Extreme (Selbst)zweifel, 1.Semester

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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eci15
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Extreme (Selbst)zweifel, 1.Semester

Beitrag von eci15 »

Und zwar habe ich im November das Jurastudium begonnen und eins habe ich festgestellt: Es ist nicht so rosig wie vorgestellt. Schon vor Beginn wusste ich schon vom psychischen Druck, jedoch hätte ich nicht gedacht, dass ich so schnell überfordert sein würde bzw. ständig an mir zweifle. Ich habe seit Beginn alles, was man nur falsch machen kann, falsch gemacht. Ich habe kaum Kontakte zu anderen Kommilitonen (ich kenne 4, aber wir schreiben nie). Ich wusste absolut gar nicht, wie ich lernen sollte und habe aus diesem Grund das Lernen vernachlässigt (wobei ich jetzt ein Lernsystem gefunden habe). Ich verstehe seit der ersten Stunde trotz Kauf verschiedener Fallbücher und extra einem Buch zum Gutachtenstil einfach gar nichts vom Gutachtenstil, weshalb ich (ja ich und meine Dummheit) vor Frust einige Vorlesungen und vor allem die Tutorien nicht mehr besucht habe. Nun ist es so, dass die meisten viel weiter als ich sind, prima Gutachten schreiben können, während ich mich frage, wie zur Hölle ich Ende Februar 2 Klausuren (Strafrecht und Staatsorga) schreiben soll. Ehrlich gesagt finde ich auch viele Kommilitonen und deren Art und Weise sehr nervig, was mir zusätzlich als negative Seite am Jura Studium auffällt. Jedoch wünschte ich am meisten, ich hätte all diese Fehler nicht gemacht und würde nicht ständig an mir selbst zweifeln, so dass ich schon im ersten Semester ans Abbrechen in Zukunft denken. An sich finde ich die Inhalte in Staatsrecht und Strafrecht (in zixilrecht aber nicht) tatsächlich interessant; ich kann mir aber nicht nicht vorstellen, wie ich in Zukunft Examina bestehen soll und den immer komplizierter werdenden Stoff bewältigen soll, wenn ich schon im 1.Semester so denke und fühle. Eigentlich war es schon immer mein Traum gewesen, Anwältin zu werden, jedoch finde ich den Weg dorthin, das Jurastudium, sehr abschreckend. Außerdem macht mir der Gedanke Angst, dass man mehrere Jahre studiert und die Ungewissheit herrscht, dass man das 1. STEX z.B. nicht besteht und alles umsonst war (Erfahrung hin oder her). Also, an sich finde ich den Gedanken, Jura zu studieren echt cool (nicht wegen des Prestige, sondern weil einige Inhalte interessant sind und der Job als Anwältin), jedoch macht mich das Jurastudium schon jetzt fertig. Ich weiß nicht, ob ich meine schönsten Jahre damit verbringen sollte, an mir zu zweifeln, wenn ich schon jetzt nicht das Potential in mir sehe, sondern das Potential, eine Abbrecherin zu sein. Meine Eltern bzw. Familie wollte schon seit Anfang nicht, dass ich Jura studiere, weshalb ich echt immer wieder deren Aussagen bestätigt sehe und noch mehr zweifle... Ich bin echt traurig. Ich weiß nicht, ob ich mich 1)für alle beide Klausuren anmelden sollte 2)In den Ferien 2 Hausarbeiten schreiben sollte und damit keine Zeit hätte, den ganzen verpassten Stoff nachzuholen 3)oder einfach das 1. Semester wiederholen sollte, indem ich mich im 2. Semester für alle Veranstaltungen des 1. wieder anmelde und von vorne beginne .. Ich brauche echt jemanden, der mir seine Meinung dazu sagt, denn ich möchte aufhören, in dieses Gedankenkarussell abzurutschen und stattdessen am liebsten wissen, wie ich jetzt weiterverfahren sollte.. :( Vielen Dank
Tyberius
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Re: Extreme (Selbst)zweifel, 1.Semester

Beitrag von Tyberius »

Hallo,

lass dich von einem holprigen Start ins Jurastudium nicht entmutigen. Dass man nach zweieinhalb Monaten noch Probleme mit dem Gutachtenstil hat, ist nichts Außergewöhnliches und wird den meisten so gehen. Die eingeschränkten Kontakte zu Kommilitonen sind sicherlich auch durch die spezielle Coronasituation mit Onlinevorlesungen bedingt. Wenn es irgendwann wieder einen Normalbetrieb gibt, wirst du aber schnell Anschluss zu deinen Kommilitonen finden, denen geht es im Zweifel ja auch nicht anders was Kontakte an der Uni angeht.

Das Wichtigste ist, ob du ernsthaftes Interesse an der Juramaterie hast und bereit bist dich 5-7 Jahre damit nahezu täglich auseinanderzusetzen. Nachdem was du berichtest scheint dass bei dir der Fall zu sein. Also einfach fleißig weiterlernen, die Klausuren mitschreiben und schauen was dabei herauskommt. Auch durch Hausarbeiten kann man gut Stoff wiederholen und vertiefen. Das erste Semester jetzt zu wiederholen ohne überhaupt eine einzige Prüfung geschrieben zu haben halte ich nicht für sinnvoll.

Ich würde generell in einem so frühen Stadium des Studiums noch nicht an das Examen (und schon gar nicht an ein Nichtbestehen) denken. Versuche erst einmal 2-3 Semester voll konzentriert und mit vollem Einsatz zu absolvieren. Nur wenn du dann in vielen Klausuren durchfällst trotz hohem Lernaufwand kann man sich Gedanken machen hinsichtlich des Examens. Nach zweieinhalb Monaten macht das einfach keinen Sinn. Nicht verrückt machen, das Jurastudium haben schon ganz andere geschafft ;)
Hubertus
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Re: Extreme (Selbst)zweifel, 1.Semester

Beitrag von Hubertus »

Du bist im ersten Semester, da ist noch gar nichts entschieden und das Kind auch nicht in den Brunnen gefallen.

Vor allem ist der Stoff aus dem ersten Semester im Vergleich zum Prüfungsstoff des Examens ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn du hier hinterher hängst kannst du das immer noch mit wenigen Wochen akribischer Arbeit ausgleichen.
Klingt jetzt natürlich erstmal überwältigend, da dir denke ich mal die Stoffmenge jetzt schon auf den Kopf kracht, aber es ist wirklich so.

Und lass dir gesagt sein, in Jura fällt auch kein Meister vom Himmel.
Dieses Fach ist vom Stil her so weit weg von den allermeisten Studiengängen und vor allem dem Abitur, dass jeder etwas Anlaufzeit braucht, um das Fach zu durchdringen.
Oft dauert dies auch bis zur Examensvorbereitung, in der alle Rechtsgebiete zusammenwachsen.

Gerade am Anfang des Studiums, wo mach quasi noch keinen richtigen Zugriff zur Materie hat und gewissermaßen einfach den Stoff aus den Lehrbüchern, Vorlesungen und Fallbesprechungen nachplappert, zählt der reine Fleiß am meisten.
Ein Erst-/Zweitsemester hat, egal wie gut die Noten auch in den kleinen Übungen auch sein mögen, immer noch absolut keine Ahnung von Jura.
Geht ja auch schlecht, so nur mit BGB AT, Staatsorganisationsrecht und Strafrecht AT und so gut wie keinen geschriebenen Klausuren.


Zu deinem weiteren Vorgehen:
Ich würde die Hausarbeiten mitschreiben.
Gerade dabei kannst du etwas über Jura lernen und hast auch mehr Zeit, dich mit dem Fall auseinanderzusetzen und auch etwas mehr über gelesene Aufsätze und Kommentarstellen zu reflektieren.
So lernst du auch direkt etwas für die kleinen Übungen.
Nebenbei in den Semesterferien noch im Lehrbuch lesen, dann wird das auch klappen, wenn du dich zusätzlich noch direkt vor den Klausuren gut auf diese vorbereitest. (Und in den Klausuren Absätze in der Reinschrift der Übersichtlichkeit wegen machst, mal so als kleiner Tipp. ;) )


Und als letztes gebe ich dir noch folgendes auf den Weg:
Jura ist von Menschen, für Menschen. Es ist keine Quantenphysik, die dem Mensch als solchen fremd ist und die er erst erforschen muss.
Das gilt auch für den Stoff, den ein Student zu erlernen hat.
Klar, nicht jeder ist ein 14 Punkte-Jurist und auch ebenso talentiert, aber das muss auch nicht jeder sein.
Vor diesem Fach sollte man deswegen nicht vor Ehrfurcht erstarren, denn diese Gedanken und Ansätze, auf die ein Mensch irgendwann gekommen ist, könnten von vielen von uns stammen.
Oder jedenfalls können viele von und diese einfach auswendig lernen. :D
Wie mein Vorredner sagte, jeden Tag (auf die richtige Art und Weise!) dranbleiben, dann wird das schon.
Im ersten Semester hat man nüchtern betrachtet noch keinen Anlass, Zweifel am Studium zu haben.
Im Zweifelsfall verstehen die anderen nämlich genauso wenig, können aber den Stoff aus den Lehrbüchern nur besser nachplappern.
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