Fallbetrachtung §313 BGB

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Marie-aus-Berlin
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Fallbetrachtung §313 BGB

Beitrag von Marie-aus-Berlin »

Hallo,

ich habe eine Frage zum 313 BGB (so denke ich). Das Konstrukt ist Folgendes, zu dem ich bisher leider keinen zufriedenstellenden Lösungsansatz finde:

Geschlossen wird ein Werkvertrag zwischen Käufer K und Verkäufer V. V hat K einen Festpreis angeboten für eine zu erbringende funktional beschriebene Leistung. Nach Abschluss des Vertrages weist V den K darauf hin, dass K vor der Leistungserbringung noch ein Gutachten erstellen lassen muss, um zu prüfen, welcher Leistungsumfang tatsächlich erbracht werden muss.

Das Gutachten bringt hervor, dass die vor Vertragsschluss angenommen Prämissen nicht zutreffend und die tatsächlich erforderliche Leistung durch den vereinbarten Festpreis nicht abgedeckt sind. Die Leistung würde folglich ca. 30% teurer werden. K besteht auf Einhaltung des vereinbarten Festpreises.

Daraufhin teilt V dem K mit, dass sich aufgrund des Gutachtens die Vertragsgrundlage so stark geändert hat, dass am geschlossenen Vertrag in der Form nicht festgehalten werden kann. V bietet dem K an, ein neues Angebot mit den aktuellen Parametern aufgrund des Gutachtens zu erstellen. Dem stimmt K zu und behält sich vor, auch andere Angebote einzuholen.

Schließlich teilt K dem V mit, dass er das Angebot nicht annehmen möchte. Darauf erwidert V, dass der Vertrag noch bestehen würde und es keine rechtliche Möglichkeit für K gäbe, vom Vertrag zurücktreten.

Ist der Anspruch des V berechtigt? Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass §313 BGB greifen müsste und somit das Rücktrittsrecht für K gegeben ist. (1) und (2) als Voraussetzungen scheinen mir erfüllt, ich bin mir jedoch nicht sicher, was (3) betrifft, Stichwort Zumutbarkeit. Der Vertrag könnte theoretisch angepasst werden, aber ist eine Abweichung von 30% vom ursprünglichen Preis für K noch zumutbar? Wie prüft man in diesem Fall die Voraussetzungen des §313 BGB? Wie ist hier die Zumutbarkeit zu deuten?

Fraglich ist für mich inzwischen auch, ob ich nicht völlig auf der falschen Spur bin und der Vertrag überhaupt noch besteht oder durch das neue Angebot des V und der Zustimmung des K zur Übermittlung eines neuen Angebotes nicht zugleich mit 2 übereinstimmenden Willenserklärungen der geschlossene Vertrag aufgehoben wurde. Wäre eher in diese Richtung zu prüfen? Welche rechtliche Grundlage wäre dann aus eurer Sicht heranzuziehen?

Ein leichtes Störgefühl habe ich allerdings schon bei dem Punkt, dass V den K erst nach Vertragsschluss auffordert, noch ein Gutachten erstellen zu lassen, um die Leistung erbringen bzw. den Leistungsumfang bestimmen zu können. Könnte hier gar § 119 infrage kommen? Vermutlich wäre dann aber die Anfechtungsfrist nach § 121 bereits verstrichen. Was meint ihr?

Ich freue mich über eure Fallbetrachtung :)

Gruß, Marie
alsolazy
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Re: Fallbetrachtung §313 BGB

Beitrag von alsolazy »

Zuerst würde ich schauen ob die WEs dahingehend auszulegen sind, ob das Gutachten eine Bedingung für das Wirksamwerden des Vertrages bzw. für die Leistungspflicht des V darstellt. Kann ja auch noch nachträglich vereinbart werden.
-> Wohl (-)

Weiter könnte man dann noch an eine Anfechtung wegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft denken.
-> Wohl (-)

Dann könnte man auch an das Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung denken, § 315.
-> Je nach SV

Ergibt das beides nichts, dann würde ich nach deiner Schilderung schauen, ob V und K den Vertrag nicht aufgehoben haben. Nicht konkludent über das neue Angebot sondern über die Zustimmung des K. Also schon zeitlich sehr nahe an dem was du geschrieben hast aber eher auf den Hinweis des V abestellend.
-> Je nach SV

Wenn auch das nicht das gewünschte Ergebnis bringt, dann würde ich auf § 313 abstellen.
Dabei würde ich schauen, ob der Inhalt des Gutachtens nicht nur in die Sphäre des V fällt, da ja jeder primär seine eigenen Rechtsgüter schützen muss und eine besondere Pflicht des K zur Beachtung der Rechtsgüter des V nicht erkennbar ist.
-> (+/-)

Und dann würde ein Abwägung folgen:

Ist der Inhalt des Gutachtens Teil der Vertragsgrundlage geworden? Dürfte sich V darauf redlicherweise berufen? War für K erkennbar, dass V das Gutachten zur Vertragsgrundlage machte und müsste er dies redlicherweise gelten lassen?

Ich bin allerdings selbst nur Student aber das wären so meine Gedanken dazu. Bei der Zumutbarkeit muss man eben abwägen, ob der Vertragszweck überhaupt noch erreicht werden kann mit den Kosten und solche Sachen.
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