.

Wie man etwa eine bestimmte Kombination von Teilerledigung, Einspruch nach Versäumnisurteil und Drittwiderklage tenoriert und bearbeitet, kann man nicht auswendig lernen, sondern muss es eben spontan anhand der eigenen Grundkenntnisse entwickeln. Das ist ja dieselbe Transferleistung, die etwa im Mathe-Abitur verlangt wird, gepaart mit der Schwierigkeit, das Ganze auch einigermaßen sinnvoll zu strukturieren und gut lesbar zu formulieren.

Insgesamt sehe ich nicht, dass quasi jedes denkbare Problem oder jede Konstellation schon "bei Kaiser" steht und man deshalb gezwungen wäre, den Prüfungskanon drastisch um Berufung oder Revision zu erweitern.
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von OJ1988 »

Ich würde deine Klagen besser verstehen, wenn die Durchfallquoten in den letzten 10-20 Jahren drastisch gestiegen sind, weil die Prüfungsämter mittlerweile verlangen, dass jeder Prüfling einen Revisionsantrag fehlerfrei formulieren kann. Das ist aber nicht der Fall. Schwierigere, exotischere Klausuren werden nunmal anders bewertet (im Sinne von: Arbeiten am Gesetz allein ohne Kenntnis von Spezielproblemen kann bereits in den Prädikatsbereich führen). Das einzige, was m.E. bleibt, ist die "Schockwirkung" nach Umblättern der Aufgabenstellung "Oh Gott, Revision, das hab ich ja nie gelernt!" - das haben Prüflinge m.E. aber auszuhalten, zumal diese Schockwirkung im Beruf noch viel stärker kommt (ja, mitunter auch in Situationen, in denen man sich nicht erst mal 2-3 Stunden in beck-online vergraben kann).
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Re: Revisionsklausur in Zivilsachen - was machen die LJPAs?

Beitrag von Seeker »

Der Notenschnitt sagt nichts über die Qualität und Sinnhaftigkeit der Aufgabenstellung aus. Bei einer relativen Benotung wird immer ein ähnlicher Schnitt herauskommen. Auch bei einer schlecht gestellten Klausur mit unklarer Fragestellung oder 40 Seiten Sachverhalt wirst du bei relativer Benotung den selben Schnitt haben. Das heißt aber nicht, dass es eine sinnvolle Klausur ist. Ähnlich ist auch die Frage der Sinnhaftigkeit von Revisions- und Kautelarklausuren losgelöst von deren Benotung.

Niemand kann mir erklären, weshalb man 2005 mit achtseitigen Klausuren zu Standardproblemen (auch aus damaliger Sicht) Volljurist wurde, 2020 aber nur mit überwiegend 18-20 Seiten Sachverhalt, mehr Problemen und signifikant größerer Stoffmenge.

Ziel des zweiten Examens ist es doch, die Befähigung zum Richteramt zu überprüfen und die Qualität der Richterschaft und Anwälte sicherzustellen. Wenn dies aber 2005 bereits möglich war (und nochmal, die damaligen Klausuren enthielten), dann verstehe ich diese drastischen Änderungen nicht.
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