Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

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Sara_Cynthia
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Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von Sara_Cynthia »

Hallo zusammen :)

Ich beschäftige mich gerade mit folgenden Fall:

Es geht um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall. Der Kläger hat Klage am allgemeinen Gerichtsstand des Fahrers eingereicht, dieses AG ist aber nicht auch der allgemeine Gerichtsstand der Versicherung und auch nicht örtlich zuständig nach § 32 ZPO. Nach Rüge der örtlichen Zuständigkeit durch die Versicherung beantragt der Kläger Verweisung an das nach § 32 ZPO zuständige Gericht.

Meine Frage ist nun: Kann der gesamte Rechtsstreit verwiesen werden? Oder nur der gegen die Versicherung, da das angegangene Gericht an sich für die Klage gegen den Fahrer schon zuständig wäre. Es handelt sich ja um eine einfache Streitgenossenschaft. Oder ist die gesamte Klage abzuweisen und der Kläger muss die Klage am nach § 32 ZPO zuständigen Gericht neu erheben?

Danke euch schon mal.
Joshua
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Re: Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von Joshua »

Aus §§ 32 ZPO, 20 StVG, 115 VVG folgt, dass der Versicherer, Halter und Fahrer am Gerichtsstand des Unfallortes verklagt werden können. Der Rechtsstreit ist hier also - bei entsprechendem Antrag - insgesamt an das nach Maßgabe des Unfallorts zuständige Gericht zu verweisen.

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Sara_Cynthia
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Re: Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von Sara_Cynthia »

Vielen Dank für deine Antwort!

Ich habe nur noch nicht ganz verstanden mit welcher Begründung man den gesamten Rechtsstreit verweist und nicht nur den unzulässigen Teil. Auf Grund der Streitgenossenschaft?
Brainiac
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Re: Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von Brainiac »

Dafür musst du den Verweisungsantrag auslegen. Wenn der Kläger wirklich gegen den Versicherer getrennt prozessieren will, dann verweist du nur den Teil des Rechtsstreits. Im Regelfall würde ich aber - vorbehaltlich anderer Anhaltspunkte - davon ausgehen, dass es auch in seinem Interesse liegt, nur einen Rechtsstreit zu führen. Dann ist seine Erklärung vernünftigerweise dahin auszulegen, dass eine Gesamtverweisung beantragt sein soll.
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Liz
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Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von Liz »

Sara_Cynthia hat geschrieben:Vielen Dank für deine Antwort!

Ich habe nur noch nicht ganz verstanden mit welcher Begründung man den gesamten Rechtsstreit verweist und nicht nur den unzulässigen Teil. Auf Grund der Streitgenossenschaft?
Das scheint mir durchaus etwas komplexer zu sein:

Nach § 281 Abs. 1 ZPO kann das Gericht nur verweisen, wenn es unzuständig. Für den Unfallgegner ist das Gericht jedoch nach §§ 12, 13 ZPO zuständig und der Kläger hat insoweit sein Wahlrecht nach § 35 ZPO ausgeübt. Theoretisch gibt es noch die Möglichkeit einer Gerichtstandsbestimmung durch das OLG nach § 36 ZPO. Die Voraussetzungen von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen hier aber gerade nicht vor, weil es einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand gibt, den der Kläger hätte wählen können. Schaue mal in die Entscheidungen BayObLG, Beschluss vom 09.01.2023, 102 AR 150/22 sowie OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.04.2016, 209 AR 2/16.

Ich sehe hier keine Möglichkeit, nachträglich den Rechtsstreit insgesamt an das nach § 32 ZPO zuständige Gericht zu bringen, ohne den Weg über eine Rücknahme und Wiedererhebung der Klage zu gehen, falls nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen von § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO vorliegen sollten.
Brainiac
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Re: Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von Brainiac »

Oh, ja. Du hast recht, Liz. Danke für die Erhellung :)
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Joshua
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Re: Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von Joshua »

Liz hat geschrieben: Sonntag 2. Juli 2023, 23:27
Das scheint mir durchaus etwas komplexer zu sein:

Nach § 281 Abs. 1 ZPO kann das Gericht nur verweisen, wenn es unzuständig. Für den Unfallgegner ist das Gericht jedoch nach §§ 12, 13 ZPO zuständig und der Kläger hat insoweit sein Wahlrecht nach § 35 ZPO ausgeübt. Theoretisch gibt es noch die Möglichkeit einer Gerichtstandsbestimmung durch das OLG nach § 36 ZPO. Die Voraussetzungen von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen hier aber gerade nicht vor, weil es einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand gibt, den der Kläger hätte wählen können. Schaue mal in die Entscheidungen BayObLG, Beschluss vom 09.01.2023, 102 AR 150/22 sowie OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.04.2016, 209 AR 2/16.

Ich sehe hier keine Möglichkeit, nachträglich den Rechtsstreit insgesamt an das nach § 32 ZPO zuständige Gericht zu bringen, ohne den Weg über eine Rücknahme und Wiedererhebung der Klage zu gehen, falls nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen von § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO vorliegen sollten.
Nein.

Die wohl hM in der Lit. sieht das mittlerweile mit beachtlichen teleologischen Argumenten anders.

Zuletzt ist dem auch ein Teil der Rspr. gefolgt:
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die klagende Partei an die durch die Klageerhebung fehlerfrei getroffene Wahl des Gerichtsstands unwiderruflich gebunden ist. Dagegen herrscht ebenso Einigkeit, dass bei Anrufung eines unzuständigen Gerichts das Wahlrecht der klagenden Partei nicht erlischt und – etwa im Rahmen einer Verweisung nach § 281 ZPO – noch nachträglich ausgeübt werden kann. Darüber hinaus soll das Wahlrecht nachträglich ausgeübt werden können, wenn die Wahlmöglichkeit erst nach Rechtshängigkeit durch Klageänderung oder Bekanntwerden von Umständen, die ein Wahlrecht begründen, entsteht (vgl. Zöller/Schlutzky, ZPO, 32. Aufl., § 35 Rn. 2; BeckOK ZPO/Toussaint, § 35 Rn. 11 ff. jew. mwN). Ober- und höchstrichterlich nicht entschieden ist dagegen – soweit ersichtlich – die Fallkonstellation, bei der – wie hier – im Rahmen einer objektiven Klagehäufung nur für einen Teil der Ansprüche eine nach § 35 ZPO bindende Wahl wegen Anrufung eines unzuständigen Gerichts nicht getroffen wurde. Dabei stellt sich die Frage, ob hinsichtlich des oder der verbundenen Ansprüche, für die das ursprünglich angerufene Gericht zuständig ist, die getroffene Wahl die klagende Partei bindet oder ob die getroffene Wahl wegen des in § 260 ZPO anerkannten Interesses, mehrere Ansprüche in einer Klage zu verbinden, insgesamt als unwirksam anzusehen ist, solange ein für alle verbundenen Ansprüche zuständiges Gericht – hier das LG Hamburg – existiert.

Letzteres ist zu bejahen. So hat das OLG Hamm in einem Fall nachträglicher Parteierweiterung argumentiert, dass von der im Rahmen des § 35 ZPO grundsätzlich geltenden objektiven Betrachtungsweise unter Umständen zugunsten eines subjektiven Ansatzes abgewichen werden dürfe, wenn dadurch die der Prozessökonomie abträgliche Vervielfältigung eines Prozesses vermieden werden könne und demgegenüber Nachteile der beklagten Partei, die durch die nachträgliche Gerichtsstandswahl entstehen könnten, zurücktreten müssten (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.10.2011 – 31 SA 72/11, BeckRS 2011, 26327). Diese Erwägungen gelten für den hier vorliegenden Fall der objektiven Klagehäufung erst recht. Durch die Verweisung des gesamten Rechtsstreits an das LG Hamburg wird die der Prozessökonomie abträgliche Vervielfältigung des Prozesses vermieden. Das gilt hier in besonderem Maß, weil alle Ansprüche auf demselben Lebenssachverhalt beruhen und in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang stehen. Denn die Kl. leitet die Ansprüche auf Abmahnkostenerstattung aus einem erhöhten Vertragsstrafeverlangen aufgrund des Verhaltens ab, mit dem die Bekl. gleichzeitig die Vertragsstrafe verwirkt haben soll. Nachteile der Bekl. aus der nachträglichen Gerichtsstandswahl sind dagegen nicht ersichtlich. Sie hat durch ihre Zuständigkeitsrüge vielmehr zu erkennen gegeben, dass sie eine Verhandlung vor dem LG Hamburg wünscht. Darüber hinaus wird auch für sie der Nachteil vermieden, sich vor zwei verschiedenen Gerichten gegen Ansprüche verteidigen zu müssen, die aus demselben Lebenssachverhalt herrühren.

(LG Frankfurt, NJW-RR 2018, 1216 Rn. 6, 7; Hervorhebung nicht im Original)
Zustimmung dazu u.a.
- Zöller
- Musielak ZPO Kommentar

Das Zivilprozessrecht soll der Durchsetzung materieller Rechte DIENEN, das sollte man nie vergessen, bevor man bar jeden teleologischen und prozessökonomischen Rechtsdenkens an (ggf. auch nur vermeintlichen) Wortlautargumenten haften bleibt.

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Re: Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von MyraUnderwood »

Hello,
in a case like this, the entire legal dispute cannot simply be referred to a court of competent jurisdiction under § 32 ZPO. If the court accessed already has jurisdiction over the driver's claim, the insurance case can be handled separately. This is a simple joint venture, so the claimant can claim for insurance referred to the competent court under § 32 ZPO. The lawsuit against the driver can continue in the current jurisdiction.
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Joshua
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Re: Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von Joshua »

Bot-Englisch ohne jede argumentative Fundierung?

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Re: Verweisung des Rechtsstreits 281 ZPO

Beitrag von gola20 »

Erinnert mich an manche meiner Mandanten. Können kein Deutsch, googeln die Gesetze auf Englisch und erklären mir die Rechtslage :drinking:
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