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Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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asecondopinion
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Fragen über Fragen

Beitrag von asecondopinion »

Hallo zusammen,

vorweg, sollten diese Fragen bereits beantwortet sein, bitte ich diesen Thread zu entschuldigen ;)

Ich stehe kurz (März 2024) vor dem ersten Examen in Bayern und bin mir in Bezug auf die Lösungen der Klausuren zu manchen Dingen noch etwas unschlüssig. Ich lege einfach mal los:

1. Richtig gliedern
Ich möchte richtig gliedern lernen. Meine Frage dazu ist, wie tief soll ich denn gliedern?
Viele Probleme sehe ich erst beim Ausformulieren, da ich ja erst dort die Subsumtion vornehmen.
Mir erscheint das aber dann immer etwas zu spät, vorallem da ich es für sinnvoll halte und dies auch häufig gehört habe, dass das Gliedern das A und O ist. Gliedere ich also nur grob oder gliedere ich bis in die Probleme hinein und löse sie schon in der Gliederung?

2. Normketten
Manchmal werden die Normketten unterschiedlich geschrieben.
Beispiel des Aufwendungsersatzes bei der echten GoA:
§§ 670, 683 S. 1, 677 BGB oder ist es §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB

Mein Ansatz ist, dass ich von dem Ausgehe was ich möchte; noch ein Beispiel, der Schadensersatz beim Mangel
§§ 280 I S. 1, 311 I, 241 I, 433 I, 434 I, 437 Nr. 3 Alt. 1 BGB oder §§ 433, 434 I, 437 Nr. 3 Alt. 1, 280 I S. 1 BGB oder §§ 437 Nr. 3 Alt. 1, 433, 434 I, 280 I S. 1 BGB
(Anm. dazu, ich zitiere gerne wenn es um SV & Pflichtverletzungen geht die §§ 311 I, 241 I BGB mit, da die mMn. notwendig sind, ist das richtig? Es wird ja von SV und von Pflichtverletzungen gesprochen, daher müsste ich ja erstmal [durch die Normen] definieren was das SV und die Pflichten sind)

Vielen Dank für die Beantwortung und evtl. folgende Diskussion.
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Seeker
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Re: Fragen über Fragen

Beitrag von Seeker »

1. Gliederung:

Das ist Geschmackssache und hängt davon ab, wie schnell du Klausuren durchdenken und im Kopf schon lösen kannst. Ich persönlich bin gut damit gefahren, die Klausur schon (fast) vollständig gelöst zu haben, bevor ich mit dem Ausformulieren anfing. D.h. ich hatte eine Skizze, in der im Zivilrecht alle Anspruchsgrundlagen auftauchten und alle Probleme mit "P" markiert waren. Ich habe aber nicht alle Argumente zu einzelnen Streits ausführlich notiert.

Für die Skizze würde ich maximal 2h, lieber 1,5h investieren, im Strafrecht tendenziell noch weniger. Ich schreibe aber auch sehr schnell, also hat mir das gereicht.

Am Ende ist es ein Balanceakt. Mit dem Ausformulieren zu beginnen, bevor man weiß, wo die Reise hingeht, wäre mir zu riskant. Andererseits gibt es nur für die ausformulierte Lösung Punkte (wie viel eine mit abgegebene Skizze noch "bringt", darüber kann man nur müßig spekulieren).

2. Normketten:

Immer erst die Norm zitieren, aus der sich direkt die Rechtsfolge ergibt, also § 670 BGB oder § 280 I 1 BGB. Bei der Normkette würde ich mich an dem orientieren, was üblich ist. Ich persönlich würde beispielsweise bei einem Schadensersatz neben der Leistung wegen Sachmangels ("Mangelfolgeschaden") nur §§ 280 I 1, 437 Nr. 3 Var. 1 BGB zitieren. Die §§ 434, 311 I, 241 I BGB usw. würde ich weglassen, das macht die AGL unübersichtlich und enthält keine relevanten Informationen. Das wurde mir noch nie angestrichen. Einfach jede auch nur irgendwie relevante Norm direkt bei der AGL zu zitieren, wirkt m.E. eher unsicher.

Wegen solcher Punkte würde ich mich aber nicht verrückt machen. Du kannst dir ja einfach mal eine Handvoll Klausurlösungen aus unterschiedlichen Quellen anschauen und dann das machen, was du am häufigsten findest. Ich würde aber nicht einfach "alles" zitieren, um dich "abzusichern" oder weil es in "einer Lösung bei Alpmann/hemmer" so stand. Im Examen kommt es auch auf Souveränität an und Repetitoren haben bzgl. solcher Details kein Insiderwissen.
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Re: Fragen über Fragen

Beitrag von asecondopinion »

Vielen Dank für die ausführliche Antwort.
Noch eine Rückfrage zum Schadensersatz wegen Pflichtverletzung:

Angenommen ich spiele das Programm des § 280 I S. 1 BGB in Bezug auf den Mangelfolgeschaden durch.
Ich erwähne dabei aber die Rechte des Käufers bei Mängeln im Gutachten nicht mehr; genügt es dann den § 437 BGB nur in der Anspruchsgrund lage zu erwähnen also?

A könnte, gem. §§ 280 I S. 1, 437 Nr. 3 Alt. 1 BGB, einen Anspruch auf … 
Dazu müsste (TBM des § 280 I S. 1) vorliegen …
(1) Schuldverhältnis … (2) Pflichtverletzung … usw.

Die Norm der Rechte bei Mängeln findet sich dann nicht mehr wieder, außer in meinem Obersatz.
Ich weis, das sind vermutlich unwichtige Detailfragen aber ich sehe hier keine Notwendigkeit des § 437.

Gut, für die Nacherfüllung nach § 439 ist er vermutlich schon notwendig, es ergibt sich ja sonst nicht wieso der Gläubiger Nacherfüllung verlangen dürfte; aber für den SchaE mMn. ist er nicht notwendig.?

Ich versuche nur ein bisschen die Gedankengänge des Gesetzgebers zu verstehen …
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Re: Fragen über Fragen

Beitrag von Seeker »

Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstehe, aber ich versuche es mal:

Ich würde § 437 Nr. 3 Var. 1 BGB in diesen Konstellationen ("Mangelfolgeschaden") auf jeden Fall in der AGL/dem Obersatz erwähnen. Abgesehen davon muss die Norm aber nicht mehr auftauchen, sie dient ja nur der Klarstellung/Verweisung.

Schreiben würde ich dann sowas wie, A könnte einen Schadensersatzanspruch gegen B gem. §§ 280 I S. 1, 437 Nr. 3 Alt. 1 BGB auf Zahlung von X Euro haben. Hierzu müsste B seine schuldvertraglichen Pflichten in zu vertretender Weise verletzt und dadurch einen zurechenbaren Schaden verursacht haben.

Das erforderliche Schuldverhältnis besteht in Gestalt des Kaufvertrags zwischen A und B über...

B könnte seine vertraglichen Pflichten gem. § 433 I 1 BGB durch die Lieferung einer mangelhaften Sache verletzt haben. Die [Sache] könnte hier gem. § 434 ...
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Re: Fragen über Fragen

Beitrag von asecondopinion »

Ja genau, du hast die Frage richtig erfasst. Danke, genau das wollte ich wissen!

Edit: Wenn es andere Meinungen zu den Themen gibt bitte her damit. Das heisst nicht, dass die Antworten nicht zufrieden stellend waren!
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Strich
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Re: Fragen über Fragen

Beitrag von Strich »

Hmm hätte das so beantwortet wie Seeker ^^ reicht das?
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Fragen über Fragen

Beitrag von Mia »

Das ist wirklich Geschmackssache. Ich präferiere beispielsweise §§ 437 Nr. 3, 434 x, 280 I, III, 281 etc.
Den Rest zur Normkette sehe ich wie Seeker.

Die Klausur würde ich möglichst mit der Lösungsskizze vollständig durchdenken, das hat aber nicht zwingend mit der Gliederung zu tun, sondern empfiehlt sich, damit nicht erst in der Klausur auffällt, dass man gerade ganz woanders abbiegen müsste und die Lösungsskizze in der Schreibphase anpassen muss.

Bei Schwerpunkten/ Problemen kann man ggfs. auch nochmal untergliedern. Allerdings sehe ich keinen Nachteil darin, ein paar Seiten ohne neuen Gliederungspunkt zu schreiben, solange die wesentlichen Prüfungspunkte eine Überschrift haben und die Gliederung in sich schlüssig bleibt. Argumente oder Unterpunkte kann man auch durch Absätze ausreichend voneinander abgrenzen.

Zu viele Überschriften/ Gliederungspunkte in der Klausur kosten Zeit. Unproblematischen Punkten würde ich daher auch nicht per se eigene Gliederungspunkte zuordnen, es kann auch reichen unter b) zwei Gliederungspunkte in einem Satz im Feststellungsstil ohne Überschrift abzuhandeln, wenn dann bei c) längere Ausführungen folgen. So bleibt die Struktur sauber, ohne, dass zu viel Zeit investiert wird.

Was die Zeit für die Lösungsskizze angeht lässt sich da wenig verallgemeinern. Wo der eine 1,5 Stunden für die Skizze braucht und in der Klausur vllt nochmal überlegen muss (oder auch nicht und dafür sauber und leserlich 30 Seiten schreibt), nimmt sich der andere 3 Stunden und schreibt danach schwer gehetzt runter.
asecondopinion
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Re: Fragen über Fragen

Beitrag von asecondopinion »

Also den Mut zum Urteilsstil habe ich auch bei offensichtlich unproblematischen Punkten (eine Formulierung die ich so nie in der Klausur verwenden würde :D). Mit Gliederung habe ich auch die Lösungsskizze gemeint. Danke für den Beitrag!
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