Zeit sparen in der StA-Klausur

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Micha79
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von Micha79 »

Fertig werden hat höchste Priorität. Das Problem ist, dass einige Prüfer wohl überhaupt keine "interne Wertungskonsistenz" haben, ohne das zuzugeben.
Beispiel: Dem Korrektor schwebe es vor Augen, dass man im A-Gutachten maximal 7 Punkte, im B-Gutachten maximal 3 Punkte und den Rest bei Abschlussverfügung/Anklageschrift holen möge.
Wenn man fertig wird, bekommt man hier Abzüge (zB für Oberflächlichkeit) im A-Gutachten, sagen wir (es ist insgesamt eine ganz gute Klausur) 3 Punkte.
Unterstellt, ein Kandidat würde nicht fertig (Anklage fehlt), hätte aber dafür ein perfektes oder nahezu perfektes A-Gutachten.
Hierfür gibt es dann den diffusen und brutalen, in der Höhe rein intuitiv Pi mal Daumen "erfühlten" Strafzuschlag "nicht praxistauglich". Das ganze Wertesystem kollabiert dann. Vermutlich kann man sogar bei einem perfekten Gutachten ein tiefes Ausreichend oder ein mangelhaft geben (gerichtsfest - prüfungsspezifische Wertung)?

Das Bewertungssystem (es gilt nicht mathematisch, aber es liegt bei unterschiedlichen Aufgaben auf der Hand, dass man in unterschiedlichen Abschnitten punkten kann - das sagten zu meiner Zeit jedenfalls zahlreiche Korrektoren selbst), welches grds. besagt, dass Schwächen in einem Teil durch Stärken ausgeglichen werden, steht also unter einer "aufschiebenden Bedingung", nämlich der des Fertigwerdens. Wird diese Bedingung versäumt, so ist man auf Gedeih und Verderb dem dann alternativ geltenden, meistens nur erfühlten Regime ausgesetzt, welches bei "fehlender Praxistauglichkeit" einsetzt.

Und: Nicht fertig werden rechtfertigt einen spürbaren Abzug - aber der sollte nicht so diffus sein, dass gute Leistungen in anderen Bereichen völlig unterwertet werden.

Beispiel für Kohärenz: obiges System - Möglichkeiten für Bonuspunkte - Möglichkeiten für Maluspunkte: Nicht-Fertig-Werden (zB 4 oder 5 Punkte).
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Tibor
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von Tibor »

Ach, diese Diskussion ist so alt, wie es StA-Klausuren und StA als Korrektoren im Examen gibt. In meinem Ref-Klausurenkurs hatte uns ein StA dargestellt, wie er die Note bemisst. Der hatte wirklich mit einem Teilpunkte und Bonus-Malus-System gearbeitet. Ich weiß nicht mehr, wie das genau auf der Folie war, aber er hatte für bestimmte Prüfungspunkte und Ausführungen in der Klausur dann Viertel, Halbe und Ganze Punkte vergeben und die Summe dann mit einem Quotient multipliziert. Für komplette Klausur gab es Pluspunkte und für fehlende Teile glatte Abzüge. Der Witz war, dass es dann eigentlich immer nur Abzüge gab und der ganz AG-Kurs von uns immer bei 5-7 Punkten landete. Wir hatten dann lang und breit die Diskussion mit ihm, dass dann wohl sein Quotient falsch sein müsse, weil er in the long run eben bei einer durchschnittlichen Leistung = 8 Punkte rauskommen müsste.
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Micha79
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von Micha79 »

Ich kann mich noch an einen AG-Leiter erinnern, der den Klausurtipp (!) gegeben hat, erst einmal 2 Stunden zu skizzieren und dann erst die Lösung zu beginnen...
Sektnase
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von Sektnase »

Ist ja auch irgendwo verständlich: in der Praxis ist unfertig keine Option, weshalb man alles eher oberflächlicher machen muss. Die halbe Klageschrift oder das halbe Strafurteil traut sich in echt ja auch (fast) keiner.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von thh »

Micha79 hat geschrieben: Donnerstag 11. Februar 2021, 13:38Beispiel: Dem Korrektor schwebe es vor Augen, dass man im A-Gutachten maximal 7 Punkte, im B-Gutachten maximal 3 Punkte und den Rest bei Abschlussverfügung/Anklageschrift holen möge.
Das scheint mir kaum ein tragfähiger Maßstab zu sein, denn eine Klausur, in der zunächst der Sachverhalt gutachterlich zu prüfen und dann eine Abschlussverfügung zu treffen ist, kann kaum "eine über den durchschnittlichen Anforderungen liegende Leistung" sein, wenn es gar keine Abschlussverfügung gibt, und auch nicht "eine Leistung, die in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entspricht", wenn zudem noch eines der Gutachten fehlt.
Micha79 hat geschrieben: Donnerstag 11. Februar 2021, 13:38Unterstellt, ein Kandidat würde nicht fertig (Anklage fehlt), hätte aber dafür ein perfektes oder nahezu perfektes A-Gutachten.
Hierfür gibt es dann den diffusen und brutalen, in der Höhe rein intuitiv Pi mal Daumen "erfühlten" Strafzuschlag "nicht praxistauglich". Das ganze Wertesystem kollabiert dann.
Eben. Ein solches Bewertungssystem ist nicht geeignet.
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Strich
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von Strich »

Zaiaku hat geschrieben: Donnerstag 11. Februar 2021, 18:21 Wie schon einige Vorredner sehe ich ein großes Problem darin, dass zahlreiche Korrektoren individuelle Vorlieben meist unter dem Stichwort der Praxistauglichkeit zu stark gewichten (im Gedächtnis geblieben ist mir ein Zivilrichter, der meinte, niemals über 3 Punkte zu geben, wenn der Tenor beispielsweise mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckbar ist).

Gleichzeitig möchte ich einmal kontrovers in den Raum stellen, dass bei der modernen Form "Gutachten + Verfügungen/ggfs. auch nur Anklage", die inzwischen wohl überall außer in Bayern üblich ist, der übergeordnete Maßstab der Praxistauglichkeit schon grundsätzlich verfehlt ist, da die Aufgabenstellung gerade nicht mehr einer praktischen Herangehensweise entspricht, sondern wohl zu besseren Ergebnissen führen soll, indem man das stets jedenfalls in Gedanken notwendige Gutachten sichtbar macht.
Ein nicht vollstreckbarer Tenor ist in der Praxis nicht gleich das Todesurteil für das ... Urteil, weil es ja durchaus vernünftige Parteien gibt, die eine Vollstreckung nicht erzwingen, sondern dann eben erfüllen.

Insoweit ist sein Maßstab tatsächlich etwas schwierig. Das liegt aber eher daran, dass die Praxis viel mehr durchgehen lässt, als die Klausurbewertung ^^
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von Micha79 »

Dann soll man aber auch nicht so tun, als seien diese Dinge "irgendwie" gleichwertig oder als sei das A-Gutachten ein für sich selbst bewertungsfähiger Teil (genau das steht aber in den Prüferbewertungen, wenn man die SChwelle zur "Praxistauglichkeit" überwunden hat). Man sollte dann eindringlich stets warnen, dass die abstrakte Möglichkeit, im A-Gutachten durch gute juristische Ausführungen Punkte zu holen, überhaupt nur unter der aufschiebenden Bedingung der "Praxistauglichkeit" eröffnet wird. Konsequenz wäre dann, dass man die Abschlussverfügung und die Anklageschrift als erstes schreibt. Wurde das schon einmal empfohlen (beim Zivilurteil gibt es ja Leute, die das Schreiben der Entscheidungsgründe vorab empfehlen)?
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thh
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von thh »

Micha79 hat geschrieben: Freitag 12. Februar 2021, 17:01Dann soll man aber auch nicht so tun, als seien diese Dinge "irgendwie" gleichwertig oder als sei das A-Gutachten ein für sich selbst bewertungsfähiger Teil (genau das steht aber in den Prüferbewertungen, wenn man die SChwelle zur "Praxistauglichkeit" überwunden hat).
Auch wenn das A-Gutachten für sich selbst bewertungsfähig ist, fehlt es an der Befähigung zum Richteramt, wenn die Umsetzung der gutachterlichen Überlegungen in eine Entscheidung nicht (im vorgegebenen Zeitrahmen) gelingt, oder? Das ist doch gerade das Ziel der Ausbildung und die Anforderung der Praxis: die im Studium erlernten theoretischen Kenntnisse anzuwenden, um dann das Ergebnis der gutachterlichen Überlegungen zur Anfertigung eines Antrags oder einer Entscheidung zu verwenden (Urteil, Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft, Klageschrift, Revisionsbegründung, whatever). Niemand braucht Rechtsanwälte, Richter oder Staatsanwälte, die einen Sachverhalt umfänglich und aus jeder denkbaren Richtung beleuchten, dann aber nicht mehr dazu kommen, diese (hoffentlich) klugen Gedanken dann auch zur Anwendung zu bringen.

Dabei steht juristische Tätigkeit immer unter zeitlichen Zwängen: in der Klausur sind es fünf Stunden, im staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Dezernat begrenzen die zu erledigenden Eingänge im Verhältnis zur Wochenarbeitszeit den begrenzenden Faktor, beim Rechtsanwalt ist es entweder die Auskömmlichkeit des gesetzlichen Honorars oder die Geduld bzw. Zahlungsbereitschaft des Mandanten bei einer Honorarvereinbarung. Wer in fünf Stunden den Sachverhalt nicht rechtlich und prozessual aufbereiten und dann noch eine (oft ja verkürzte) Abschlussverfügung treffen kann, wird wohl auch Schwierigkeiten haben, 200 oder auch nur 120 "Massensachen" in durchschnittlich 17 Arbeitstagen (jede Woche einen Tag Sitzungsdienst) zu je acht Stunden, also 136 Stunden, zu erledigen - es bedarf zwar in der Regel keines ausformulierten Gutachtens, der entsprechenden Gedanken aber sehr wohl, und die Sachen sind nicht aller ausermittelt. Auf andere juristische Arbeitsgebiete lässt sich das in vergleichbarer Form übertragen.

Und letztlich gilt bei einem Klausurexamen eben auch immer, dass die richtige Schwerpunktsetzung, aber auch Zeiteinteilung zur Prüfungsleistung dazugehört.
Micha79 hat geschrieben: Freitag 12. Februar 2021, 17:01Konsequenz wäre dann, dass man die Abschlussverfügung und die Anklageschrift als erstes schreibt. Wurde das schon einmal empfohlen (beim Zivilurteil gibt es ja Leute, die das Schreiben der Entscheidungsgründe vorab empfehlen)?
Wie soll das gehen? Die gutachterliche Prüfung des Sachverhalts ist doch Voraussetzung zur Erstellung der Abschlussverfügung. Es macht wenig Sinn, den Sachverhalt zu durchdenken, dann das Ergebnis zu Papier zu bringen und nachträglich die Gedanken, die man sich ohnehin machen muss, nochmals aufzuschreiben. Das geht vor allem dann schief, wenn man zunächst einmal nur grob gliedert und dann den Feinschliff des Gutachtens mit der Niederschrift verbindet.

Die Aufgabenstellung ist ja auch keine weltfremde Erfindung, sondern die in der Praxis erforderliche Vorgehensweise: Klärung der materiellen Rechtsfragen einschließlich Beweis- und rechtlicher Würdigung, dann die Klärung prozessualer Fragen (die die Klärung der Rechtsfragen voraussetzt, weil sich ohne Entscheidung für einen tatsächlichen Sachverhalt nicht entscheiden lässt, ob und was angeklagt oder eingestellt wird, weil die Zuständigkeit des Gerichts und die Frage nach der notwendigen Verteidigung nicht beantwortet werden kann und weil auch nicht klar ist, welche Opportunitätseinstellungen sinnvoll und geboten sind). Danach wird das Ergebnis dieser Überlegungen in Form einer Abschlussverfügung zu Papier gebracht. In einfachen Fällen der Praxis geht das fließend, in seltenen komplexeren bedarf es tatsächlich einer quasi-gutachterlichen Beschäftigung mit dem Sachverhalt.

Beim Zivilurteil ist die Lage anders bzw. genau andersherum; die Entscheidungsgründe führen zum Tenorm, wie es auch bei einer umfangreicheren Anklageschrift durchaus sinnvoll ist, zunächst das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zu verfassen und dann zum Abschluss den Anklagesatz. Niemand kann einen Tenor verfassen, ohne zuvor den Sachverhalt festgestellt und sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme befasst zu haben; deshalb ist es durchaus richtig, den Tenor auch in der Klausur an den Schluss zu setzen. Anders wäre es, wenn man in der zivilrechtlichen Urteilsklausur zuvor ein Relationsgutachten verfassen müsste ...
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von gola20 »

Die Leute überschätzen sich sehr oft maßlos. In der Praxis retten vernünftige Gerichtsvollzieher und Rechtspfleger sehr viele nicht vollstreckbare Tenorierungen. Der Richter denkt sich dann natürlich "boah bin ich geil, mache nie Fehler". Entsprechend korrigiert er auch.

Jeder macht Fehler und jeder lernt dazu - sogar nach dem Examen. Deswegen fehlt einem nicht direkt die "Befähigung zum Richeramt".
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von thh »

gola20 hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 12:05Die Leute überschätzen sich sehr oft maßlos. In der Praxis retten vernünftige Gerichtsvollzieher und Rechtspfleger sehr viele nicht vollstreckbare Tenorierungen. Der Richter denkt sich dann natürlich "boah bin ich geil, mache nie Fehler". Entsprechend korrigiert er auch.
Ohne Frage.
gola20 hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 12:05Jeder macht Fehler und jeder lernt dazu - sogar nach dem Examen. Deswegen fehlt einem nicht direkt die "Befähigung zum Richeramt".
Du bist also der Ansicht, wer innerhalb der ihm zur Arbeit zur Verfügung stehenden Zeit nicht in der Lage ist, ein Urteil zu verfassen, weil er zu lange für die Vorüberlegungen braucht, sei als Richter geeignet? Hm.
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von Seeker »

Diese Diskussion zeigt doch vor allem, dass es an hinreichenden Vorgaben durch die Prüfungsämter fehlt.

Es ist doch absurd, dass es nicht einmal Vorgaben dafür gibt, ob etwa eine fehlende Anklageschrift oder ein nicht vollstreckungsfähiger Tenor - jedenfalls in einer konkreten Klausur - (a) zu einem Punktabzug von X bis maximal Y führen darf oder (b) automatisch zu einer Punktzahl von maximal Z Punkten führt. Gegebenenfalls mit einer besonders begründungsbedürftigen "Härtekorrektur" in Einzelfällen.

Es kann nicht sein, dass in einer derartigen Situation bei einer identischen Klausur der eine Prüfer sagen darf, "nicht praxistauglich/keine Eignung für das Richteramt = maximal 4 Punkte", und der andere, "na ja, trotzdem eine schöne Klausur, hinten raus Zeitnot gehabt, 8 Punkte".
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von OrangensaftEddy »

thh hat geschrieben: Samstag 13. Februar 2021, 19:42 Dabei steht juristische Tätigkeit immer unter zeitlichen Zwängen: in der Klausur sind es fünf Stunden, im staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Dezernat begrenzen die zu erledigenden Eingänge im Verhältnis zur Wochenarbeitszeit den begrenzenden Faktor, beim Rechtsanwalt ist es entweder die Auskömmlichkeit des gesetzlichen Honorars oder die Geduld bzw. Zahlungsbereitschaft des Mandanten bei einer Honorarvereinbarung. Wer in fünf Stunden den Sachverhalt nicht rechtlich und prozessual aufbereiten und dann noch eine (oft ja verkürzte) Abschlussverfügung treffen kann, wird wohl auch Schwierigkeiten haben, 200 oder auch nur 120 "Massensachen" in durchschnittlich 17 Arbeitstagen (jede Woche einen Tag Sitzungsdienst) zu je acht Stunden, also 136 Stunden, zu erledigen - es bedarf zwar in der Regel keines ausformulierten Gutachtens, der entsprechenden Gedanken aber sehr wohl, und die Sachen sind nicht aller ausermittelt. Auf andere juristische Arbeitsgebiete lässt sich das in vergleichbarer Form übertragen.
Wieso muss juristische Tätigkeit unter einem Zeitzwang stehen? :-k
Wenn es ein Gebot ist, dass juristische Tätigkeit unter Zeitzwang (sprich: Zeitmangel) stehen soll, wieso gibt es dann einen Personalmangel in der Justiz? Müsste es dann nicht ein Personalüberfluss sein?
https://www.welt.de/politik/deutschland ... renze.html
https://www.nordbayern.de/region/person ... -1.9607997
https://www.juve.de/nachrichten/namenun ... erbar-rauf

Vllt. sind die Richter die wir grad haben zu viele und paar müsste man entlassen, so könnte man die zeitlichen Zwänge noch ein bisschen nach oben schrauben um den Anspruch der juristischen Tätigkeit gerecht(er) zu werden.
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von thh »

OrangensaftEddy hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 14:08Wieso muss juristische Tätigkeit unter einem Zeitzwang stehen? :-k
Warum muss man arbeiten, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen?
OrangensaftEddy hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 14:08Wenn es ein Gebot ist, dass juristische Tätigkeit unter Zeitzwang (sprich: Zeitmangel) stehen soll
Es gibt kein "Gebot", dass irgendeine Tätigkeit unter Zeitzwang stehen "soll"; das ist vielmehr schlicht eine Tatsache. Auch der Automechaniker, pardon, Kfz-Mechatroniker steht unter "Zeitzwang", denn er muss mit seiner Arbeit rechtzeitig fertig werden, damit er sich danach dem nächsten Fahrzeug widmen kann; der Journalist muss seinen Beitrag nicht nur rechtzeitig zum Redaktionsschluss abliefern, sondern auch ohne Redaktionsschluss irgendwann einmal fertig werden, damit er seinen nächsten Beitrag beginnen kann. Der Arzt muss seinen Patienten unter Zeitzwang behandeln, weil sonst der nächste Patient länger warten muss (oder, beim niedergelassenen Vertragsarzt, der selbständig tätig ist, das Einkommen nicht auskömmlich wird).

Nahezu bei jeder beliebigen Tätigkeit kommt es nicht nur darauf an, dass sie möglichst gut erledigt wird, sondern auch möglichst schnell und/oder in einem bestimmten Zeitrahmen; und es kommt daher auch darauf an, Schwerpunkte richtig zu setzen und sich seine Zeit einzuteilen.
OrangensaftEddy hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 14:08wieso gibt es dann einen Personalmangel in der Justiz?
Weil für die anstehende Arbeit zu wenig Personal vorhanden ist.
OrangensaftEddy hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 14:08Müsste es dann nicht ein Personalüberfluss sein?
Diesen Gedankengang verstehe ich nicht.
OrangensaftEddy hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 14:08Vllt. sind die Richter die wir grad haben zu viele und paar müsste man entlassen, so könnte man die zeitlichen Zwänge noch ein bisschen nach oben schrauben um den Anspruch der juristischen Tätigkeit gerecht(er) zu werden.
Und ich neige zu der Auffassung, dass das Verständnisproblem nicht auf meiner Seite liegt.
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von gola20 »

thh hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 12:45 Du bist also der Ansicht, wer innerhalb der ihm zur Arbeit zur Verfügung stehenden Zeit nicht in der Lage ist, ein Urteil zu verfassen, weil er zu lange für die Vorüberlegungen braucht, sei als Richter geeignet? Hm.
Definitiv. Vergleich einfach die Geschwindigkeit von Berufseinsteigern und beruferfahrenen Richtern. Ob jemand beim Examen bereits einen Schritt weiter ist bezüglich der Geschwindigkeit, ist komplett egal, weil beide noch 300 Schritte gehen müssen.
Geschwindigkeit kann gut und gerne ein Kriterium der Bewertung sein. Der Fetisch die Geschwindigkeit zum fast vollständigen Alleinmerkmal zu erhöhen, ist vollkommen Banane. Dadurch treten alle anderen Kernkompetenzen zurück. Problemlösung, Sprache, Kreativität, Aufbau, Formulierungen, Gründlichkeit, Deteilverliebtheit etc. Wenn man schnell sein muss, dann leidet zwangsläufig alles andere. Die berühmte Rennfahrerklausur prüft nur einen kleinen Bereich der Kompetenzen ab.
Zuletzt geändert von gola20 am Sonntag 14. Februar 2021, 18:01, insgesamt 2-mal geändert.
Theopa
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Re: Zeit sparen in der StA-Klausur

Beitrag von Theopa »

gola20 hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 15:16 Geschwindigkeit kann gut und gerne ein Kriterium der Bewertung sein. Der Fetisch die Geschwindigkeit zum fast vollständigen Alleinmerkmal zu erhöhen, ist vollkommen Banane. Dadurch treten alle anderen Kernkompetenzen zurück. Problemlösung, Sprache, Kreativität, Aufbau, Formulierungen, Gründlichkeit, Deteilverliebtheit etc. Wenn man schnell sein muss, dann leidet zwangsläufig alles andere. Die berühmte Rennfahrerklausur prüft nur einen kleinen Bereich der Kompetenzen ab.
Definitiv. Das Problem ist aber, dass eine perfekte Klausur eben extrem schwierig zu erstellen ist. Übertreibt man es in bei der reinen Schwierigkeit ist der Stoff nicht sinnvoll abprüfbar, da man dann 50% abgebrochene bzw. halbfertige Arbeiten bekommen wird. Man kann nicht jedes komplexe Problem immer nur am Ende der Klausur einbauen. Entwirft man sehr "dünne" und zugleich eher einfache Klausuren kann man nicht mehr differenzieren, da dann 80% "Ja, eigentlich alles da" Lösungen rauskommen. Welcher Schnitt soll man da rauskommen? 5,0 da fast keiner über den Durchschnitt hinauskommt oder 14,0 da eigentlich keiner mehr relevante Fehler macht?

Natürlich wäre es ideal nur Klausuren zu haben die mit einem geringen aber relevanten Zeitdruck eine überschaubare Vielfalt an Problemen abprüfen, dabei für jeden etwas dabei haben und zugleich nie vorhersehbar werden. Dafür müsste man dann aber wohl ein Team an hochqualifizierten hauptberuflichen Klaurbastlern einstellen, und selbst die werden es (vgl. Rep-Klausuren) nicht zwingend schaffen.

Die Rennfahrerklausur ist eine bequeme Lösung, die immerhin einen Vorteil bietet: Man weiß, was auf einen zukommt und kann (vgl. diesen Thread) genau diese Probleme gezielt angehen.
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