Staatsanwaltsklausur - Überforderung

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Logisch_Win7
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Staatsanwaltsklausur - Überforderung

Beitrag von Logisch_Win7 »

Hallo zusammen,

ich habe gerade einen kleinen Nervenzusammenbruch, weil ich mit dem Schreiben von Staatsanwaltsklausuren einfach nicht klarkomme. Mein größtes Problem ist es, den Sachverhalt auszuwerten. Ich habe keine Ahnung, wie ich die ganzen Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen so auswerten kann, um daraus überhaupt erstmal eine brauchbare Skizze zu fertigen, geschweige denn später tatsächlich mit dem Ausformulieren zu beginnen. Dazu dann noch der Zeitdruck und das Problem, dass Strafrecht jetzt sowieso nicht gerade mein Lieblingsfach ist. Ich schreibe in 2 Monaten Examen und habe das Gefühl, hier gefühlt auf 0 Punkte in der StA-Klausur zuzusteuern.

Habt ihr Tipps, in welchen Schritten man die Klausurakte angehen sollte und wie ich eine brauchbare Skizze zu Papier bringe? Das Ausformulieren an sich - so denke ich - dürfte ich dann eigentlich hinkriegen.
Limonadenbaum
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Re: Staatsanwaltsklausur - Überforderung

Beitrag von Limonadenbaum »

Ich verstehe das Problem glaube ich nicht ganz, aber ich schreibe dir mal auf, was bei mir ganz gut funktioniert hat, vielleicht hilft es dir ja:

1. Bearbeitervermerk und Aktenauszug einmal gründlich lesen. Ich habe dabei in drei Farben markiert, je eine Farbe für A-Gutachten, B-Gutachten und eine für Angaben, die am Ende in der Anklageschrift stehen müssen (Aktenzeichen, persönliche Daten des Beschuldigten, Namen von Zeugen, Beweismittel etc.). Beim Lesen schon Liste machen mit Straftatbeständen, die in Betracht kommen - die ergeben sich ja aus den Vernehmungen und den polizeilichen Vermerken. Wenn sich beim Lesen schon Beweisprobleme andeuten: mit "B" am Rand die Stellen kennzeichnen, die für die Beweiswürdigung und Beweisverwertung relevant / problematisch sind.

2. Kurze Vorüberlegung: Ist die Liste der Straftatbestände vollständig? Ggf. Aufteilung des Sachverhalts in verschiedene Tatkomplexe.

3. Skizze A-Gutachten: Mit dem ersten Tatkomplex anfangen und hier in der Regel mit dem Delikt mit der höchsten Strafandrohung.
Bei der Tathandlung des ersten Delikts (und später bei allen Tatbestandsmerkmalen, bei denen sich Beweisprobleme ergeben) prüfen, ob dem Beschuldigten nachweisbar (wenn Versuch, dann unter dem Punkt "Täterschaft"). Wenn es hier Probleme gibt, bei der Einlassung des Beschuldigten anfangen, dann die Zeugenaussagen auswerten, dann alle anderen Beweismittel. Ich habe oft kleine Tabellen mit (+) und (-) gemacht und die Inhalte der Beweismittel für beide Seiten schlagwortartig gegenübergestellt, aber wirklich nur mit einzelnen Wörtern. Wenn ich mir am Ende nicht sicher war, ob die Beweise (ggf. nach Aussortieren von nicht verwertbaren Beweisen) reichen: Für hinreichenden Tatverdacht genügt eine Verurteilungswahrscheinlichkeit von 51% und in der Klausur soll man in aller Regel am Ende zur Anklage kommen, also im Zweifel eher für die Nachweisbarkeit argumentieren.
Bei "Rennfahrer"-Klausuren, in denen viele Delikte zu prüfen sind, nicht jedes einzelne Tatbestandsmerkmal in die Skizze schreiben, sondern nur die problematischen. Und auch hier nicht zu viel schreiben, mit Symbolen und Abkürzungen arbeiten, bei Problemen Rn. aus dem Fischer notieren oder Fischer mit Lesezeichen versehen, damit man die Stelle später schnell abschreiben kann.
Am Ende nochmal kurz gedankliche Prüfung, ob ich keine Straftatbestände übersehen habe, manchmal mithilfe der jeweils letzten Randnummer im Fischer zu den Konkurrenzen bei den geprüften Delikten, die ich sowieso meistens gelesen habe, um die Konkurrenzverhältnisse richtig herauszuarbeiten. Ggf. kurz überlegen: Könnte der Beschuldigte noch irgendwas in strafrechtlich relevanter Weise unterlassen oder versucht haben?

4. Skizze B-Gutachten: Nur Schlagworte mit den passenden §§ aufschreiben.
Logisch_Win7 hat geschrieben: Samstag 9. Januar 2021, 11:02 Ich schreibe in 2 Monaten Examen und habe das Gefühl, hier gefühlt auf 0 Punkte in der StA-Klausur zuzusteuern.
Das wichtigste - und nach eigener Erfahrung mitunter auch das schwierigste - ist es aber, sich nicht so einen Quatsch einzureden ;) :alright
Logisch_Win7
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Re: Staatsanwaltsklausur - Überforderung

Beitrag von Logisch_Win7 »

Vielen Dank schon mal für deine ausführliche Antwort, das hilft mir schon mal weiter.

Mein größtes Problem ist, den Sachverhalt richtig auszuwerten. Also weil nicht mehr alles Relevante zu einem Tatbestand auf einer Seite steht, sondern über mehrere Vermerke/Zeugenaussagen/Beschuldigtenvernehmungen verteilt, wobei sich die Angaben dann ja teilweise noch widersprechen.

Ich habe mal bei einer Klausur versucht, alle Infos zu den Delikten aus den einzelnen Seiten der Klausurakte rauszuschreiben und direkt dahinter zu schreiben, wie das bewiesen werden kann. Bin dann aber mit der Zeit hinten und vorne nicht ausgekommen. Gibt es da einen guten Tipp, wie ich das in den Griff bekomme?
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