Mit 27 nach 5 Jahren Pause von vorne anfangen?
Verfasst: Donnerstag 22. Dezember 2022, 21:23
Hallo zusammen,
ich bin fast 27, habe bisher nur Abi und Führerschein und überlege, nach 5 Jahren Pause nochmal von vorne mit Jura anzufangen.
Wie es dazu gekommen ist, schreibe ich als Kommentar, weil ich nicht weiß, ob das relevant ist.
Nach dem Abi 2 Semester BWL studiert, dann 2016 im Alter von 20,5 zu Jura gewechselt.
Erste 2 Semester noch einigermaßen normal studiert, aber auch da schon anderes im Kopf gehabt. Im dritten Semester dann die letzten Klausuren geschrieben. Noten waren für den Lernaufwand recht gut.
Dann von April 2018 bis Anfang 2021 absolut gar nichts mehr mit Jura zu tun gehabt.
In dieser Zeit immer mindestens 20 Stunden pro Woche in verschiedenen Startups gearbeitet. Mehrmals ernsthaft überlegt, Medizin zu studieren. Da auch viele Praktika gemacht. Eigentliches, sehr vage formuliertes Ziel war aber, mir irgendwann mal was Eigenes aufzubauen – hab jedoch auch damit nie begonnen.
Anfang 2021 wieder kurz über Jura nachgedacht und eine Klausur geschrieben, die Überlegungen dann aber wieder verworfen und gearbeitet.
Nun mit fast 27 Jahren endgültig realisiert, dass ich doch noch „ganz normal“ studieren will und dass Jura mit Abstand mein Favorit ist. Vor 2 Monaten Hausarbeit geschrieben und angefangen, ordentlich zu lernen, was mich in diesem Vorhaben bisher bestärkt.
Von den Scheinen her bin ich mit dem 3. Semester fertig + Fremdsprachenschein + Schlüsselqualifikation + sämtliche anwesenheitspflichtigen Veranstaltungen abgehakt. Das bringt mir allerdings kaum was, da ich ja sowieso den ganzen Stoff wiederholen muss. Eventuell spare ich so ein Semester bei der Wiederholung des Stoffes – macht den Braten nun auch nicht mager. Dass ich jetzt einfach im 3. Semester einsteigen und dann in 6 Semestern das 1. Stex schreiben kann, denke ich eher nicht.
Habe mich bereits sehr ausgiebig (eher exzessiv) mit Jura beschäftigt und hier in den letzten Wochen auch sämtliche Beiträge zum Thema „Jura im hohen Alter“ gelesen.
Meine Bedenken:
1. Alter
2. Ungewissheit, ob ich am Ende ausreichende Noten bekomme
Zu 1.: Ich habe viel darüber nachgedacht und mit Freunden und Eltern darüber geredet, ob es „ok“ ist, mit 27-34 Jahren noch zu studieren. Ergebnis: Kann jetzt nicht sagen, ob ich es irgendwann bereuen werde. Aktuell macht mir das Jurastudentenleben noch (am meisten) Spaß, aber mit 30-34?
Zu 2.: Das ist das eigentliche Problem und im Moment denke ich eher, dass mein Vorhaben hieran scheitert. Diese Ungewissheit, ob man am Ende ausreichend gute Noten bekommt, war für mich auch schon vor Beginn des Jurastudiums das größte Contra-Argument. Jetzt habe ich allerdings die Kombination Alter + Ungewissheit, was nochmal ne ganz andere Nummer ist. Selbst wenn ich nicht erst im 2., sondern bereits im 1. Stex eine schlechte Note bekäme, wäre ich schon mindestens 30. Die Vorstellung, dann nochmal was anderes anzufangen, ist schon ziemlich gruselig. Der absolute Worst Case wäre ein Scheitern im 2. Stex (= nicht nur Durchfallen, sondern auch zu schlechte Note). Dann wäre ich 34 und hätte lediglich Abi und ein schlechtes 2. Stex. Und zusätzlich mindestens 8.000-15.000€ Schulden. Habe die finanzielle Lage bereits mit verschiedenen Szenarien durchkalkuliert. Klar, das bekäme ich schon irgendwann irgendwie abbezahlt, aber trotzdem hätte ich in diesem Szenario ja langfristig finanziell absolut versagt. Ich werde auch nicht viel erben o.Ä.
Ich brauche keinen großen Luxus, aber hätte wohl schon irgendwann gerne ein Kind und eine einigermaßen nette Wohnung. Ständig finanzielle Sorgen will ich aber auch nicht haben.
Bei uns bekommt man den LLB ohne jegliche Zusatzleistungen nach dem 6. Semester – der wäre mit meinem Lebenslauf wohl erst recht nutzlos. Vielleicht würde ich dann im Worst Case einen LLM machen und über das StB-Examen nachdenken – aber ob das noch vernünftig ist, nachdem man in einem juristischen Stex schlecht war, ist zu bezweifeln.
Ich weiß gar nicht, was ich dann tun würde. Dann käme wohl wirklich nur noch ein duales Studium in Frage. Oder ich würde programmieren lernen und mir da nen Job suchen.
Ich habe ausgiebig darüber nachgedacht, ob man nicht nebenbei irgendwas tun kann, was einem zumindest eine kleine Absicherung geben würde. Ergebnis: nein. Klar, ich könnte noch diverse Praktika machen und meine Ref-Stationen klug wählen, aber dass ich darüber Kontakte bekäme, die mir auch bei mittelmäßigen Noten nen Job verschaffen könnten, ist nicht zu erwarten. Für LLM oder Promotion bin ich dann wohl wirklich zu alt.
Könnte man mir versichern, dass man auch in 7 Jahren noch mit 2x befriedigend gute Chancen hat, wäre das schon ein starkes Pro-Argument für mich.
Ich würde es natürlich von vornherein als Vollzeitjob betrachten und habe mich schon ausführlich damit beschäftigt, wie man ordentlich lernt. Ich könnte von Anfang an mit Fokus aufs Stex lernen. Und Motivationsprobleme hätte ich definitiv nicht. Aber ich denke, das sieht bei genug anderen ähnlich aus.
Pro:
• Interesse: Keine der Alternativen finde ich annähernd so interessant bzw es bereitet mir kein Fach so viel Freude. Was ich bisher interessanter fand, war halt mein „restliches Leben“.
Habe nach dem 3. Semester quasi als letzte Amtshandlung ein Praktikum gemacht, was mir eigentlich auch gut gefiel.
• Eignung: Ich bin mir sicher, dass ich „eigentlich“ ein Talent für Jura habe/hatte. Das wurde mir von Kommilitonen, aber auch durch Noten bestätigt, wenn ich denn mal ordentlich gelernt hatte (ich weiß, nicht vergleichbar mit Examen).
• Bereue nicht, es nicht versucht zu haben. Ich bin mir relativ sicher, dass ich das mal mehr, mal weniger bereuen würde, wenn ich jetzt eine meiner Alternativen (s. u.) wähle. Das könnten allerdings auch normale „Grass is greener“-Gedanken sein, die ich ignorieren müsste.
Würde ich mich aber für eine dieser Alternativen entscheiden, wäre jedem meiner ehemaligen Kollegen und Kommilitonen klar, dass ich das nur tun würde, weil ich damit zu 99% nicht komplett scheitern könnte.
• Berufliche Perspektiven: Auch hier gilt das zu Interesse und Eignung geschriebene, soweit ich das jetzt beurteilen kann.
• Verdienstmöglichkeiten, wenn es einigermaßen gut läuft: Es müssen nicht >100k sein, aber zB 2x befriedigend zu erreichen und dann langfristig vielleicht 80k zu verdienen klingt für mich schon attraktiv.
Die Kehrseite der Jura-Medaille ist ja eben auch, dass 2x gute Noten meinen bisherigen Lebenslauf fast ungeschehen machen würden.
Verdienstausfall habe ich in den 7 Jahren gar nicht bis kaum: würde bei meinen Alternativen während den 3 Jahren Studium kaum mehr arbeiten können und danach zwar früher, aber weniger verdienen.
• Arbeitsmarktprognose: Ich würde wohl genau zum Zeitpunkt des Boomer-Renteneintritts fertig werden. Ich weiß, man kann kaum vorhersagen, was das dann tatsächlich für Auswirkungen hat und ob das nicht durch irgendwelche negativen Entwicklungen ausgeglichen wird. Außerdem werden die Einstellungen wohl schon in den Jahren davor erhöht.
Würden einigermaßen planbare Noten aber reichen, würde das meine Überlegungen schon stark beeinflussen.
Contra:
• Ungewissheit bzgl Noten: Worst Case: mit 34 mit nichts bzw. schlechtem 2. Stex dazustehen + 15.000€ Schulden)
• Alter allgemein iVm Dauer: Werde ich es bereuen,
a) in meinen 30gern immer noch zu studieren,
b) erst mit 34 richtig Geld zu verdienen und vorher nur 520€ bzw dann Refgehalt,
c) bis ganz zum Ende nicht zu wissen, ob ich in dem einen Leben, das ich habe, finanziell endgültig versagt habe?
• Eignung jetzt und in Zukunft: Wie gesagt, bin ich mir sicher, mal gut für Jura geeignet gewesen zu sein. Ich muss mir aber auch eingestehen, dass meine Kognition nach der Erkenntnis, in welche Situation ich mich gebracht hab, ziemlich gelitten hat. Ich könnte mir vorstellen, dass das nachlässt, wenn ich mich endlich festlege und einem Ziel entgegenarbeite. Es könnte aber auch so bleiben. Dann wären normale Semesterklausuren, die man abhaken und vergessen kann, deutlich machbarer als zwei Staatsexamen.
Was mir mit meiner aktuellen mentalen Verfassung am schwersten fällt, sind wohl genau die Klausurenschreib-Skills, die man im Examen braucht. Sieht man glaube ich auch an der „Struktur“ dieses Beitrags. Sehr viel Stoff auswendig zu lernen und dann am besten Multiple Choice funktioniert noch gut – hatte bei einem Medizin-Aufnahmetest nen guten Rang.
Aber mir 5h richtig einzuteilen und richtige Schwerpunkte zu setzen? Fraglich, ob ich das (wieder) lernen kann. Ich fürchte auch, dass diese Art von Klausur deutlich eher Blackouts begünstigt als mehrere kurze Aufgaben.
• Lebenslauf + Alter: Ist bei guten Noten ja eher unwichtig, aber
a) mir geht es ja um das Szenario, bei dem ich keine guten Noten bekomme
b) mein Lebenslauf sieht halt schon anders aus als „mal 1-2 Jahre Pause gemacht“.
Da stehen dann bis zum 1. Stex 20 Semester. Und dass ich Jura einfach mal 5 Jahre pausiert hab, dürfte auch nen schlechteren Eindruck machen als mit 27 Jahren wirklich erst damit anzufangen. Ich habe für diese Lücken auch keine Erklärung und zwar die meiste Zeit 20h gearbeitet, aber nicht immer.
Und selbst, dass mein Lebenslauf mir bei guten Noten nicht schaden würde, ist mMn nicht ganz sicher: Als ich mit Jura anfing, hab ich gehofft, dass bald nicht mehr nur die Noten zählen, sondern man auch mit nem gutem Lebenslauf punkten kann. Jetzt hoffe ich eher, dass diese (zu nem gewissen Maß sinnvolle) Entwicklung nicht eintritt. Könnte mir aber vorstellen, dass zu meinem Berufseinstieg den Noten etwas weniger Gewicht zukommt.
Klar, ab jetzt könnte ich bzgl Lebenslauf alles „richtig“ machen, aber bisher lief eben alles falsch.
• Vielleicht mehr Versagensangst wegen Alter + Schulden
• Psyche: Seit ich realisiert hab, was ich angerichtet hab, bin ich allgemein in ner suboptimalen mentalen Verfassung. Auch hier weiß ich nicht, ob sich das ändern wird. Denn die Situation ist nun mal verkorkst und Jura kann mir ja bis nach dem 1. Stex gar keine echten Erfolgserlebnisse verschaffen.
• Schlechteres soziales Netzwerk. Kenne natürlich noch niemanden, der dann mit mir Examen schreibt. Für die Examensvorbereitung könnte man dann sicher eine Lerngruppe gründen, aber es dürfte schon schwerer sein, Anschluss zu finden.
Zusammengefasst ist die Ungewissheit das mit Abstand größte Problem. Wäre es ausreichend sicher, dass man mit harter Arbeit über viele Jahre auch Erfolg haben wird (wie bei Medizin), würde ich es wagen.
Alternativen:
• Duales Studium im öffentlichen Dienst, v.a. Finanzwirt, eventuell auch Rechtspfleger oder Verwaltung
• Wirtschaftsinformatik an FH
Mein vorläufiger Plan ist wohl, Jura nochmal ne Zeit lang zu probieren und vor allem in 2 Monaten 2 Klausuren zu schreiben, um Feedback zu bekommen. Wenn ich mir dann nicht zutraue, mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit einigermaßen gute Noten zu bekommen, würde ich eben zu einer meiner Alternativen wechseln. Habe mich für die genannten dualen Studiengänge beworben und könnte damit ja ohnehin erst zum Wintersemester beginnen.
Ich fürchte aber, dass der Erkenntnisgewinn in den paar Monaten begrenzt sein wird. Jura ist ja nichts komplett neues für mich. Wirklich interessant wird es doch eh erst, wenn es auf das Examen zugeht. Andererseits will ich mir eigentlich nicht mehr Zeit geben.
Meine Situation macht mich gerade ziemlich fertig und ich kann kaum klar denken. Ich wechsle normalerweise auch nicht in jedem zweiten Satz die Zeitform und kann meine Gedanken strukturierter ausdrücken als ich es hier wohl getan habe.
Sollte ich es wagen oder ist es zu spät?
ich bin fast 27, habe bisher nur Abi und Führerschein und überlege, nach 5 Jahren Pause nochmal von vorne mit Jura anzufangen.
Wie es dazu gekommen ist, schreibe ich als Kommentar, weil ich nicht weiß, ob das relevant ist.
Nach dem Abi 2 Semester BWL studiert, dann 2016 im Alter von 20,5 zu Jura gewechselt.
Erste 2 Semester noch einigermaßen normal studiert, aber auch da schon anderes im Kopf gehabt. Im dritten Semester dann die letzten Klausuren geschrieben. Noten waren für den Lernaufwand recht gut.
Dann von April 2018 bis Anfang 2021 absolut gar nichts mehr mit Jura zu tun gehabt.
In dieser Zeit immer mindestens 20 Stunden pro Woche in verschiedenen Startups gearbeitet. Mehrmals ernsthaft überlegt, Medizin zu studieren. Da auch viele Praktika gemacht. Eigentliches, sehr vage formuliertes Ziel war aber, mir irgendwann mal was Eigenes aufzubauen – hab jedoch auch damit nie begonnen.
Anfang 2021 wieder kurz über Jura nachgedacht und eine Klausur geschrieben, die Überlegungen dann aber wieder verworfen und gearbeitet.
Nun mit fast 27 Jahren endgültig realisiert, dass ich doch noch „ganz normal“ studieren will und dass Jura mit Abstand mein Favorit ist. Vor 2 Monaten Hausarbeit geschrieben und angefangen, ordentlich zu lernen, was mich in diesem Vorhaben bisher bestärkt.
Von den Scheinen her bin ich mit dem 3. Semester fertig + Fremdsprachenschein + Schlüsselqualifikation + sämtliche anwesenheitspflichtigen Veranstaltungen abgehakt. Das bringt mir allerdings kaum was, da ich ja sowieso den ganzen Stoff wiederholen muss. Eventuell spare ich so ein Semester bei der Wiederholung des Stoffes – macht den Braten nun auch nicht mager. Dass ich jetzt einfach im 3. Semester einsteigen und dann in 6 Semestern das 1. Stex schreiben kann, denke ich eher nicht.
Habe mich bereits sehr ausgiebig (eher exzessiv) mit Jura beschäftigt und hier in den letzten Wochen auch sämtliche Beiträge zum Thema „Jura im hohen Alter“ gelesen.
Meine Bedenken:
1. Alter
2. Ungewissheit, ob ich am Ende ausreichende Noten bekomme
Zu 1.: Ich habe viel darüber nachgedacht und mit Freunden und Eltern darüber geredet, ob es „ok“ ist, mit 27-34 Jahren noch zu studieren. Ergebnis: Kann jetzt nicht sagen, ob ich es irgendwann bereuen werde. Aktuell macht mir das Jurastudentenleben noch (am meisten) Spaß, aber mit 30-34?
Zu 2.: Das ist das eigentliche Problem und im Moment denke ich eher, dass mein Vorhaben hieran scheitert. Diese Ungewissheit, ob man am Ende ausreichend gute Noten bekommt, war für mich auch schon vor Beginn des Jurastudiums das größte Contra-Argument. Jetzt habe ich allerdings die Kombination Alter + Ungewissheit, was nochmal ne ganz andere Nummer ist. Selbst wenn ich nicht erst im 2., sondern bereits im 1. Stex eine schlechte Note bekäme, wäre ich schon mindestens 30. Die Vorstellung, dann nochmal was anderes anzufangen, ist schon ziemlich gruselig. Der absolute Worst Case wäre ein Scheitern im 2. Stex (= nicht nur Durchfallen, sondern auch zu schlechte Note). Dann wäre ich 34 und hätte lediglich Abi und ein schlechtes 2. Stex. Und zusätzlich mindestens 8.000-15.000€ Schulden. Habe die finanzielle Lage bereits mit verschiedenen Szenarien durchkalkuliert. Klar, das bekäme ich schon irgendwann irgendwie abbezahlt, aber trotzdem hätte ich in diesem Szenario ja langfristig finanziell absolut versagt. Ich werde auch nicht viel erben o.Ä.
Ich brauche keinen großen Luxus, aber hätte wohl schon irgendwann gerne ein Kind und eine einigermaßen nette Wohnung. Ständig finanzielle Sorgen will ich aber auch nicht haben.
Bei uns bekommt man den LLB ohne jegliche Zusatzleistungen nach dem 6. Semester – der wäre mit meinem Lebenslauf wohl erst recht nutzlos. Vielleicht würde ich dann im Worst Case einen LLM machen und über das StB-Examen nachdenken – aber ob das noch vernünftig ist, nachdem man in einem juristischen Stex schlecht war, ist zu bezweifeln.
Ich weiß gar nicht, was ich dann tun würde. Dann käme wohl wirklich nur noch ein duales Studium in Frage. Oder ich würde programmieren lernen und mir da nen Job suchen.
Ich habe ausgiebig darüber nachgedacht, ob man nicht nebenbei irgendwas tun kann, was einem zumindest eine kleine Absicherung geben würde. Ergebnis: nein. Klar, ich könnte noch diverse Praktika machen und meine Ref-Stationen klug wählen, aber dass ich darüber Kontakte bekäme, die mir auch bei mittelmäßigen Noten nen Job verschaffen könnten, ist nicht zu erwarten. Für LLM oder Promotion bin ich dann wohl wirklich zu alt.
Könnte man mir versichern, dass man auch in 7 Jahren noch mit 2x befriedigend gute Chancen hat, wäre das schon ein starkes Pro-Argument für mich.
Ich würde es natürlich von vornherein als Vollzeitjob betrachten und habe mich schon ausführlich damit beschäftigt, wie man ordentlich lernt. Ich könnte von Anfang an mit Fokus aufs Stex lernen. Und Motivationsprobleme hätte ich definitiv nicht. Aber ich denke, das sieht bei genug anderen ähnlich aus.
Pro:
• Interesse: Keine der Alternativen finde ich annähernd so interessant bzw es bereitet mir kein Fach so viel Freude. Was ich bisher interessanter fand, war halt mein „restliches Leben“.
Habe nach dem 3. Semester quasi als letzte Amtshandlung ein Praktikum gemacht, was mir eigentlich auch gut gefiel.
• Eignung: Ich bin mir sicher, dass ich „eigentlich“ ein Talent für Jura habe/hatte. Das wurde mir von Kommilitonen, aber auch durch Noten bestätigt, wenn ich denn mal ordentlich gelernt hatte (ich weiß, nicht vergleichbar mit Examen).
• Bereue nicht, es nicht versucht zu haben. Ich bin mir relativ sicher, dass ich das mal mehr, mal weniger bereuen würde, wenn ich jetzt eine meiner Alternativen (s. u.) wähle. Das könnten allerdings auch normale „Grass is greener“-Gedanken sein, die ich ignorieren müsste.
Würde ich mich aber für eine dieser Alternativen entscheiden, wäre jedem meiner ehemaligen Kollegen und Kommilitonen klar, dass ich das nur tun würde, weil ich damit zu 99% nicht komplett scheitern könnte.
• Berufliche Perspektiven: Auch hier gilt das zu Interesse und Eignung geschriebene, soweit ich das jetzt beurteilen kann.
• Verdienstmöglichkeiten, wenn es einigermaßen gut läuft: Es müssen nicht >100k sein, aber zB 2x befriedigend zu erreichen und dann langfristig vielleicht 80k zu verdienen klingt für mich schon attraktiv.
Die Kehrseite der Jura-Medaille ist ja eben auch, dass 2x gute Noten meinen bisherigen Lebenslauf fast ungeschehen machen würden.
Verdienstausfall habe ich in den 7 Jahren gar nicht bis kaum: würde bei meinen Alternativen während den 3 Jahren Studium kaum mehr arbeiten können und danach zwar früher, aber weniger verdienen.
• Arbeitsmarktprognose: Ich würde wohl genau zum Zeitpunkt des Boomer-Renteneintritts fertig werden. Ich weiß, man kann kaum vorhersagen, was das dann tatsächlich für Auswirkungen hat und ob das nicht durch irgendwelche negativen Entwicklungen ausgeglichen wird. Außerdem werden die Einstellungen wohl schon in den Jahren davor erhöht.
Würden einigermaßen planbare Noten aber reichen, würde das meine Überlegungen schon stark beeinflussen.
Contra:
• Ungewissheit bzgl Noten: Worst Case: mit 34 mit nichts bzw. schlechtem 2. Stex dazustehen + 15.000€ Schulden)
• Alter allgemein iVm Dauer: Werde ich es bereuen,
a) in meinen 30gern immer noch zu studieren,
b) erst mit 34 richtig Geld zu verdienen und vorher nur 520€ bzw dann Refgehalt,
c) bis ganz zum Ende nicht zu wissen, ob ich in dem einen Leben, das ich habe, finanziell endgültig versagt habe?
• Eignung jetzt und in Zukunft: Wie gesagt, bin ich mir sicher, mal gut für Jura geeignet gewesen zu sein. Ich muss mir aber auch eingestehen, dass meine Kognition nach der Erkenntnis, in welche Situation ich mich gebracht hab, ziemlich gelitten hat. Ich könnte mir vorstellen, dass das nachlässt, wenn ich mich endlich festlege und einem Ziel entgegenarbeite. Es könnte aber auch so bleiben. Dann wären normale Semesterklausuren, die man abhaken und vergessen kann, deutlich machbarer als zwei Staatsexamen.
Was mir mit meiner aktuellen mentalen Verfassung am schwersten fällt, sind wohl genau die Klausurenschreib-Skills, die man im Examen braucht. Sieht man glaube ich auch an der „Struktur“ dieses Beitrags. Sehr viel Stoff auswendig zu lernen und dann am besten Multiple Choice funktioniert noch gut – hatte bei einem Medizin-Aufnahmetest nen guten Rang.
Aber mir 5h richtig einzuteilen und richtige Schwerpunkte zu setzen? Fraglich, ob ich das (wieder) lernen kann. Ich fürchte auch, dass diese Art von Klausur deutlich eher Blackouts begünstigt als mehrere kurze Aufgaben.
• Lebenslauf + Alter: Ist bei guten Noten ja eher unwichtig, aber
a) mir geht es ja um das Szenario, bei dem ich keine guten Noten bekomme
b) mein Lebenslauf sieht halt schon anders aus als „mal 1-2 Jahre Pause gemacht“.
Da stehen dann bis zum 1. Stex 20 Semester. Und dass ich Jura einfach mal 5 Jahre pausiert hab, dürfte auch nen schlechteren Eindruck machen als mit 27 Jahren wirklich erst damit anzufangen. Ich habe für diese Lücken auch keine Erklärung und zwar die meiste Zeit 20h gearbeitet, aber nicht immer.
Und selbst, dass mein Lebenslauf mir bei guten Noten nicht schaden würde, ist mMn nicht ganz sicher: Als ich mit Jura anfing, hab ich gehofft, dass bald nicht mehr nur die Noten zählen, sondern man auch mit nem gutem Lebenslauf punkten kann. Jetzt hoffe ich eher, dass diese (zu nem gewissen Maß sinnvolle) Entwicklung nicht eintritt. Könnte mir aber vorstellen, dass zu meinem Berufseinstieg den Noten etwas weniger Gewicht zukommt.
Klar, ab jetzt könnte ich bzgl Lebenslauf alles „richtig“ machen, aber bisher lief eben alles falsch.
• Vielleicht mehr Versagensangst wegen Alter + Schulden
• Psyche: Seit ich realisiert hab, was ich angerichtet hab, bin ich allgemein in ner suboptimalen mentalen Verfassung. Auch hier weiß ich nicht, ob sich das ändern wird. Denn die Situation ist nun mal verkorkst und Jura kann mir ja bis nach dem 1. Stex gar keine echten Erfolgserlebnisse verschaffen.
• Schlechteres soziales Netzwerk. Kenne natürlich noch niemanden, der dann mit mir Examen schreibt. Für die Examensvorbereitung könnte man dann sicher eine Lerngruppe gründen, aber es dürfte schon schwerer sein, Anschluss zu finden.
Zusammengefasst ist die Ungewissheit das mit Abstand größte Problem. Wäre es ausreichend sicher, dass man mit harter Arbeit über viele Jahre auch Erfolg haben wird (wie bei Medizin), würde ich es wagen.
Alternativen:
• Duales Studium im öffentlichen Dienst, v.a. Finanzwirt, eventuell auch Rechtspfleger oder Verwaltung
• Wirtschaftsinformatik an FH
Mein vorläufiger Plan ist wohl, Jura nochmal ne Zeit lang zu probieren und vor allem in 2 Monaten 2 Klausuren zu schreiben, um Feedback zu bekommen. Wenn ich mir dann nicht zutraue, mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit einigermaßen gute Noten zu bekommen, würde ich eben zu einer meiner Alternativen wechseln. Habe mich für die genannten dualen Studiengänge beworben und könnte damit ja ohnehin erst zum Wintersemester beginnen.
Ich fürchte aber, dass der Erkenntnisgewinn in den paar Monaten begrenzt sein wird. Jura ist ja nichts komplett neues für mich. Wirklich interessant wird es doch eh erst, wenn es auf das Examen zugeht. Andererseits will ich mir eigentlich nicht mehr Zeit geben.
Meine Situation macht mich gerade ziemlich fertig und ich kann kaum klar denken. Ich wechsle normalerweise auch nicht in jedem zweiten Satz die Zeitform und kann meine Gedanken strukturierter ausdrücken als ich es hier wohl getan habe.
Sollte ich es wagen oder ist es zu spät?