Mordmerkmale

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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maximilianyes
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Mordmerkmale

Beitrag von maximilianyes »

Hi, wir haben uns die Mordmerkmale angeschaut, einige Fragen sind mir noch offen:
Warum geht Mordlust nur, wenn der Mensch einen anderen töten wollte?
-> ich kann ja auch wissen wollen, wie sich das anfühlt, einen Menschen zu töten, OHNE dabei ihn töten zu wollen? "Ich mache es dann einfach nur, weil ich das unbedingt mal erleben möchte"

Geschlechtstrieb: wenn ich einen Menschen töte aus welchen Gründen auch immer und ich filme das, weil ich es mir später angucken möchte (als Trophäe oder so), und dann zur geschlechtlichen Befriedigung dieses Videomaterial nutze, ist es dann auch Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs?
wieso ist der Raubmord ein Beispiel für Habgier?

Heimtücke: ein Mensch, der körperlich unterlegen ist, muss ja die Wehrlosigkeit ausnutzen, um zu töten. Ist das damit nicht das Mordmerkmal der Schwachen?

Grausamkeit: ich habe gelesen, dass das nur geht, wenn das Opfer das auch erfährt. Wenn ich aber einen Menschen 4h quäle und er in den ersten 3 Minuten schon bewusstlos ist, dann aber durch meine Folter stirbt, ist es dann grausam? Es spürt ja nicht diese Folter, sondern stirbt einfach an den Folgen daran?

wenn ein Mann seine Frau nicht rettet, weil sie seine Straftat aufgedeckt hat, warum ist das eine Verdeckungsabsicht?

sonstige niedrige Beweggründe: warum ist Rassismus ein "besonderes Missverhältnis von Anlass der Tötung und der Opferung eines Menschenlebens"?
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thh
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Re: Mordmerkmale

Beitrag von thh »

maximilianyes hat geschrieben: Sonntag 17. September 2023, 15:58 Hi, wir haben uns die Mordmerkmale angeschaut, einige Fragen sind mir noch offen:
Warum geht Mordlust nur, wenn der Mensch einen anderen töten wollte?
Mord ist in der Praxis - jaja, der BGH sieht das anders - ein qualifizierter Totschlag, d.h. ein Totschlag, bei dem mindestens ein Mordmerkmal hinzutritt. Ohne Tötungsvorsatz (in welcher Form auch immer) kein Mord.
maximilianyes hat geschrieben: Sonntag 17. September 2023, 15:58Geschlechtstrieb: wenn ich einen Menschen töte aus welchen Gründen auch immer und ich filme das, weil ich es mir später angucken möchte (als Trophäe oder so), und dann zur geschlechtlichen Befriedigung dieses Videomaterial nutze, ist es dann auch Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs?
Ja, vgl. den Fall des "Kasseler Kannibalen", BGH, Urteil vom 22.04.2005 - 2 StR 310/04:
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Kammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung der Beweise zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der Angekl. tötete, um sich später bei der Betrachtung des Videos sexuell zu befriedigen. Dies würde aber zur Annahme des Mordmerkmals "zur Befriedigung des Geschlechtstriebs" führen.

Dieses Mordmerkmal liegt vor, wenn der Täter das Töten als Mittel zur Befriedigung des Geschlechtstriebs benutzen will. Ob die erstrebte sexuelle Befriedigung erreicht wird, ist ohne Belang [...]. Eine Tötung mit dieser Zielrichtung reicht zur Erfüllung des Mordmerkmals aus. Nach den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fallgestaltungen tötet zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, wer sich durch den Tötungsakt selbst sexuelle Befriedigung verschaffen oder sich nach der Tötung in nekrophiler Weise an der Leiche vergehen will [...]. Ebenso ist dieses Mordmerkmal bejaht worden, wenn der Tod des Opfers als Folge einer Vergewaltigung zumindest billigend in Kauf genommen wird [...].

Will der Täter die Befriedigung des Geschlechtstriebs erst bei der späteren Betrachtung des Videos vom Tötungsakt und dem Umgang mit der Leiche finden, so erfüllt dieses Motiv das Mordmerkmal ebenfalls.
maximilianyes hat geschrieben: Sonntag 17. September 2023, 15:58wieso ist der Raubmord ein Beispiel für Habgier?
Naja, wie soll ein Raubmord nicht habgierig sein? Wer den Tod eines Menschen zumindest billigend in Kauf nimmt, um sich gewaltsam zu bereichern, handelt habgierig.
maximilianyes hat geschrieben: Sonntag 17. September 2023, 15:58Heimtücke: ein Mensch, der körperlich unterlegen ist, muss ja die Wehrlosigkeit ausnutzen, um zu töten. Ist das damit nicht das Mordmerkmal der Schwachen?
Nicht zwingend, in beide Richtung nicht. Auch derjenige, der körperlich überlegen ist, kann heimtückisch töten - und derjenige, der körperlich unterlegen ist, kann bspw. eine Waffe verwenden, ohne heimtückisch zu handeln.
maximilianyes hat geschrieben: Sonntag 17. September 2023, 15:58Grausamkeit: ich habe gelesen, dass das nur geht, wenn das Opfer das auch erfährt. Wenn ich aber einen Menschen 4h quäle und er in den ersten 3 Minuten schon bewusstlos ist, dann aber durch meine Folter stirbt, ist es dann grausam? Es spürt ja nicht diese Folter, sondern stirbt einfach an den Folgen daran?
Wenn das Opfer die Grausamkeiten nicht fühlen kann, liegt jedenfalls kein vollendeter Mord vor.
maximilianyes hat geschrieben: Sonntag 17. September 2023, 15:58wenn ein Mann seine Frau nicht rettet, weil sie seine Straftat aufgedeckt hat, warum ist das eine Verdeckungsabsicht?
Wenn sie die Tat bereits aufgedeckt, also bekanntgemacht, hat, liegt im Zweifel keine Verdeckungsabsicht vor.

Ansonsten: Warum nicht? Der Mann ist ggü. seiner Ehefrau Garant (§ 13 StGB). Rettet er sie vorsätzlich nicht, begeht er einen Totschlag durch Unterlassen (§§ 212, 13 StGB). Handelt er so, um zu verhinden, das seine Straftat aufgedeckt wird, tritt Verdeckungsabsicht hinzu, und es handelt sich um einen Mord durch Unterlassen. --- Praktisch relevant ist diese Konstellation bei der Unfallflucht nach dem Überfahren einer Person, die durch sofortige Hilfe hätte gerettet werden können. (Weil man letzteres in der Regel nicht beweisen kann, bleibt es dann oft beim versuchten Mord.)
maximilianyes hat geschrieben: Sonntag 17. September 2023, 15:58sonstige niedrige Beweggründe: warum ist Rassismus ein "besonderes Missverhältnis von Anlass der Tötung und der Opferung eines Menschenlebens"?
Nicht nur Rassismus, sondern überhaupt gruppenbezogene Menschenfreundlichkeit. Wer einen anderen Menschen nur deshalb tötet, weil er anders aussieht, eine andere sexuelle Ausrichtung hat, einem anderen Fußballverein oder einer anderen politischen Partei angehört, der verneint as Lebensrecht eines anderen Menschen allein deshalb, weil er einer anderen Gruppe als der eigenen zugehört. Kennzeichend für eine Tötung aus niedrigen Beweggründen sind ungehemmte Eigensucht bzw. krasse Rücksichtslosigkeit gegenüber fremdem Leben, ein völliges Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tat und/oder die Negierung des personalen Eigenwerts eines anderen Menschen.
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