§ 25 II 2 Alt. 2 StGB / "Versuchter" Rücktritt?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Antworten
adem_b
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 38
Registriert: Sonntag 28. April 2019, 15:13

§ 25 II 2 Alt. 2 StGB / "Versuchter" Rücktritt?

Beitrag von adem_b »

Folgende Frage zum Anwendungsbereich des § 24 II 2 Alt. 2 StGB:

Grundsätzlich gilt:
"§ 24 ist eine versuchsspezifische Regelung. Nur vor Vollendung der Tat können Rücktrittshandlungen vorgenommen werden. (...)"(Kudlich/Schuhr, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 7).

Aber: "(...) Wird die Tat gleichwohl vollendet, kommt nur eine Anwendung von Abs. 2 S. 2 Alt. 2 in Betracht. [...]
Kommt es trotz seiner Bemühungen zur Vollendung oder erhält er keine Gelegenheit mehr zu solchen Bemühungen, ist er (außer in Fällen des Abs. 2 S. 2 Alt. 2) wegen vollendeter Tat (bzw. Teilnahme) zu bestrafen" (Kudlich/Schuhr, a.a.O.)

Die Autoren führen noch aus (Rn. 61): "Obwohl die Tat vollendet wurde, kann der Täter ausnahmsweise nach Abs. 2 S. 2 Alt. 2 zurücktreten."

Angenommen ein Mittäter, welcher maßgeblich an der Planung beteiligt war und 50% der Beute bekommen soll, sagt sich nach Versuchsbeginn los und "versucht" noch die Vollendung zu verhindern.

Meiner Meinung nach würde das vollendete Delikt in Mittäterschaft durchgehen.
Könnte man nach den obigen Ausführungen ausnahmsweise einen Rücktritt trotz vollendetem Delikt prüfen?

Das Thema wurde hier im Forum knapp behandelt: "versuchter" Rücktritt vom vollendeten Delikt


Welchen anderen Anwendungsbereich hat § 24 II 2 Alt. 2 StGB sonst?


Vielen Dank
adem_b
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 38
Registriert: Sonntag 28. April 2019, 15:13

Re: § 25 II 2 Alt. 2 StGB / "Versuchter" Rücktritt?

Beitrag von adem_b »

Ich habe weiter recherchiert. Laut Lehrbüchern ist § 24 II 2 Alt. 2 StGB der "bloße Anschein" der Durchbrechung des Grundsatzes, dass ein Rücktritt vom vollendeten Delikt nicht möglich ist.

Die Ausführungen in S/S/W verstehe ich anders.

In einem Repetitorium wird in einer Falllösung bei einem vollendeten Delikt auch § 24 II 2 Alt. 2 StGB (jedoch analog) geprüft.

Für Erläuterungen wäre ich weiter dankbar. Ich stehe auf dem Schlauch
T0bi
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2519
Registriert: Mittwoch 21. November 2007, 15:39
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: § 25 II 2 Alt. 2 StGB / "Versuchter" Rücktritt?

Beitrag von T0bi »

adem_b hat geschrieben: Samstag 22. Mai 2021, 15:16 Angenommen ein Mittäter, welcher maßgeblich an der Planung beteiligt war und 50% der Beute bekommen soll, sagt sich nach Versuchsbeginn los und "versucht" noch die Vollendung zu verhindern.

Meiner Meinung nach würde das vollendete Delikt in Mittäterschaft durchgehen.
Könnte man nach den obigen Ausführungen ausnahmsweise einen Rücktritt trotz vollendetem Delikt prüfen?
Aber die Tat wird in dem Fall doch nicht unabhängig von ihm vollendet. Das wäre tätige Reue. Ist sein Tatbeitrag conditio sine qua non für die Vollendung, scheidet Rücktritt aus, auch wenn er sich im Versuchsstadium erfolglos bemüht, die Vollendung zu verhindern.
"die Bezeichnung Penner hat nicht...stets beleidigenden...Charakter. So werden etwa im Einzelhandel umgangssprachlich schlecht verkäufliche Artikel...im Gegensatz zum Renner auch als Penner bezeichnet (wikipedia.de)" (BayVGH NZA-RR 2012, 302)
adem_b
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 38
Registriert: Sonntag 28. April 2019, 15:13

Re: § 25 II 2 Alt. 2 StGB / "Versuchter" Rücktritt?

Beitrag von adem_b »

T0bi hat geschrieben: Samstag 22. Mai 2021, 22:42
adem_b hat geschrieben: Samstag 22. Mai 2021, 15:16 Angenommen ein Mittäter, welcher maßgeblich an der Planung beteiligt war und 50% der Beute bekommen soll, sagt sich nach Versuchsbeginn los und "versucht" noch die Vollendung zu verhindern.

Meiner Meinung nach würde das vollendete Delikt in Mittäterschaft durchgehen.
Könnte man nach den obigen Ausführungen ausnahmsweise einen Rücktritt trotz vollendetem Delikt prüfen?
Aber die Tat wird in dem Fall doch nicht unabhängig von ihm vollendet. Das wäre tätige Reue. Ist sein Tatbeitrag conditio sine qua non für die Vollendung, scheidet Rücktritt aus, auch wenn er sich im Versuchsstadium erfolglos bemüht, die Vollendung zu verhindern.

Danke für deine Antwort.

Das Ergebnis, ob nun eine Strafbarkeit wegen eines vollendeten Delikts vorliegt oder nicht, ist für mich erstmal zweitrangig. Mir geht es um die dogmatische Begründung und den Anwendungsbereich des § 24 II 2 Alt. 2 StGB. Oder habe ich deinen Beitrag falsch verstanden?

Schlicht gesagt: Nach S/S/W - und damit entgegen Ausbildungsliteratur - verstehe ich § 24 II 2 Alt. 2 StGB so, dass man tatsächlich "Rücktritt vom vollendetem Delikt" prüfen kann.

Schematisch dargestellt:

A. Strafbarkeit des Haupttäters nach § 249 I StGB (+)

B. Strafbarkeit des Mittäters nach §§ 249 I, 25 II StGB
I. TB
1. TB-Verwirklichung des Haupttäters (+)
2. Zurechnung nach § 25 II StGB (+): nur aufgrund der Vorbereitungshandlungen und des Wissens des Mittäters konnte Tat ausgeführt werden
3. Vorsatz: Wenn man annimmt, dass Rücktrittsüberlegungen erst nach Betreten des Versuchsstadiums angestellt werden wohl (+) (???)
II. RWK
III. Schuld
IV. Strafe: § 24 II 2 Alt. 2 StGB [an dieser Stelle würde ich nach S/S/W tatsächlich Rücktritt von Vollendung prüfen wollen?]
-> Nach Versuchsbeginn aber vor Vollendung Rücktrittshandlungen vorgenommen
-> Kriterium: Tatidentität ("Unabhängig vom Tatbeitrag des Mittäters vollendet?") je nach Sachverhalt (+/-)
Antworten