Bürokratie
Verfasst: Mittwoch 16. August 2023, 14:31
Ich versuch mal ein neuen Thread zu einem Thema das mich aktuelle immer mehr und auch schon in der Vergangenheit beschäftigt hat. Ich glaube, dazu kann auch jeder irgendwas beitragen und ein Ventil zu haben hilft vielleicht auch. Außerdem wird so ein Stück weit verewigt, dass auch Juristen (zumindest ich) ein erhebliches Problem mit überbordender Bürokratie haben.
Ich fang mit einer kleinen Geschichte an, die mich ein bisschen aufregt:
Wir haben ein neues System zur Abrechnung von Reisekosten eingeführt. Im Wesentlichen, und das ist nichts Neues, wenn Verwaltung "digitale """""Lösungen""""""" entwickelt, mache ich die Arbeit der Abrechnungsstelle schon mit und die schauen einmal drüber und drücken auf den Knopf. So weit so unspektakulär, funktioniert für die meisten Reisekosten auch wirklich gut. Kein Papierkram mehr, ich muss das nicht mehr abheften (was ich eh nie getan habe) und ich kann alte Anträge kopieren. Einarbeitungsaufwand einmal beiseite: Gute Sache!
Es begab sich nun aber (^^) das ich Bereitschaft hatte und dafür, zur Kostenvermeidung des Dienstherren, mit meinem Privat-KfZ durch den Bezirk gefahren bin. Diese Dienstreisen mit erheblichen Interesse wollte ich nun über das System geltend machen. Es kam die erste Ablehnung. Die nachgeordnete Haushaltsstelle müsse irgendwas bestätigen. Da dachte ich naiver Weise, dass da bei der nachgeordneten Stelle (die meine Anträge bekommen und an die nächste Stelle weiterklicken) irgendwas schief lief und ich einfach den Antrag noch mal absende. Es kam mir schon komisch vor, dass der Antrag nicht einfach an diese Stelle zurückgeschickt wurde, damit die dann ihren Fehler beheben können. Gut, kann sein, dass das System das nicht hergibt. Es folgte die nächste Ablehnung mit exakt derselben Begründung wie zuvor. "Glücklicherweise" waren es insgesamt 2 Dienstreisen und der Bearbeiter hat bei der Bearbeitung der zweiten Dienstreise mitbekommen, dass der Strich es wohl einfach nicht geschnallt hat. Es kam also eine leicht abgeänderte Variante: "Sie müssen sich von der nachgeordneten Stelle ... [irgendwas] bescheinigen lassen". Strich rennt also zur Verwaltung und siehe da, es gibt eine Verfügung des Direktors, die mit angehangen werden sollte. Okay alles klar, den Lernprozess hab ich halt und dann gehts bei nächsten Mal schnell. Anhang dran, neue Anträge (weil 2 Dienstreisen) raus. Jetzt wurden beide Dienstreisen genehmigt, aber das Beförderungsmittel wurde von "Privat KfZ mit erheblichem dienstlichem Interesse" in "Privat-KfZ" geändert. Ausgezahlt wurde die Häflte.
Keine Begründung. Ich also eine "Nachberechnung" ausgelöst. Ohne Begründung abgelehnt. Da dacht ich mir, das kann doch wohl nicht wahr sein. Das ist richtig richtig frech. Dieses Spiel kann ich auch spielen, also habe ich den ganzen Sachverhalt der Dienstreisen aufgeschrieben und auf dem Dienstweg mit der Bitte um einen rechtsmittelfähigen Bescheid abgeschickt. Ich erhielt als Antwort ein Schreiben, dass mich aufforderte, die Dienstreise einfach noch mal zu beantragen und (festhalten oder hinsetzen) das Beförderungsmittel von „Privat Kfz“ auf
„Privat Kfz mit erhebliches dienstliches Interesse“ ändern! Also genau das, was vorher beantragt und von der Abrechnungsstelle geändert wurde!
Als Jurist kann ich gegen diese "weaponized bureaucracy" ja ankämpfen und das mache ich auch. Aber der normale Bürger? Wer streitet sich denn wegen 50 Tacken in dem Ausmaß? Ich mache das, weil ich will, das soetwas aufhört und weil ich es kann und daher muss.
Marco Buschmann will jetzt mit einem Bürokratieentlastungsgesetz kommen um den "Verwaltungsburnout" der Industrie zu bekämpfen. Gelesen habe ich bisher davon, dass da irgendwelche Aufbewahrungsfristen von Belegen verkürzt werden sollen, was niemandem etwas bringt. Das Problem ist das, was man bei Marco Scheel sieht. Das Problem ist das, was man bei Genehmigungsverfahren von Windrädern in der Heute Show sehen konnte. Das Problem ist, dass keiner mehr Meister werden will, weil er dann eigentlich nur noch verlängerter Arm der Verwaltung im Unternehmen ist.
Das Problem ist, dass jeder der ein Café eröffnen will, faktisch vom Goodwill der Verwaltung abhängt. Ich halte es für praktisch ausgeschlossen, ohne anwaltlichen Rat und ohne Architekt rechtssicher ein Café zu betreiben. Man kann nur hoffen, dass die Verwaltung in Gestalt des Bauamtes/Brandschutzes/Gesundheitsamtes/Sozialversicherungsträgern/Finanzamt/Gemeinde/Berufsgenossenschaften ihr Ermessen dahingehend ausübt, allenfalls rudimentäre (d.i. stirbt da jemand beim Betreten des Cafés) Kontrollen durchzuführen.
Das klang jetzt alles nach Rant ohne Ende und das war es auch. Jetzt die andere Seite: Ich verstehe jede einzelne der Regelungen an die man sich so halten soll. Das ergibt alles irgendwo Sinn. Am Ende stirbt die Oma, weil ich irgendeine Treppe nicht gekennzeichnet habe. Am Ende ist irgendein Fluchtweg verstellt, irgendein Arbeitnehmer im Café berufsunfähig, irgendein Kind vergiftet. Es stürzt irgendwo eine Brücke ein, ein Auto brennt ab, weil das KBA zu nachlässig war und nicht auch noch die 232igste BImSchVO und 7 TA Lärm geprüft hat. Ich weiß also wirklich nicht, wie eine Lösung aussehen soll und bin ehrlich gesagt mittelschwer ernüchtert, was das ganze betrifft. Einzeln machen die Regelungen Sinn, in Summe erdrücken sie jeden Unternehmergeist, jede Innovation etc. Ein neues Gesetz führt jedenfalls dazu, dass die Unternehmen, die es einfacher haben sollen, jedenfalls mal mit der der Prüfung beauftragt sind, ob das Gesetz auf sie Anwendung finden wird. AGB Regeln wurden früher einmal von Bürgern erstritten. Heute würde man den Staat darauf ansetzen. Schon die Entkriminalisierung der Unfallflucht und des Schwarzfahrens (beide mal nur unter der Wirkung des damit verbundenen Bürokratiabbaus (weniger StA, mehr automatisierte Verfahren) betrachtet) führt die Gesetzgebung an ihre politischen Grenzen, ganz zu schweigen von der Cannabislegalisierung, deren Auswirkungen auf die Gesellschaft selbst im Worst Case lächerlich sind im Vergleich zur Steuer- Renten- und Sozialhilfepolitik. Die Auswirkungen worst wie best case rechtfertigen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt den damit verbundenen politischen Aufwand, weshalb ich für die Zukunft der Bürokratie schwarz sehe und leider keine Lösung habe, ich kann nur müde das Problem mal verewigen.
Ich fang mit einer kleinen Geschichte an, die mich ein bisschen aufregt:
Wir haben ein neues System zur Abrechnung von Reisekosten eingeführt. Im Wesentlichen, und das ist nichts Neues, wenn Verwaltung "digitale """""Lösungen""""""" entwickelt, mache ich die Arbeit der Abrechnungsstelle schon mit und die schauen einmal drüber und drücken auf den Knopf. So weit so unspektakulär, funktioniert für die meisten Reisekosten auch wirklich gut. Kein Papierkram mehr, ich muss das nicht mehr abheften (was ich eh nie getan habe) und ich kann alte Anträge kopieren. Einarbeitungsaufwand einmal beiseite: Gute Sache!
Es begab sich nun aber (^^) das ich Bereitschaft hatte und dafür, zur Kostenvermeidung des Dienstherren, mit meinem Privat-KfZ durch den Bezirk gefahren bin. Diese Dienstreisen mit erheblichen Interesse wollte ich nun über das System geltend machen. Es kam die erste Ablehnung. Die nachgeordnete Haushaltsstelle müsse irgendwas bestätigen. Da dachte ich naiver Weise, dass da bei der nachgeordneten Stelle (die meine Anträge bekommen und an die nächste Stelle weiterklicken) irgendwas schief lief und ich einfach den Antrag noch mal absende. Es kam mir schon komisch vor, dass der Antrag nicht einfach an diese Stelle zurückgeschickt wurde, damit die dann ihren Fehler beheben können. Gut, kann sein, dass das System das nicht hergibt. Es folgte die nächste Ablehnung mit exakt derselben Begründung wie zuvor. "Glücklicherweise" waren es insgesamt 2 Dienstreisen und der Bearbeiter hat bei der Bearbeitung der zweiten Dienstreise mitbekommen, dass der Strich es wohl einfach nicht geschnallt hat. Es kam also eine leicht abgeänderte Variante: "Sie müssen sich von der nachgeordneten Stelle ... [irgendwas] bescheinigen lassen". Strich rennt also zur Verwaltung und siehe da, es gibt eine Verfügung des Direktors, die mit angehangen werden sollte. Okay alles klar, den Lernprozess hab ich halt und dann gehts bei nächsten Mal schnell. Anhang dran, neue Anträge (weil 2 Dienstreisen) raus. Jetzt wurden beide Dienstreisen genehmigt, aber das Beförderungsmittel wurde von "Privat KfZ mit erheblichem dienstlichem Interesse" in "Privat-KfZ" geändert. Ausgezahlt wurde die Häflte.
Keine Begründung. Ich also eine "Nachberechnung" ausgelöst. Ohne Begründung abgelehnt. Da dacht ich mir, das kann doch wohl nicht wahr sein. Das ist richtig richtig frech. Dieses Spiel kann ich auch spielen, also habe ich den ganzen Sachverhalt der Dienstreisen aufgeschrieben und auf dem Dienstweg mit der Bitte um einen rechtsmittelfähigen Bescheid abgeschickt. Ich erhielt als Antwort ein Schreiben, dass mich aufforderte, die Dienstreise einfach noch mal zu beantragen und (festhalten oder hinsetzen) das Beförderungsmittel von „Privat Kfz“ auf
„Privat Kfz mit erhebliches dienstliches Interesse“ ändern! Also genau das, was vorher beantragt und von der Abrechnungsstelle geändert wurde!
Als Jurist kann ich gegen diese "weaponized bureaucracy" ja ankämpfen und das mache ich auch. Aber der normale Bürger? Wer streitet sich denn wegen 50 Tacken in dem Ausmaß? Ich mache das, weil ich will, das soetwas aufhört und weil ich es kann und daher muss.
Marco Buschmann will jetzt mit einem Bürokratieentlastungsgesetz kommen um den "Verwaltungsburnout" der Industrie zu bekämpfen. Gelesen habe ich bisher davon, dass da irgendwelche Aufbewahrungsfristen von Belegen verkürzt werden sollen, was niemandem etwas bringt. Das Problem ist das, was man bei Marco Scheel sieht. Das Problem ist das, was man bei Genehmigungsverfahren von Windrädern in der Heute Show sehen konnte. Das Problem ist, dass keiner mehr Meister werden will, weil er dann eigentlich nur noch verlängerter Arm der Verwaltung im Unternehmen ist.
Das Problem ist, dass jeder der ein Café eröffnen will, faktisch vom Goodwill der Verwaltung abhängt. Ich halte es für praktisch ausgeschlossen, ohne anwaltlichen Rat und ohne Architekt rechtssicher ein Café zu betreiben. Man kann nur hoffen, dass die Verwaltung in Gestalt des Bauamtes/Brandschutzes/Gesundheitsamtes/Sozialversicherungsträgern/Finanzamt/Gemeinde/Berufsgenossenschaften ihr Ermessen dahingehend ausübt, allenfalls rudimentäre (d.i. stirbt da jemand beim Betreten des Cafés) Kontrollen durchzuführen.
Das klang jetzt alles nach Rant ohne Ende und das war es auch. Jetzt die andere Seite: Ich verstehe jede einzelne der Regelungen an die man sich so halten soll. Das ergibt alles irgendwo Sinn. Am Ende stirbt die Oma, weil ich irgendeine Treppe nicht gekennzeichnet habe. Am Ende ist irgendein Fluchtweg verstellt, irgendein Arbeitnehmer im Café berufsunfähig, irgendein Kind vergiftet. Es stürzt irgendwo eine Brücke ein, ein Auto brennt ab, weil das KBA zu nachlässig war und nicht auch noch die 232igste BImSchVO und 7 TA Lärm geprüft hat. Ich weiß also wirklich nicht, wie eine Lösung aussehen soll und bin ehrlich gesagt mittelschwer ernüchtert, was das ganze betrifft. Einzeln machen die Regelungen Sinn, in Summe erdrücken sie jeden Unternehmergeist, jede Innovation etc. Ein neues Gesetz führt jedenfalls dazu, dass die Unternehmen, die es einfacher haben sollen, jedenfalls mal mit der der Prüfung beauftragt sind, ob das Gesetz auf sie Anwendung finden wird. AGB Regeln wurden früher einmal von Bürgern erstritten. Heute würde man den Staat darauf ansetzen. Schon die Entkriminalisierung der Unfallflucht und des Schwarzfahrens (beide mal nur unter der Wirkung des damit verbundenen Bürokratiabbaus (weniger StA, mehr automatisierte Verfahren) betrachtet) führt die Gesetzgebung an ihre politischen Grenzen, ganz zu schweigen von der Cannabislegalisierung, deren Auswirkungen auf die Gesellschaft selbst im Worst Case lächerlich sind im Vergleich zur Steuer- Renten- und Sozialhilfepolitik. Die Auswirkungen worst wie best case rechtfertigen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt den damit verbundenen politischen Aufwand, weshalb ich für die Zukunft der Bürokratie schwarz sehe und leider keine Lösung habe, ich kann nur müde das Problem mal verewigen.